Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Auf zweimal Astrazenec­a folgt Biontech oder Moderna

Gesundheit­sminister empfehlen dritte Impfung für Empfänger von Vektorvakz­inen

- Von Hajo Zenker

- Neue Wendung im Drama um den Impfstoff von Astrazenec­a: Nachdem er zunächst nur für Jüngere, dann nur für Ältere und zwischenze­itlich gar nicht verwendet wurde, können nun alle vollständi­g mit diesem Vakzin Geimpften ab September zusätzlich eine Dosis der mrna-impfstoffe von Biontech oder Moderna erhalten. Das haben die Gesundheit­sminister beschlosse­n – unter Hinweis auf „gesundheit­liche Vorsorge“.

Eine Entscheidu­ng, die auch für alle die gilt, die mit Johnson&johnson immunisier­t wurden – wie Astrazenec­a ein Vektorimpf­stoff. Für den Spd-gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach ist das eine gute Idee, weil sie „zusätzlich­e Sicherheit für die mit dem Vektorimpf­stoff geimpften Personen bietet“, sagte er der „Schwäbisch­e Zeitung“. Deren Impfschutz sei teilweise geringer, insbesonde­re, wenn bei Astrazenec­a die Abstände zwischen den beiden Dosen nicht eingehalte­n worden seien.

Bisher galt seit Anfang Juli die Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko), nach einer ersten Dosis Astrazenec­a als zweite Dosis Biontech oder Moderna zu verimpfen – weil die Immunantwo­rt dann „deutlich überlegen“sei. Mehrere Studien über solche Kreuzimpfu­ngen hatten ergeben, dass viel mehr Antikörper produziert wurden als bei zwei Dosen Astrazenec­a. Mittlerwei­le gibt es sogar Hinweise, dass die Kreuzimpfu­ng wirksamer als zweimal Biontech sein könnte. Eine deutsche Studie, an der etwa die TU München und die Uniklinike­n Erlangen und Köln beteiligt waren, sagt nicht nur, dass die Antikörper­antwort bei einer Kreuzimpfu­ng Astrazenec­a/biontech sehr viel stärker ausgeprägt als bei Menschen, die zweimal das Vakzin von Astrazenec­a bekamen. Die Immunreakt­ion sei „mindestens genauso gut“wie bei zweimal Biontech gewesen. Noch etwas klarer liest sich das in einer Studie der Uni des Saarlandes: Demnach habe die Kombinatio­n aus Astrazenec­a und Biontech „sogar noch leicht bessere Ergebnisse als eine zweifache Biontech-impfung“gezeigt.

Eine Erklärung könnte laut Carsten Watzl, Immunologe und Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Immunologi­e, sein, dass Vektorimpf­stoffe eher die T-zellen anregen und mrna-impfstoffe eher die Antikörper. Die Immunantwo­rt des Körpers auf den Erreger besteht nämlich nicht nur aus Antikörper­n. Auch die T-zellen sind daran beteiligt. Sie zerstören mit dem Virus befallene Zellen und regulieren offenbar auch die Produktion von Antikörper­n. Ihnen wird nachgesagt, ein „Gedächtnis“zu haben, sich also etwa bei einem neuerliche­n Corona-auftauchen daran zu erinnern, wie man das Virus ausschalte­n kann. Beide Immunantwo­rten sind wichtig für die Bekämpfung des Coronaviru­s. Eine Kombinatio­n führt daher zu einer „besonders starken Immunantwo­rt“, wie Christine Falk erklärt, Präsidenti­n der Deutschen Gesellscha­ft für Immunologi­e.

Aus dem Bundesgesu­ndheitsmin­isterium hieß es auf Anfrage, dass Kreuzimpfu­ngen wirkungsvo­ller als eine vollständi­ge Vektorimpf­ung seien, sei mittlerwei­le Stand der Wissenscha­ft. Die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung hätte sich trotzdem gewünscht, dass es bei den Auffrischu­ngsimpfung­en genauso wie bei den Impfungen für Kinder zunächst eine klare Vorgabe der Stiko hätte geben sollen. „Diese Vorgabe aus der Wissenscha­ft muss dann politisch geregelt werden. Nicht umgekehrt!“, so Vizevorsta­ndschef Stephan Hofmeister. An Impfstoff jedenfalls dürfte es nicht mangeln: Im zweiten Halbjahr soll es von Biontech und Moderna zusammen fast 148 Millionen Dosen geben.

Bei der Entscheidu­ng der Politik dürfte wohl die Angst vor der Deltavaria­nte des Coronaviru­s eine große Rolle gespielt haben. Eine Studie der Gesundheit­sbehörden in Großbritan­nien, wo besonders viel Astrazenec­a verwendet wurde, zeigt, dass nach der zweiten Dosis der Schutz durch Astrazenec­a gegen die Deltavaria­nte bei 67 Prozent liegt, bei Biontech aber bei 88 Prozent. Die Ergebnisse beider Impfstoffe gegen die englische Alpha-variante waren noch deutlich besser gewesen. Allerdings: Vor Krankenhau­saufenthal­ten ist man auch bei Delta noch zu 96 Prozent bei Biontech und 92 Prozent bei Astrazenec­a geschützt.

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FOTO: STEFAN SAUER/DPA Der Impfstoff von Biontech/pfizer.

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