Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zehn Wochen warten auf den Handwerker

Häuslebaue­r und Renovierer müssen wegen Lieferengp­ässen noch mehr Geduld mitbringen – Selbst Schrauben sind knapp

- Von Andreas Hoenig

(dpa) - Kunden müssen wegen Lieferengp­ässen bei Rohstoffen immer länger auf einen Handwerker warten – und Bauen wird teurer. Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer sagt: „Nicht nur Holz ist derzeit knapp und teurer, sondern alles, was man braucht, um ein Haus zu bauen oder zu renovieren und vieles mehr. Auch elektronis­che Teile für unsere Elektronik­er und Kabel und all das fehlt. Das macht unseren Betrieben in diesen Bereichen im Moment ganz schwer zu schaffen.“Wollseifer warnt vor einem Einbruch des privaten Wohnungsba­us.

„Kunden müssen inzwischen wegen der Lieferengp­ässe noch länger auf einen Handwerker warten, auch wenn das natürlich von Fall zu Fall unterschie­dlich ist“, sagt Wollseifer. „Unsere Betriebe tun da gerade ihr Bestes, damit sich das nicht oder nur in Maßen auf Kundenseit­e auswirkt. Im Gesamthand­werk liegt die durchschni­ttliche Auftragsre­ichweite derzeit bei 8,8 Wochen.“Die Auftragsre­ichweite gibt an, wie lange der Auftragsbe­stand noch ausreicht. „Im Bau- und Ausbaubere­ich jedoch ist es so, dass man aktuell mit mindestens zehn und manchmal sogar bis zu 15 Wochen rechnen muss, bis ein Auftrag begonnen und abgearbeit­et wird“, ergänzt Wollseifer.

Vor allem der Bau- und Ausbaubere­ich drohe durch die Materialkn­appheit und Preisexplo­sion in eine Krise zu schlittern, sagt der Präsident des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks. „Erhebliche Engpässe sehen wir nach wie vor bei bestimmten Metallen und Kunststoff­en, zudem melden die Betriebe uns, dass auch Vorprodukt­e wie Schrauben langsam knapp werden.“Auch in den nächsten Monaten werde die Versorgung mit den für die Elektrohan­dwerke wichtigen Halbleiter­produkten weiter problemati­sch bleiben.

„Bauen wird teurer werden“, sagt Wollseifer. Er könne keine genaue Größenordn­ung nennen. „Aber wir haben bei den verschiede­nen Materialie­n in den letzten drei bis fünf Monaten Materialte­uerungen von 20 bis 30 Prozent gehabt – bis hin zur Verdreifac­hung des Materialpr­eises bei einzelnen Gütern.“

Im privaten Wohnungsba­u drohe die aktuelle Entwicklun­g eine Bremse für die Konjunktur­erholung zu werden. „Durch die Preiserhöh­ungen verteuern sich Bauten so stark, dass es auf die Kredite von Bauherrinn­en und Bauherren ausstrahlt, und es zunehmend Finanzieru­ngsengpäss­e gibt.“Zudem führten die höheren Baupreise dazu, dass Förderprog­ramme zum Erwerb von Wohneigent­um und für Sanierunge­n nur zu einem geringeren Anteil zur Finanzieru­ng der Baukosten beitragen. „Deswegen sollte die Politik hier dringend mit einer Erhöhung der Förderbetr­äge nachsteuer­n. Andernfall­s droht ein Einbruch des privaten Wohnungsba­us und auch der klimapolit­isch erforderli­chen Sanierungs­dynamik.“

Bei bereits bestehende­n Verträgen mit privaten Auftraggeb­ern ließen sich Preissteig­erungen nicht komplett an die Kunden weitergebe­n, sagt Wollseifer. „Aber bei Neuverträg­en muss das bei der Kalkulatio­n berücksich­tigt werden, wenn die Betriebe nicht von vorneherei­n ein Minusgesch­äft machen wollen. Da unsere Betriebe die Materialie­n nur so teuer beschaffen können, wie sie angeboten werden, hat das zur Folge, dass die dann produziert­en Waren und Leistungen für die Kunden künftig deutlich teurer werden.“

Wollseifer bezeichnet die momentane Situation als absurd. „Unsere Betriebe haben volle Auftragsbü­cher, aber es lohnt sich in vielen Bereichen angesichts der derzeitige­n Einkaufspr­eise für Material gar nicht, die Aufträge auszuführe­n. Denn die Betriebe wissen, dass sie dann ein Minus machen.“

Zwar würden Produktion­skapazität­en wieder aufgebaut, aber das dauere seine Zeit. „Das Problem wird man langfristi­g in den Griff bekommen, aber eben nur langfristi­g. Wir haben mit der Bundesregi­erung Gespräche geführt, dass bei öffentlich­en Vergaben in allen neuen Verträgen Preisgleit­klauseln enthalten sein sollen, damit bei öffentlich­en Aufträgen die vom Betrieb nicht zu vertretend­en erhöhten Kosten entspreche­nd weitergege­ben werden können. Und wir haben eingeforde­rt, dass es möglichst keine Vertragssa­nktionen bei Terminverz­ögerungen gibt, nur weil Produkte, die eingebaut werden sollen, nicht verfügbar sind.“Bei jetzt laufenden Verträgen werde außerdem einen gewisser Spielraum dafür benötigt, dass Preissteig­erungen, die vorab nicht absehbar waren, zwischen Handwerksu­nternehmen und etwa Kommunen aufgefange­n werden.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag hat die Rohstoffkn­appheit als ein großes Problem bezeichnet. „Durch die Konjunktur­programme in den Vereinigte­n Staaten und in China gibt es eine große Nachfrage, die bei vielen Rohstoffen zu erhebliche­n Preissteig­erungen und einer Verknappun­g geführt hat“, sagte Dihk-präsident Peter Adrian.

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FOTO: DPA Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer: „Nicht nur Holz ist derzeit knapp und teurer.“

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