Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Geklärter Kräuterhimmel
Restaurierung des Kreuzgangs im Kloster Heiligkreuztal: Fortan steht Erhalt der Wandmalereien im Mittelpunkt
- Immer wieder legt er seinen Kopf in den Nacken und richtet seine Augen auf die farbigen, mitunter kleinteiligen Malereien an den Decken des Gewölbes im Kreuzgang. Deutlich gelb, grün, rot und blau erscheinen dort die Darstellungen kontrastierend zum weißen Kalkanstrich: Es sind Ornamente, Pflanzen, Tiere und groteske Abbilder. Experten nennen die aus dem Jahr 1551 stammenden Malereien des einstigen Zisterzienserinnenklosters auch „Kräuterhimmel“– eine Reminiszenz an den seinerzeit fortschrittlichen Pflanzenanbau der Schwestern des dortigen Konvents. „Ich bin beeindruckt“, sagt Rainer Mertesacker, Architekt bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
Er ist das erste Mal im Kloster Heiligkreuztal und prüft die kürzlich restaurierten Originalmalereien aus dem 16. Jahrhundert. „Vor allem die Methodik, wie diese Restauration vollzogen worden ist, interessiert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz“, sagt Mertesacker.
Diese schwierige Aufgabe in der Vier-flügelanlage haben sechs Restauratoren von 2017 bis 2020 in zwei Bauabschnitten vollzogen. Das Team wurde durch ein bundesweites Auswahlverfahren zusammengestellt. Über die gesamten zweieinhalb Jahre der Restaurierung hinweg begleitete das Landesamt für Denkmalschutz den Restaurationsprozess. Die Stefanus-gemeinschaft, die sich unter anderem um die Finanzierung des Vorhabens gekümmert hatte, sammelte eine Million Euro ein: etwa 400 000 Euro von Bund und Land, ungefähr 110 000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, rund ein Drittel waren Spenden. Auch die Diözese Rottenburg-stuttgart gab dafür Geld aus. „Die starke Feuchtigkeit im Gemäuer hat dazu geführt, dass Partikel der Wandmalereien abplatzten, weil sie von Plastik überzogen waren“, erklärt Restaurator Karl
Schweikert. Teils habe sich der Kunststoff-überzug von der Wand gelöst, es sei zu Blasen- und Hautbildung gekommen. Diese Schicht sei in den 1960er und 1970er-jahren aufgetragen worden, um die Malereien zu konservieren. Doch letztlich geschah das Gegenteil. Im Gemäuer sammelte sich zu viel Nässe in Folge des Brauerei- und Gaststättenbetriebs im Klostergebäude an. Vor dem Beginn der Restaurierung bröckelte der Verputz von der Decke und die Ziegelsteine waren sichtbar.
Schweikert und seine Kollegen wendeten ab 2017 ein Verfahren an, das den Kunststoff beseitigen sollte, ohne dabei die Original-farbpigmente zu zerstören. „Die Kunststoffschicht haben wir aufwendig extrahiert, indem wir mit einer Saugglocke ein Vakuum erzeugten und das Plastik entfernten. Zudem trugen wir Kompressen mit Aceton oder Ethanol auf die Wandmalereien auf und befreiten so die Flächen vom Kunststoff.“Es sei ein differenziertes Vorgehen
gewesen. Jedes Bild und jede Wandstelle verlangte unterschiedliche Verfahren. „Dieses Prinzip ist erstmals in der Stiftkirche in Quedlinburg angewandt worden. Wir haben diese neuartige Methode adaptiert“, sagt Schweikert. Darüber hinaus haben die Restauratoren auch die Gewölberippen selbst behandelt und statische Schäden am Kreuzgang ausgebessert.
Als am Dienstagmittag wichtige Entscheider der Restauration die Ergebnisse prüften, waren sich alle Beteiligten einig: Die Arbeit hat sich gelohnt, das Projekt ist ein Erfolg. „Im Vergleich zu früher sind jetzt viele Details der Malereien erkennbar“, sagt Pfarrer Heinrich-maria Burkard, Leiter des Geistlichen Zentrums Heiligkreuztal. Jetzt gilt es, den guten Zustand der Wandmalereien zu bewahren. Inzwischen sind im Kreuzgang mehrere Sensoren an den Wänden installiert worden, welche die Luftfeuchtigkeit messen. Ein Computer steuert Befeuchtungsund
Lüftungsanlagen im Gebäude. „So wollen wir das Klima im Kreuzgang stabil halten. Außerdem werden die Malereien nun regelmäßig von den Restauratoren geprüft“, sagt Erich Fensterle, vormaliger Kämmerer der Tagungsstätte Heiligkreuztal und ehrenamtlicher Bauleiter der Sanierung.
Auch Karl Schweikert betont, wie wichtig das Raumklima für den Erhalt der Kunstwerke sei. „Es gab hier auch Wandflächen, die stark von Salz belastet waren. Wenn die Luft zu trocken ist, so wie es im Sommer oft war, entstehen Salzkristalle an den Wandoberflächen. Folglich platzen Malereien ab.“Das solle künftig mit der Belüftungsanlage vermieden werden.
Denn dort, wo vor Jahrzehnten noch eine Kegelbahn war und sich Menschen im Kreuzgang vergnügten, ist eine Meile entstanden, die landesweit bedeutende Kultur- und Kunstgeschichte zeigt – das soll auch so bleiben.