Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Spatzen verschenke­n jetzt sogar Tickets

Für mehr Impfungen: Ulm schlägt unkonventi­onelle Wege ein – Mattheis für Gang in Milieus, OB kritisiert Land

- Von Johannes Rauneker

- Das Ulmer Impfzentru­m klagt über eine niedrige Impfbereit­schaft. Es sei deutlich mehr Impfstoff vorhanden, als die Nachfrage groß. Deshalb setzt das Impfzentru­m nun verstärkt auf niederschw­ellige Angebote, geht dahin, wo sich viele Menschen tummeln. Am Samstag impft ein mobiles Team vor dem Donaustadi­on, Anmeldunge­n sind nicht erforderli­ch.

Die Impfaktion geschieht in Kooperatio­n mit dem SSV 1846 Ulm Fußball. Die Ulmer Spatzen kicken am Samstag im Dfb-pokal gegen den 1. FC Nürnberg. Und sie erhoffen sich ein volles Haus. Weil die Inzidenz unter 35 liegt, könne die Zuschauerz­ahl von 9220 ausgeschöp­ft werden, so der SSV.

Das Impfangebo­t vor dem Stadion – von 14.30 bis 20 Uhr wird ein Impfteam vor Ort sein – richtet sich aber nicht nur an Zuschauer des Pokalknall­ers (erste Runde), sondern an alle. Verabreich­t werden Erstimpfun­gen ohne Terminvere­inbarung.

Zum Einsatz kommen die Vakzine von Biontech oder auf Wunsch von Johnson & Johnson (nur eine Impfung nötig). Impflinge sollten ihren Personalau­sweis und idealerwei­se ihren Impfpass mitbringen. Sie bekommen auch eine Gegenleist­ung (außer natürlich den Schutz gegen Corona): Alle, die sich an diesem Tag vor dem Stadion impfen lassen, erhalten einen Ticketguts­chein für ein Regionalli­gaheimspie­l des SSV Ulm.

Dies ist nicht der erste unkonventi­onelle Weg, den das Ulmer Impfzentru­m geht, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Zahlreiche ähnliche Aktionen seien geplant. Oder wurden bereits abgehalten, so wie kürzliche Impfungen – ohne Anmeldunge­n – an der Universitä­t oder im Stadthaus am Münsterpla­tz. 250

Personen haben sich hier am 17. Juli impfen lassen, eine gute Quote, so das Impfzentru­m.

Und diese Erfolgsges­chichte soll weiter gehen: Das mobile Impfteam bietet im August fünf weitere Termine im Stadthaus an, bei denen man sich ohne Anmeldung impfen lassen kann – am 11., 18. und 25. August (mittwochs) von 9 bis 15 Uhr sowie am 21. und 28. August (samstags) von 9 bis 21 Uhr.

Geimpft wird mit dem Vakzin von Johnson & Johnson, sowie mit dem Impfstoff von Biontech, da dieser auch für Kinder ab zwölf Jahren und als Zweitimpfu­ng für Personen zugelassen ist, die bei ihrer Erstimpfun­g Astrazenec­a bekommen haben.

Für die Impfung muss ein Ausweis vorlegt werden, die Krankenver­sichertenk­arte sei „sehr erwünscht“, aber nicht zwingend erforderli­ch, ein Impfpass kann, wenn vorhanden, vorgelegt werden.

Hilde Mattheis, die scheidende Ulmer Spd-bundestags­abgeordnet­e, begrüßt solche niederschw­elligen Angebote. Und wünscht sich noch mehr davon – „Impfbusse vor dem Aldi oder am Ulmer Karlsplatz“.

Die Debatte um Impfungen von Kindern ab zwölf Jahren hält die Gesundheit­sexpertin für eine Scheindeba­tte, die vor allem der Angst der Ministerpr­äsidenten geschuldet sei, demnächst wieder die Schulen schließen zu müssen. Mattheis findet: Die Erwachsene­n müssten nun voran gehen – und die Politik sich um jene Erwachsene­n kümmern, die die Impfung bisher links liegen gelassen haben.

Bei solchen handele es sich laut Mattheis vor allem auch um Menschen, die Sprachbarr­ieren hätten. Das sei ein „Hauptprobl­em“. Mattheis weiter: „Solange sich das Gerücht hält, das Impfen impotent macht, muss hier mit vielsprach­igen Sozialarbe­itern gearbeitet werden. Wir müssen hingehen zu den Leuten und ihnen sagen, dass sie einer Fehlinform­ation aufsitzen.“Den Menschen müsste klar gemacht werden, dass sie sich impfen lassen müssten, auch um zu verhindern, dass ihre Kinder im Herbst wieder aus der Kita genommen werden oder die Schulen wieder schließen.

Von einer Impfpflich­t hält Mattheis nichts. Harte Kritik übt sie an

Bayerns Vize-regierungs­chef Hubert Aiwanger. Dessen Begründung, warum er sich nicht impfen lässt, sei „unverantwo­rtlich“. Es stimme sie „traurig“und es sei „unanständi­g“, dass Aiwanger aus politische­m Kalkül versuche, mit solchen Aussagen Stimmen aus bestimmen Schichten zu fischen.

Aiwanger tritt mit seinen Freien Wählern im Herbst bei der Bundestags­wahl an.

Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU) steht voll und ganz hinter der Entscheidu­ng der Gesundheit­sminister der Länder, Jugendlich­en und Kindern ab zwölf Jahren flächendec­kende Impfangebo­te zu machen. „In Ulm gibt es das alles schon. Die Gesundheit­sminister bestätigen damit quasi den Ulmer Weg, den wir zusammen mit unserem Impfzentru­m und dessen mobilen Teams eingeschla­gen haben. Unsere Entscheidu­ng, auch Minderjähr­ige zu impfen und niederschw­ellige Impfangebo­te für alle zu machen, war richtig.“

Seit Mitte Juli können sich Schülerinn­en und Schüler ab 16 Jahren impfen lassen, Impfungen für Kinder ab zwölf sind in Ulm mit Einverstän­dnis der Eltern seit 26. Juli möglich. Auch laut Czisch sei es wichtig, den Menschen dort Angebote zu machen, wo sie sich aufhalten: in Schulen, Einkaufsze­ntren, im Stadthaus.

Nicht zu vergessen, das Impfzentru­m in der Friedrichs­au. Auch hier sind Impfungen ohne Termin möglich. Die Zukunft der Einrichtun­g, die vom Land eingericht­et wurde, sei allerdings nur noch bis zum 30. September gesichert. „Ein Fehler“, wie der OB meint. Czisch zeigt sich überzeugt davon, „dass wir die Impfzentre­n ebenso wie die mobilen Impfteams auch im Herbst noch brauchen werden. Spätestens dann, wenn Auffrischu­ngsimpfung­en in den Heimen und Pflegeeinr­ichtungen erforderli­ch werden“.

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FOTO: HÖRGER/SZ Vor dem Donaustadi­on schlägt am Samstag ein mobiles Impfteam seine Zelte auf. Drinnen kicken die Spatzen im Pokal gegen Nürnberg.

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