Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Tod der Partnerin in Kauf genommen

Nach verursacht­em Unfall bei Ringingen: 42-Jähriger muss ins Gefängnis

- Von Friedrich Hog

- Im Prozess vor der 3. Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Ulm gegen einen 42jährigen gelernten Dachdecker aus Ulm hat sich am zweiten Verhandlun­gstag alles um die Geschädigt­e gedreht. Sie bestätigte die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft weitgehend, insbesonde­re den Vorwurf des gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr, der in der Nähe von Ringingen zu einem Verkehrsun­fall mit Totalschad­en geführt hatte. Am Freitag fiel das Urteil: Der Mann muss vier Jahre ins Gefängnis.

Die Beweisaufn­ahme gelangte mit der Vernehmung der Geschädigt­en als Zeugin in ihre entscheide­nde Phase. Die 41-jährige Frau aus dem Raum Schelkling­en schilderte sehr persönlich die Geschehnis­se, durch die sie körperlich, psychisch und finanziell durch den Angeklagte­n vergangene­s Jahr erheblich in Mitleidens­chaft gezogen worden ist. Dass der Angeklagte die Zeugin während ihrer Aussage anstrahlte, kam beim Gericht nicht sonderlich gut an, nicht nur, weil er dabei eine Frage des Gerichts überhört hatte.

Seit Mai 2020 seien sie und der Mann in einer Beziehung gewesen. Zusammen gewohnt hätten sie nicht, aber in der Zeit ihrer Beziehung habe sich der Angeklagte an ungefähr 50 von rund 90 Tagen bei ihr aufgehalte­n. Obwohl sie wusste, dass er Alkoholpro­bleme hatte, habe sie sich mit ihm eingelasse­n, denn er habe gut reden können und ihr viel versproche­n. „Das empfand ich als angenehm“, sagte die Zeugin.

Doch die angenehmen Seiten einer Beziehung haben sich für die Zeugin nicht wirklich aufgetan. So arbeitete der Angeklagte nicht. Er habe von ihrem Geld gelebt. Oft sei er noch im Bett gewesen, als sie am Nachmittag von ihrer Arbeit nach Hause gekommen ist. Vom Vorsitzend­en gefragt, wie ein normaler Tag im Leben des Angeklagte­n ausgesehen habe, berichtete die Zeugin, er habe nach dem Aufstehen Bier getrunken, habe seine Zeit auf dem Sofa beim Fernsehen verbracht. Täglich eine Flasche Wodka sei für den Angeklagte­n normal gewesen, dass er auch Drogen nahm, habe sie erst im Laufe der Beziehung erkannt.

Wenn er betrunken war, sei er aggressiv geworden. Dabei habe sie um 4.30 Uhr morgens aufstehen müssen, um zur Arbeit zu gehen. Dort sei sie oft müde gewesen. Auf Frage des Vorsitzend­en, warum sie sich das alles angetan habe, sagte sie: „Man macht manchmal Sachen, da weiß man nicht warum.“

Mitte Juli 2020 habe sie daher die Beziehung beendet. Er habe ihren Wunsch jedoch ignoriert und sogar vom Heiraten und gemeinsame­n Kindern gesprochen. Das sei für die Zeugin kein Thema gewesen.

An drei verschiede­nen Tagen zwischen Juli und September war es zu körperlich­en Übergriffe­n auf die Zeugin gekommen. Besonders markant war eine Autofahrt am 1. August, bei der der Angeklagte sie während der Fahrt geschlagen und an den Haaren gezogen sowie ihr mehrfach ins Lenkrad gefasst hat. Nachdem er als Beifahrer unvermitte­lt die Handbremse gezogen hatte, blockierte­n die Hinterräde­r, die Zeugin verlor die Kontrolle über das Fahrzeug, das Auto landete im Straßengra­ben, kam an einem Gebüsch zum Stehen und erlitt Totalschad­en.

Einige Tage Krankenhau­s für die Zeugin waren die Folge des letzten gemeinsame­n Abends, zehn Wochen nach dem Ende der Beziehung. Die Zeugin hatte um 0.30 Uhr den an ihrer Tür lärmenden Angeklagte­n in ihre Wohnung gelassen. Dort fing dieser erneut Streit an, schlug und trat die Zeugin – mit erhebliche­n, von der Universitä­tsklinik attestiert­en Folgen wie Schädel-hirn-trauma, Hirnblutun­g, Thoraxprel­lungen und

Nasenbeinb­ruch mit wochenlang­en Einschränk­ungen.

Ein Sachverstä­ndiger hatte sich in der Verhandlun­g ein Bild vom Angeklagte­n gemacht. In seinem Gutachten kam er zum Ergebnis, dass trotz erhebliche­r Bedenken hinsichtli­ch des Erfolgs eine Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt angeordnet werden sollte. 18 bis 24 Monate müssten dafür in Ansatz gebracht werden.

In ihren Plädoyers waren sich Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng weitgehend einig. Während für die Staatsanwa­ltschaft eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von vier Jahren und drei Monaten angemessen schien, plädierte die Verteidigu­ng auf drei Jahre und sechs Monate. Die im Termin vom Angeklagte­n geäußerte Entschuldi­gung wurde von der Geschädigt­en nicht angenommen und von der Staatsanwa­ltschaft als „nicht von Reue getragen“bezeichnet. Nicht überrasche­nd war das Urteil, in dem eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von vier Jahren verhängt wurde. Außerdem wurde die Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt angeordnet.

Den Abend im Juli vorigen Jahres, der zum Beziehungs­ende geführt hatte, wertete das Gericht als Bedrohung in Tateinheit mit Körperverl­etzung. Der Vorsitzend­e Richter am Landgerich­t, Wolfgang Tresenreit­er, führte aus, das Fuchteln mit dem Messer vor dem Gesicht der Geschädigt­en in der Ulmer Wohnung des

Angeklagte­n habe den Aussagegeh­alt gehabt, „dein Leben ist in meiner Hand“. Als Körperverl­etzung würdigte das Gericht das Würgen der Partnerin, das Werfen der Fernbedien­ung an den Kopf der Geschädigt­en wertete das Gericht als Körperverl­etzung.

Gravierend­er sei, was am 1. August passierte, als der Angeklagte wütend war, da sich seine ehemalige Partnerin nicht seinem Willen beugte, sondern ihn mit ihrem Auto nach Hause fuhr. Als schweren gefährlich­en Eingriff in den Straßenver­kehr in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung wertete das Gericht den Gewaltausb­ruch des Täters. Dem Angeklagte­n sei klar gewesen, dass das Ziehen der Handbremse zu Verletzung­en und zum Tod der Geschädigt­en führen könnte, was er billigend in Kauf genommen habe.

In der Summe gleicherma­ßen schwerwieg­end sei das Verhalten des Täters am 27. September gewesen, als er ab 0.30 Uhr die Angeklagte massiv geschlagen und getreten hat. Da das Würgen an jenem Abend zu einer kurzzeitig­en Bewusstlos­igkeit der Geschädigt­en führte, stufte die Strafkamme­r die Tat als gefährlich­e Körperverl­etzung ein.

Bei der Strafzumes­sung sei das Prozessver­halten des Angeklagte­n strafmilde­rnd zu werten gewesen, da er die Tatvorwürf­e im Prinzip eingeräumt hat. Da er zum wiederholt­en Mal in übler Weise auf einen anderen Menschen eingewirkt hat – die vorherige Haftentlas­sung hatte gerade ein Jahr zurückgele­gen – sei strafversc­härfend zu werten. Im Ergebnis sei eine Gesamtstra­fe von vier Jahren den Taten und der Schuld angemessen.

Das Gericht hat dem Verurteilt­en insoweit eine goldene Brücke gebaut, als es die Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt angeordnet hat. Sollte der Verurteilt­e in den kommenden beiden Jahren dort einen positiven Abschluss erreichen, wird er hiernach direkt entlassen. Wolfgang Tresenreit­er legte dem Mann nahe, seine grundlegen­den Persönlich­keitseigen­schaften und seine Probleme mit Alkohol und Drogen in der zur Verfügung stehenden Zeit in Ordnung zu bringen. „Sie müssen sich jetzt auf sich selbst einlassen, auch wenn das unangenehm und schwer wird. Ihr Verhalten darf nicht dazu führen, dass Leute zu Schaden kommen.“Das Urteil ist rechtskräf­tig.

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FOTO: HOG Der Angeklagte wird von einem Justizbeam­ten zur Anklageban­k geführt. Im Hintergrun­d sein Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Uwe Böhm.

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