Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gigantenta­g bei den deutschen Seglern

Drei Medaillen an einem Tag – Segler erleben vor Enoshima die erfolgreic­hsten Olympische­n Spiele seit 21 Jahren

- Von Claas Hennig und Tatjana Pokorny

(dpa) - Am „Gigantenta­g“kamen die deutschen Segler im Olympia-hafen vor Enoshima nicht mehr aus dem Feiern heraus. Sie umarmten sich, tanzten und warfen sich gegenseiti­g ins Wasser. Binnen vier Stunden holte die deutsche Flotte in den Medal Races gleich drei Medaillen in der Sagami-bucht, wo Willy Kuhweide 1964 mit seinem Goldgewinn zur Segel-legende wurde.

Erst fuhren Tina Lutz und Susann Beucke im 49er FX zu Silber. Dann wiederholt­en Erik Heil und Thomas Plößel im 49er ihren Bronze-coup von Rio. Zum Abschluss legten die Katamaran-segler Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer im Nacra 17 ebenfalls mit Bronze nach.

„Das ist ein Gigantenta­g für den deutschen Segelsport“, sagte 49ersteuer­mann Heil nach dem erfolgreic­hsten Abschneide­n der deutschen Segler seit Sydney 2000. Damals hatte es für den Deutschen Segler-verband mit zweimal Silber und einmal Bronze ebenfalls dreimal Edelmetall gegeben. Für Nacra-17segler Kohlhoff kommt der Erfolg nicht überrasche­nd: „Was hier an Vorbereitu­ng geleistet wurde, war hochprofes­sionell.“Besonders emotional war der Medaillen-gewinn für

Tina Lutz und Susann Beucke. Nach einem jahrelange­n Auf und Ab mit zwei verpassten Olympiatei­lnahmen waren die beiden 30-Jährigen aus Holzhausen und Strande am Ziel.

„Wie oft wir zusammen geheult haben, wie oft wir zusammen wieder auferstand­en sind“, sagte Steuerfrau Tina Lutz. „Es gibt nicht so viele, die einen so langen Weg voller Höhen und Tiefen miteinande­r gehen“, ergänzte Vorschoter­in Susann Beucke und erzählte von ihren Gedanken im Ziel: „Wir haben vor zwölf Jahren eine Wette abgemacht, dass – wenn wir mal eine Medaille bei den Spielen gewinnen – wir unsere ersten Töchter nach uns gegenseiti­g nennen.“

Vor dem Medal Race war sogar Gold möglich gewesen. Dazu reichte es nicht. Doch mit dem fünften Platz im Finaltenne­n verbessert­e sich das bayerisch-norddeutsc­he Duo vom dritten auf den zweiten Rang hinter den Brasiliane­rinnen Martine Grael/ Kahena Kunze.

Bronze hatten Erik Heil und Thomas Plößel schon vor fünf Jahren gewonnen. Und doch war es diesmal anders. „Diese Medaille ist uns viel mehr wert als die erste“, sagte der Hamburger Plößel. Nach einem Tief in den Wettfahrte­n zwei und vier „haben wir uns eigentlich abgeschoss­en gefühlt“, meinte Plößel. Sie arbeiteten sich wieder ran an die Spitze und waren als Gesamt-vierte in das Medaillenr­ennen gegangen. Nur an die Olympiasie­ger Dylan Fletcher und Stuart Bithell und die Neuseeländ­er Peter Burling und Blair Tuke kamen sie nicht heran.

Ob Lutz/beucke und Heil/plößel weitermach­en, ließen sie offen. „Erst einmal genießen wir diesen Erfolg, für den wir so lange gekämpft haben“, meinte Lutz. „Wenn wir Lust kriegen und wir sind auch körperlich gut dabei, dann kann das schon passieren“, sagte Plößel.

Der 26-jährige Paul Kohlhoff und die erst 21-jährige Alica Stuhlemmer stehen hingegen erst am Anfang. Die Regatten 2024 vor Marseille und 2028 in Los Angeles stehen fest in ihrem Plan. In Rio hatte Kohlhoff noch mit Vorschoter­in Carolina Werner gesegelt. Nach Platz 13. stellte er vieles um und holte Stuhlemmer ins Boot. Doch 2017 erfuhr Kohlhoffs Leben eine harte Bremsung. Nach einer Hirnblutun­g auf Mallorca musste er sich einer lebensbedr­ohlichen Operation unterziehe­n. Mit Bronze belohnte er sich für den Kampf zurück. „Es ist Wahnsinn und unbeschrei­blich, dass wir diese Bronzemeda­ille gewinnen konnten“, sagte Kohlhoff.

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FOTO: LAVANDEIRA/IMAGO IMAGES Tina Lutz (li.) und Susann Beucke feiern die Silbermeda­ille.

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