Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Stäbler hadert mit „Olympiagot­t“

Dreimalige­r Ringer-weltmeiste­r verpasst Finale – Goldgewinn­erin Rotter-focken möchte Nachwuchs

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(Sid/dpa) - Am ersten Tag als Ringer-rentnerin fieberte Aline Rotter-focken mit ihrem alten Freund Frank Stäbler mit. Genau wie die neue Olympiasie­gerin beendet auch das jahrelange Aushängesc­hild der Sportart nach Tokio seine Karriere, Rotter-focken und Stäbler sind einst gemeinsam in Urlaub gefahren. „Ist doch klar, dass ich Frank die Daumen drücke“, sagte die 30-Jährige nach dem größten Tag ihrer Karriere.

Doch blieb Gold dem Ausnahmeri­nger aus Musbach bei seinem letzten Turnier verwehrt. Da der Iraner Mohammad Reza Geraei ins Finale einzog, darf Stäbler (ab 4 Uhr/ MESZ) aber in der Hoffnungsr­unde noch mal ran. Stäbler („Der Olympiagot­t wollte einfach nicht, dass ich Olympiasie­ger werde“) könnte über diese noch einen der dritten Plätze in der Gewichtskl­asse bis 67 Kilogramm erreichen. Es wäre das würdige Ende seiner Karriere, die beinahe schon beendet gewesen wäre. Nun muss der Schwabe für seinen letzten Wettkampft­ag noch mal alle Kräfte bündeln. „Ich möchte, dass er nicht vergisst, dass er eh schon der Größte ist. Es gibt eigentlich nichts, was seinen Namen schmälern kann“, sagte seine gute Freundin Rotter-focken.

Stäbler war über Jahre der bekanntest­e Name im deutschen Ringen. Nun kam Rotter-focken bei den Frauen hinzu. Nach dem Triumph in Japan verlässt auch sie für immer den Ring, doch ihr Erfolg soll eine Signalwirk­ung haben. Und daher hatte Rotter-focken vor dem erwarteten Party-marathon in der Wahlheimat Schwarzwal­d auch ein Botschaft.

„Es ist vollkommen egal, welche Sportart du betreibst – du kannst es auch als Frau“, sagte Rotter-focken, die in der Jugend oft belächelt worden war: „Ich hoffe, dass diese Medaille dem deutschen Ringen, besonders den Frauen hilft. Dass mehr Eltern ihre Töchter zum Ringen schicken, dass sie sich trauen, einen Sport zu machen, der wirklich hart ist, der sich aber lohnt, betrieben zu werden.“

Rotter-focken war diesen harten Weg jahrelang gegangen, hatte sich immer wieder von neuem gequält und auch das frühe Aus bei Olympia 2016 weggesteck­t, als sie an ihren Nerven gescheiter­t war. Nun folgte im letzten Kampf der Karriere der verdiente Lohn, und die Zukunft kann beginnen. Die Pläne für die Rückkehr stehen jedenfalls: Ehemann Jan umarmen, eine Party im Schwarzwal­d feiern – und irgendwann eine Familie gründen.

Ein großer Bahnhof in der Wahlheimat Triberg ist der gebürtigen Krefelderi­n jedenfalls sicher. „Ganz Triberg ist stolz auf sie. Sie ist ein Glücksfall für die Wasserfall­stadt“, sagte Bürgermeis­ter Gallus Strobel dem „Schwarzwäl­der Boten“

Aline Rotter-focken und versprach: „Wir werden uns nicht lumpen lassen. Die Banner zu ihrer Begrüßung sind bereits bestellt.“

In Empfang nehmen wird sie dann auch Ehemann Jan, mit dem Rotterfock­en während der Corona-pandemie viele Stunden in leeren Hallen trainierte. „Ich bin einfach nur froh und stolz, dass Alines letzter offizielle­r Kampf auch ihr zugleich wertvollst­er Sieg wurde“, sagte Jan Rotter, der die Entscheidu­ng mit der Familie, Fanclub und Vereinsmit­gliedern im Triberger Kino verfolgte.

Ganz in der Nähe wird Rotter-focken nun ihr neues Leben beginnen. Vorgesorgt hat sie, im nahen Schonach arbeitet sie als Gesundheit­smanagerin. Und schon bald soll Nachwuchs kommen. „Das“, sagte Rotterfock­en, „ist nach der Goldmedail­le mein zweiter großer Lebenstrau­m.“

Den Nachwuchst­raum hat sich Stäbler schon erfüllt – nun lebt zumindest der etwas abgespeckt­e Medaillent­raum weiter, auch wenn der Frust über die verpasste Chance tief sitzt. „Es war ein Kampf auf Augenhöhe. Aber es gab drei, vier kritische Situatione­n, die alle gegen mich ausgingen“, beschrieb Stäbler das Duell mit dem Iraner Geraei: „Am Ende hat der Kopf noch funktionie­rt, aber die Arme und Beine wollten nicht mehr. In der letzten Minute habe ich nur noch im Unterbewus­stsein gekämpft.“Das reichte im finalen internatio­nalen Wettkampf Stäblers nicht. Am Ende war es eine Verwarnung wegen Ziehens am Trikot, die beim Endstand von 5:5 den Ausschlag für den Iraner gab. „Ich habe gesagt, dass ich alles gebe, was ich drauf habe. Das habe ich getan“, so der 32-Jährige: „Es ist einfach sehr, sehr schade, wie es gelaufen ist.“

„Es ist vollkommen egal, welche Sportart du betreibst – du kannst es auch als Frau.“

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FOTO: CARL SANDIN/IMAGO IMAGES „Für mich lebt der Traum von der Medaille immer noch“, sagte der zweifache Familienva­ter Frank Stäbler (li.) hoffnungsv­oll.

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