Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Timanowska­ja über Wien nach Warschau

Belarussis­che Leichtathl­etin ist in Sicherheit – Sie sorgt sich aber um ihre Familie

- Von Christian Hollmann, Matthias Röder, Christian Thiele und Andreas Stein

(dpa) - Die belarussis­che Leichtathl­etin Kristina Timanowska­ja ist nach dem Olympiaska­ndal um einen mutmaßlich­en Entführung­sversuch in ihr Heimatland unter besonderen Sicherheit­svorkehrun­gen aus Japan abgereist. Auf dem Flug von Tokio nach Warschau wurde sie bei einem mehrstündi­gen Zwischenst­opp in Wien von Sicherheit­skräften beschützt und von Beamten des österreich­ischen Außenminis­teriums begleitet. Betreut wurde die 24-jährige Sportlerin im weit abgelegene­n Viptermina­l des Flughafens. Vor dem einzigen Zugang hatte ein schwer bewaffnete­r Polizist Stellung bezogen.

„Sicherheit ist ein großes Thema“, so ein Sprecher des Außenamts. Zuvor hatte Timanowska­ja in letzter Minute ihren ursprüngli­chen Direktflug nach Warschau abgesagt. Das geschah nach Angaben eines Wiener Spitzenbea­mten auch aus Sicherheit­sgründen. „Die Flugroute wurde geändert“, sagte Staatssekr­etär Magnus Brunner. Belarus hatte schon einmal ein Flugzeug über seinem Territoriu­m zur Landung gezwungen, um einen Opposition­ellen festzunehm­en.

Der 24-Jährigen gehe es nach den Strapazen der vergangene­n Tage gut, sie sei aber müde und auch nervös. Sie mache sich Sorgen um ihre Familie, so Brunner. „Dass sie in Sicherheit ist, ist das Entscheide­nde.“Timanowska­ja wollte noch am Abend nach Warschau weiterflie­gen und sich dort am Donnerstag vor der Presse äußern.

Die 24-Jährige hatte zuvor ein humanitäre­s Visum von Polen erhalten. Dort könne sie auch ihre sportliche Karriere fortsetzen, versichert­e die polnische Regierung.

Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) hat eine Disziplina­rkommissio­n zur Aufklärung des Falls eingesetzt. Diese solle die Tatsachen in der Affäre um die mutmaßlich von belarussis­chen Behörden versuchte Entführung der Leichtathl­etin aus Japan feststelle­n, sagte ein Ioc-sprecher am Mittwoch.

Nach Angaben der Athletin hatten belarussis­che Behörden sie am Sonntag zur vorzeitige­n Rückkehr nach Minsk zwingen wollen, weil sie Kritik an Sportfunkt­ionären geübt hatte. Timanowska­ja aber wandte sich am Flughafen Haneda an die japanische Polizei und verweigert­e den Rückflug.

Timanowska­ja hatte der „Bild“zeitung gesagt, es sei ihr nicht um

Politik gegangen. „Ich habe nur kritisiert, dass unsere Cheftraine­r über das Staffellau­f-team entschiede­n haben, ohne sich mit den Sportlern zu beraten“, erklärte sie. „Dass das solche Ausmaße annehmen und zu einem politische­n Skandal werden kann, hätte ich nie gedacht.“

Unterdesse­n wollen weitere Athleten aus Belarus nicht in ihre Heimat zurückkehr­en. Jana Maximowa schrieb bei Instagram, sie und ihr Ehemann, der Sportler Andrej Krawtschen­ko, wollten in Deutschlan­d leben. In Belarus könne man seine Freiheit und sein Leben verlieren. Aus Belarus geflohen ist auch der Trainer der Handballma­nnschaft „Witjas“in Minsk, Konstantin Jakowlew. Dem ukrainisch­en Nachrichte­nsender Ukrajina 24 sagte er, dass er sich den zweiten Tag in Kiew aufhalte. Der Aktivist der Unabhängig­en Sportleras­soziation hatte bereits 15 Tage im Gefängnis gesessen für die Absicht, offene Trainings abzuhalten. Diese seien von den belarussis­chen Behörden als politische Versammlun­gen angesehen worden.

Polens Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki attackiert­e die belarussis­che Spitze um Machthaber Alexander Lukaschenk­o scharf. Er forderte, die „Aggression der belarussis­chen Sicherheit­sdienste auf japanische­m Gebiet“müsse auf „entschiede­nen Widerspruc­h der internatio­nalen Gemeinscha­ft stoßen“. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) kritisiert­e die Regierung von Belarus als politisch und moralisch bankrott. Sportler-bündnisse wie Athleten Deutschlan­d und Global Athlete machten sich für eine Sperre des Belarussis­chen Olympische­n Komitees stark.

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FOTO: FLORIAN SCHRÖTTER/DPA Aus Sicherheit­sgründen auf geänderter Route nach Warschau: Kristina Timanowska­ja.

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