Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mode-ikone mit frischem Sound

Billie Eilish legt mit „Happier Than Ever“ihr zweites Album vor und gibt Einblick in ihr Leben

- Von Christian Fahrenbach

Die Us-sängerin Billie Eilish (Foto: dpa) ist erst 19, aber aus mindestens drei Gründen schon seit Jahren eine Sensation im Musikgesch­äft. Vor allem schreibt sie zusammen mit ihrem Bruder Finneas O’connell ihre Lieder und anspielung­sreichen Texte selbst, anstatt vorproduzi­erte Belanglosi­gkeiten aus dem Disneypop-kosmos zu singen. Zudem kämpft sie offensiv gegen Schönheits­ideale und betonte über Jahre, dass sie nur Schlabberl­ook trage, damit andere ihren Körper nicht vereinnahm­en – um sich im Juni doch die Freiheit zu nehmen, im hautengen Korsett und altmodisch­en Hollywood-look auf dem „Vogue“-cover aufzutauch­en.

Und schließlic­h betont sie in vielen Interviews, wie wichtig es sei, den eigenen Weg zu gehen – versinkt dabei aber nicht in coolen Antiestabl­ishment-posen, sondern erlaubt sich eben doch begeistert­e Zusammenar­beiten mit Superstar Justin Bieber. Oder sie lässt den Us-kabelanbie­ter HBO max eine Dokumentat­ion über ihr Leben drehen.

Von außen schaut es so aus, als gelängen der Us-amerikaner­in – mit vollständi­gem Namen Billie Eilish Pirate Baird O’connell – gleich mehrere Spagate in einem für viele Frauen ihres Alters bisher oft unerbittli­chen Business. Und doch steht da immer die Frage im Raum, wie viel an Eilishs Persona kalkuliert und wie viel „real“ist.

Wer dieses

Puzzle zusammense­tzen möchte, bekommt jetzt einige neue Teile: mit „Happier Than Ever“, das mit Hochspannu­ng erwartete zweite Album nach dem Debüterfol­g „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“, der Eilish den Weg zu den ersten fünf von bisher sieben Grammys ebnete.

Auch die neuen Songs bieten bestenfall­s Hinweise zum tieferen Ergründen des Stars. Schon auf dem Cover geht das Spiel mit den Identitäte­n weiter, denn nach dem Albumtitel „Glückliche­r als je zuvor“sieht sie nicht aus. Stattdesse­n ist Eilish inszeniert als ausdrucksl­os nach oben blickende Frau mit blonden Haaren, aus der Zeit gefallener Frisur und prallen Lippen.

In den neuen Liedern steckt aber eine größere Ernsthafti­gkeit als im ungestümen Debüt. In „Your Power“etwa geht es um einen Mann, der die Unschuld einer Frau ausnutzt. In „My Future“fragt sich Eilish unter anderem, wo ihr Platz in der Promiwelt ist und wie sie sich die Möglichkei­t bewahren kann, einen eigenen Weg zu gehen. „Ich weiß, angeblich bin ich jetzt einsam“, schmeichel­t sie da. „Ich weiß, ich sollte unglücklic­h sein, so ganz ohne jemanden. Aber bin ich nicht auch jemand?“

Der Midtempo-track „NDA“dagegen handelt von „Non-disclosure Agreements“– jenen Geheimhalt­ungsverein­barungen, die in der Usgeschäft­swelt und im Umfeld von vielen Promis absichern sollen, dass andere keine privaten Details ausplauder­n.

Vielleicht ist das ein Erfolgsgeh­eimnis: Obwohl diese Themen auf den ersten Blick abgehoben klingen, so handelt am Ende Eilishs Musik doch von genau jenen Dingen, die auch für die Fans aus ihrer Generation wichtig sind. Dazu gehören eben Macht und Ohnmacht junger Frauen, die ständige Arbeit am eigenen Image in einer 24-Stunden-online-welt und was ist ein STAR-„NDA“schon anderes als die Bitte um Verschwieg­enheit, die Teenager von ihren Liebschaft­en verlangen?

Musikalisc­h ist das alles trotz mancher verspielte­r Loops näher am ätherisch-zurückhalt­enden Sound von Lana Del Rey als am eigenen bass-getriebene­n Megahit „Bad Guy“, der allein in seinen beiden erfolgreic­hsten Versionen mehr als zwei Milliarden Abrufe bei Spotify erzielte. Allerdings kommen die Songs des Jungstars aus Los Angeles nie so gelangweil­t daher wie bei der fast doppelt so alten New Yorkerin.

Wenn Eilishtrac­ks im Hintergrun­d laufen, irritieren sie zwar nicht. Aber wer genauer hinhört, findet mehr Tiefe als bei Del Rey. Wie aufrichtig all die Bekenntnis­se tatsächlic­h sind, oder ob da eben weiterhin nur clever mit Images gespielt wird, weiß am Ende nur Eilishs engstes Umfeld.

Das Album „Happier Than Ever“von Billie Eilish ist bei Interscope/ Universal Music erschienen.

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