Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wohltat für den Wald, Problem für Getreide
Grundwasserbestände haben sich etwas erholt – Was die Niederschläge für die Landwirtschaft bedeuten
- Die reichlichen Niederschläge der vergangenen Wochen haben nicht nur Schaden angerichtet. Der Natur hat das viele Nass gut getan. Vor allem dem Forst kam der Regen zugute. Für die Landwirtschaft kann es allerdings auch zu Qualitäts- und Preiseinbußen führen.
„Die Niederschläge waren dringend notwendig aus der Sicht des Walds“, sagt Hubert Moosmayer. Der Leiter des Kreisforstamts verweist auf die vorangegangenen Jahre, die von anhaltender Trockenheit geprägt waren. Aber auch die ausgiebigen Niederschläge der vergangenen Wochen sind nach Ansicht von Hubert Moosmayer nicht ausreichend, um das in mehr als zwei Jahren entstandene Grundwasserdefizit auszugleichen: „Es ging mehr raus als rein. Um das aufzufüllen, braucht es den gleichen Zeitraum.“Die Niederschläge seien punktuell und insgesamt nicht so überdurchschnittlich gefallen, wie es dazu nötig gewesen wäre.
Gleichzeitig hätten die katastrophalen Überschwemmungen auch die Bedeutung des Waldes für den Wasserhaushalt sichtbar gemacht: „Er ist das Mittel gegen Überschwemmungen. Wir brauchen den Wald dringend als Rückhaltung für Starkregenereignisse.“Ein großer Teil des Regens wird nämlich bereits von den Baumkronen aufgefangen und verdunstet, ehe er den Boden erreicht. Der Waldboden sei zudem viel aufnahmefähiger für Wasser als beispielsweise Ackerboden: Dort versickert es und wird gespeichert, anstatt abzufließen.
Durch die Niederschläge wurde auch der Borkenkäfer weiter ausgebremst, nachdem durch den kühlen Frühling bereits die erste Population mit Verspätung am Start war und eine Käfergeneration in diesem Jahr damit ausfällt. Und auch die anhaltende Feuchtigkeit setzt den Larven etwas zu, die jetzt vor allem durch Pilzkrankheiten dezimiert werden. Tatsache aber sei: Die erste Generation
ist ausgeflogen und hat erfolgreich gebrütet. Allerdings sei der Befall schwer einzuschätzen. Wichtigstes Indiz ist das typische kaffeepulverartige Bohrmehl rund um die Ausfluglöcher und am Fuß der Bäume. Und diese Spuren des Schädlings werden derzeit ständig vom Regen beseitigt. Mitte August beginne der nächste Kontrollzyklus, kündigt Moosmayer an. Die Waldbesitzer seien aufgerufen, dasselbe zu tun. Ihnen legt Moosmayer auch den Newsletter des Forstamts ans Herz, der über die Homepage des Landratsamts abonniert werden kann.
Er sei weiterhin in Sorge, aber nicht in Alarmstimmung, sagt der Forstamtsleiter. „Es gibt kein Katastrophenjahr im Wald.“Auf lange Sicht müsse man wohl mit den Auswirkungen des Klimawandels leben. Neben der Fichte zeigen sich die Trockenschäden, wenn auch in diesem Jahr etwas abgemildert, sogar schon bei der Buche als dominante Baumart. Die Fichte sei ohnehin am Rande ihrer Möglichkeiten und disponiert für Käferbefall. „Wir werden uns von der Fichte verabschieden müssen. Da ändert auch ein verregnetes Jahr nichts.“Es stehe ein Vegetationswechsel an, hin zu anderen Baumarten. Bei der Naturverjüngung der Bestände sei auf wesentlich höhere Laubholzanteile zu achten. Das mache den Wald vitaler und stabiler. Wenig hält Moosmayer dabei jedoch vom Anbau „exotischer“Baumarten in der Hoffnung, dass diese mit dem künftigen Klima besser zurecht kommen.
Auch den Obstbäumen hat der Regen gut getan. Zu dem Ergebnis kommt Alexander Ego, Obst- und Gartenbauberater im Landkreis Biberach: „Das war ein Segen für die Natur.“Zunächst seien in dem trockenen und kalten Frühjahr aber gerade in der Hauptblühzeit auch viele Blüten kaputt gegangen. Die Bienen hätten wenig Anreize gehabt, die Befruchtungsleistung habe nachgelassen. Besser sehe es in höheren lagen aus, beispielsweise in Wilflingen und Langenenslingen. Lokal ertragsmindernd wirkte sich Hagel aus. Leider seien zudem der Pflanzen- und Apfelwickler unterwegs. Alexander beklagt auch in seinen eigenen Beständen 80 Prozent weniger Ertrag durch die Schädlinge, bei den Kirschen auch durch die Schrotschusskrankheit, die durch einen Pilz verursacht wird.
Was jeder Gartenbesitzer bestätigen kann: Auch Heerscharen von Schnecken sind unterwegs. Besonders unbeliebt wegen ihres Appetits auf Gemüse und Salat macht sich die unbehauste spanische Wegschnecke. Ego rät wegen der Kollateralschäden davon ab, sie mit Schneckenkorn zu bekämpfen. Er rät zu naturnahen Methoden, beispielsweise „kruschteligeren“Gärten. Unter Totholzhaufen beispielsweise siedeln sich Schnegel an, natürliche Gegenspieler, welche die Gelege der Nacktschnecken angreifen. Das sei gegenüber der schwäbischen Mentalität, die zu „aufgeräumten“Gärten tendiere, mitunter aber schwer zu vermitteln. Ein weiteres Gegenmittel sei eingeweichte Weizenkleie: Das locke die Schädlinge an, die dann einfach abgepflückt werden können.
Durch die anhaltenden Niederschläge sind die landwirtschaftlichen Flächen zur Bewirtschaftung derzeit oft schwerer befahrbar, berichtet Felix Teufel vom Landwirtschaftsamt. Dabei sei die Situation auf den Wiesen noch etwas besser als auf den Äckern. Bei Brotgetreide wie Weizen und Dinkel seien Qualitätsund Preiseinbußen zu befürchten, wenn es zu lange auf dem Feld steht. Auch Schwärzepilze gedeihen in dem feuchten Milieu: „Das ist nichts Gefährliches, aber wenn es so bleibt, sehen die Bestände nicht mehr so frisch aus.“Zusätzliche Kosten drohen, wenn die Frucht nachgetrocknet werden muss, damit sie gelagert werden kann. Einige Tage Trockenheit wären für die Ernte deshalb günstig. Für die Ausbringung der Gülle auf Grünland sei der Regen wiederum vorteilhaft, sagt Teufel: Es gehe weniger Ammoniak durch Ausdünstung verloren.