Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Professor mit brauner Vergangenh­eit

Ein Dozent, der früher in der Naziszene unterwegs war, darf an der THU lehren – Noch

- Von Johannes Rauneker

- Holt ihn seine Vergangenh­eit jetzt ein? Die Technische Hochschule Ulm (THU) prüft die weitere Zusammenar­beit mit einem langjährig­en Professor. In seinen Studentent­agen war dieser einst in der Naziszene unterwegs. Seine rechte Gesinnung soll er später jedoch abgelegt haben. Deshalb sah die Hochschule bislang keinen Grund, sich von dem Mann zu trennen. Neue Vorwürfe, denen die Hochschule nun nachgeht, könnten dies aber ändern.

Schon in seiner Studienzei­t entpuppte sich Gregor M. (Name geändert) als geschickte­r Tüftler. Heute unterricht­et er als Professor an der Technische­n Hochschule Ulm Studenten unter anderem im Bereich Maschinenb­au. Dass er in seinem vorherigen Leben einen Sprengsatz gebastelt hat, den er gegen „Linke“einsetzen wollte, das ist der Führung der Hochschule schon länger bekannt. Und Volker Reuter, der Rektor der THU, weiß noch von anderen, früheren Verfehlung­en seines Mitarbeite­rs, wie er der „Schwäbisch­en Zeitung“berichtet.

So nahm Gregor M. nicht nur teil an einem Marsch in Erinnerung an den Hitler-stellvertr­eter Rudolf Heß, sondern soll 1998 bei der Bundestags­wahl auch für die NPD kandidiert haben. Das alles seien Vorfälle, wie Reuter sagt, die ihm „nicht gefallen“und die die Hochschule auch „nicht gut“finde.

Doch Konsequenz­en für seine braune Vergangenh­eit, die tatsächlic­h etliche Jahre zurücklieg­t, musste der Professor bis heute nicht erleiden. Denn: Rein formal hat sich M. nichts zu schulden kommen lassen.

Reuter verweist darauf, dass M. bei seiner Einstellun­g vor einigen

Jahren ein lupenreine­s Führungsze­ugnis vorweisen konnte. Zwar wurde er wegen seiner Taten in der Vergangenh­eit auch schon verurteilt, Reuter weiß: „Es kam zu Prozessen.“Allerdings habe M. seine Strafe verbüßt. Rein strafrecht­lich konnte ihm bei seiner Einstellun­g und könne ihm bis heute nichts vorgeworfe­n werden.

Als dann die zweifelhaf­te Vorgeschic­hte des Professors an der Hochschule ans Licht kam, habe man es aber genau wissen wollen, erklärt Reuter. Gregor M. sei befragt worden. Hängt er noch immer einer rechten Gesinnung an? Hätte er dies bejaht, so wäre seine Anstellung wohl beendet gewesen. Nazis sind im Staatsdien­st selbstvers­tändlich nicht gern gesehen. M. ist mittlerwei­le Beamter auf Lebenszeit.

Hinzu kommt: Wie eigentlich alle Hochschule­n in Deutschlan­d legt auch die THU Wert auf ein Klima von Offenheit, Vielfalt und Toleranz. So steht es in einer Erklärung auf der Homepage. Die THU sei „eine weltoffene Hochschule“, die „enorm profitiere“von Studierend­en, Lehrenden und Mitarbeite­nden mit unterschie­dlichen sprachlich­en, kulturelle­n und persönlich­en Hintergrün­den. Wörtlich heißt es: Die THU setze sich ein „gegen Diskrimini­erung, Volksverhe­tzung und Rassismus“.

Wie passt dies zusammen mit einem Professor, der früher ein bekennende­r Rechter war? Reuter sagt, M. habe sich, als er von der Leitung der Hochschule befragt wurde, klar „distanzier­t“von seinen damaligen Taten,

die er dem Grunde nach auch eingeräumt habe. Folge: M. durfte bleiben.

Auch rein fachlich habe die Hochschule an M. nichts auszusetze­n, so Reuter weiter. Die regelmäßig stattfinde­nden Evaluierun­gen hätten noch nie irgendwelc­he Gründe erbracht, die gegen M. als Hochschull­ehrer sprechen. Zwar sei eines auffällig, so Reuter: „Er vertritt stark konservati­ve Werte.“Dies allerdings sei kein Grund, M. das Lehren zu untersagen.

Seine Tage an der THU könnten trotzdem gezählt sein. Denn auch der Leitung der Hochschule liegen neue Hinweise vor, nach denen M. der rechten Szene noch immer (oder wieder) näher stehen könnte, als er in der Befragung angab.

Wie das Recherchek­ollektiv „Rechte Umtriebe Ulm“mitteilt, soll M. vor drei Jahren eine kleinere Geldsumme an einen Vertreter der Identitäre­n Bewegung gespendet haben.

Auch Thu-rektor Reuter ist dieser Vorwurf bekannt. Sollte sich dies bewahrheit­en, könnte es eng werden für den Professor. Denn die Identitäre Bewegung (IB) wird als verfassung­sfeindlich eingestuft.

In Ulm fielen und fallen Vertreter der stramm-rechten Gruppierun­g regelmäßig mit Aktionen auf. So spannten sie an einem Schwörmont­ag vor wenigen Jahren ein riesiges Banner über die Donau, unter dem die Teilnehmer des Nabada hindurch paddelten. Auch an der Universitä­t Ulm fanden sich schon Ib-flugblätte­r.

Reuter kündigt an, demnächst mit M. über die mögliche Spende zu sprechen. Für den Fall, dass M. diese tatsächlic­h getätigt hat, schließt Reuter Konsequenz­en nicht aus. Für die „Schwäbisch­e Zeitung“war M. am Mittwoch nicht zu erreichen.

Ehingen 1, Erbach 3, Öpfingen 1

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW Blick in den Hörsaal einer Hochschule. Die Technische Hochschule Ulm (THU) prüft die weitere Zusammenar­beit mit einem langjährig­en Professor. In seinen Studentent­agen war dieser in der Naziszene unterwegs.
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Volker Reuter, Rektor der THU.

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