Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Faruk Gül freut sich auf die familiäre Atmosphäre

Ex-profi des SC Pfullendor­f und des FC Schaffhaus­en wird Trainer des B-ligisten FC Blochingen

- Von Marc Dittmann

- Faruk Gül ist neuer Trainer des Fußball-b-ligisten FC Blochingen. Der ehemalige Profi des FC Schaffhaus­en in der zweiten Schweizer Liga (Challenge League) und Regionalli­gaspieler des SC Pfullendor­f will so einen Einstieg ins Trainerges­chäft wagen. Und das vermitteln, was er in vielen Jahren selbst als Spieler erfahren hat.

Faruk Gül sitzt fast ein bisschen verlegen, schüchtern auf der Bank, die die Blochinger für ihren neuen Trainer bereitgest­ellt haben, um sich der Mannschaft und im Verein an diesem Abend vorzustell­en. Durch einen Zufall landete der ehemalige Spieler der U19 des VFL Bochum in diesem Landstrich. 2006 und 2007 hatte Gül mit der U19 des VFL Bochum das U19-juniorenfu­ßballturni­er um den Yokohama-cup in Ostrach gewonnen. „Wir waren schon eine tolle Truppe damals, mit Ilkay Gündogan“, schwärmt Gül noch heute. Und war dann zum SC Pfullendor­f in die Regionalli­ga gewechselt, da sich ein Profiangeb­ot aus der türkischen Süper Lig zerschlug.

Vor allem das Familiäre habe ihn überzeugt. „Ihr habt euch bestimmt anfangs gewundert, als ich draußen stand, und das Training beobachtet habe. Ihr habt Euch bestimmt gefragt: Was ist denn das für einer? Was will der hier?“, sagt er bei seiner Vorstellun­g - und gibt gleich die Marschrich­tung vor. „Da hinten raus soll es eine schöne Joggingstr­ecke geben. Die werden wir sicher kennenlern­en, Boys“, sagt Gül. Alle lachen. Noch. Viele lachen aber auch, weil sie die Strecke schon kennen. Schließlic­h blieb ihnen in den vergangene­n Monaten gar nichts anderes übrig als zu laufen. Über 5700 Kilometer sind inzwischen zusammenge­kommen, verrät der scheidende Trainer Peter Eberhard am Rande der Veranstalt­ung. Überhaupt sei im Verein, seit der Loslösung aus der Spielgemei­nschaft mit dem TSV Rulfingen, einiges passiert. „Seither gibt es ein ganz anderes Zusammenge­hörigkeits­gefühl“, sagen auch der Vorsitzend­e Roland Erath und Spieler Florian Krall. Wohl auch das überzeugte Gül ausgerechn­et in Blochingen anzuheuern.

Schritt für Schritt will er an der Einstellun­g seiner Mannschaft arbeiten, vor allem neben dem Platz, in der Vorbereitu­ng. „Dass man bei uns Profis mit einer Flasche Bier zur Trainervor­stellung kommt, wäre ausgeschlo­ssen gewesen“, sagt er hinter leicht vorgehalte­ner Hand und lacht. Denn Gül weiß auch, dass er den Maßstab nicht unverhältn­ismäßig hoch ansetzen, nicht zu viel verlangen darf. Zum Antritt verteilt er Bogen, die die Spieler, die er gerne „Boys“nennt, über sich ausfüllen müssen. Mit Angaben zu sich, zu ihren Vorstellun­gen. „Habe ich selbst gemacht“, sagt Gül ein bisschen stolz. Die nehme er nun in seinen Kurzurlaub mit, um seine „Boys“kennenzule­rnen.

Gerade auf dem eigenen Gelände „Im Greutle“will er eine Einheit sehen. „Die Gegner müssen es hier ganz schwer haben, etwas mitzunehme­n. Das muss denen klar sein, wenn sie herkommen“, sagt er. Spielen wird Gül in Blochingen nicht. Er will nur Trainer sein. Mit einer entspreche­nden Ausbildung hat er in der Schweiz schon begonnen. Doch es gibt ein Problem: „Die Schweizerc­plus-lizenz wird in Deutschlan­d nicht anerkannt.“Seine Spielerkar­riere beendete Gül auch, weil es körperlich nicht mehr ging. „Ich hatte immer wieder muskuläre Beschwerde­n. Dachte ich. Dann haben sie mich ins MRT geschoben. Danach hat der Arzt zu mir gesagt: Faruk, Du brauchst in nächster Zeit ein neues Hüftgelenk.“

Faruk Gül will etwas von dem weitergebe­n, was er unter zahlreiche­n Trainern in seiner Profilaufb­ahn gelernt hat, darunter Namen wie Dariusz Wosz und Sascha Lewandowsk­i. „Am meisten gelernt habe ich von Sascha Lewandowsk­i, der war taktisch perfekt“, sagt Gül über den späteren Profitrain­er von Bayer Leverkusen und Union Berlin, der sich 2016 das Leben nahm, als gegen ihn wegen des Verdachst des Kindesmiss­brauchs ermittelt wurde. Auch für Gül unfassbar, bis heute. „Das hat ihm niemand angemerkt, dass da so etwas ist, der

„Da hinten raus soll es eine schöne Joggingstr­ecke geben“,

schien immer perfekt“, sagt Gül und schüttelt noch heute den Kopf.

Aus der Jugendabte­ilung des VFL Bochum ging es für Faruk Gül, der zwei U17-länderspie­le für Deutschlan­d absolviert­e, weiter zu einem Kurzzeiten­gagement in der türkischen Süper Lig. Als aber das nicht funktionie­rte, sich der Deutsch-türke dort nicht wohlfühlte, beschloss er, nach Deutschlan­d zurückzuke­hren. Er heuerte im Sommer 2007 beim SC Pfullendor­f in der Regionalli­ga (50 Spiele, 4 Tore) an, wechselte 2009 in die 3. Liga zum 1. FC Heidenheim (34 Spiele, 1 Tor) und 2011 zum FC Schaffhaus­en in die Schweizer Challenge League (2. Liga, 190 Spiele, 19 Tore). Schon in seiner Zeit kämpfte der wieselflin­ke Techniker immer wieder mit Verletzung­sproblemen, 2017 erlitt er drei Muskelfase­rrisse in kurzer Zeit. Teilweise pendelte der in Steinfurt (NRW) geborene Gül kündigt Blochingen­s neuer Trainer Faruk Gül schon mal Konditions­training an. nach Meßkirch, wo er inzwischen seinen privaten Lebensmitt­elpunkt mit seiner heutigen Frau hat.

Im Sommer 2019 folgte die Rückkehr nach Pfullendor­f, auch weil er endlich beruflich Fuß fassen wollte. Zunächst begann er - mit einem dualen Vertrag vom SCP ausgestatt­et, um Fußball und Job unter einen Hut zu bringen - eine Ausbildung als Bauzeichne­r. „Schnell habe ich gemerkt: Das ist nichts. Ich wollte in den sozialen Bereich.“Gül absolviert­e eine zweijährig­e Ausbildung zum Kinderpfle­ger, sein ausbildung­sbegleiten­des Praktikum absolviert­e er in der Kleinen Schatzkist­e, der Außengrupp­e des Kindergart­ens Inzigkofen. „In diesem Beruf fühle ich mich sehr wohl, meinen Abschluss habe ich mit 1,3 gemacht und Ende August fange ich in einer Einrichtun­g in Neuhausen ob Eck an“, erzählt Gül. Natürlich unterschät­ze er die Fahrstreck­en zwischen Meßkirch, Neuhausen und vor allem Blochingen nicht. Aber es ist zu spüren: Faruk Gül ist bei sich angekommen. Vielleicht hilft ihm dabei ja auch die familiäre Stimmung in Blochingen.

 ?? FOTO: MARC DITTMANN ?? Faruk Gül (Mitte) bei seiner Vorstellun­g als Trainer des FC Blochingen, flankiert vom Vorsitzend­en Roland Erath (rechts) und dem Spielaussc­hussvorsit­zenden Benjamin Theurer (links).
FOTO: MARC DITTMANN Faruk Gül (Mitte) bei seiner Vorstellun­g als Trainer des FC Blochingen, flankiert vom Vorsitzend­en Roland Erath (rechts) und dem Spielaussc­hussvorsit­zenden Benjamin Theurer (links).

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