Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Faruk Gül freut sich auf die familiäre Atmosphäre
Ex-profi des SC Pfullendorf und des FC Schaffhausen wird Trainer des B-ligisten FC Blochingen
- Faruk Gül ist neuer Trainer des Fußball-b-ligisten FC Blochingen. Der ehemalige Profi des FC Schaffhausen in der zweiten Schweizer Liga (Challenge League) und Regionalligaspieler des SC Pfullendorf will so einen Einstieg ins Trainergeschäft wagen. Und das vermitteln, was er in vielen Jahren selbst als Spieler erfahren hat.
Faruk Gül sitzt fast ein bisschen verlegen, schüchtern auf der Bank, die die Blochinger für ihren neuen Trainer bereitgestellt haben, um sich der Mannschaft und im Verein an diesem Abend vorzustellen. Durch einen Zufall landete der ehemalige Spieler der U19 des VFL Bochum in diesem Landstrich. 2006 und 2007 hatte Gül mit der U19 des VFL Bochum das U19-juniorenfußballturnier um den Yokohama-cup in Ostrach gewonnen. „Wir waren schon eine tolle Truppe damals, mit Ilkay Gündogan“, schwärmt Gül noch heute. Und war dann zum SC Pfullendorf in die Regionalliga gewechselt, da sich ein Profiangebot aus der türkischen Süper Lig zerschlug.
Vor allem das Familiäre habe ihn überzeugt. „Ihr habt euch bestimmt anfangs gewundert, als ich draußen stand, und das Training beobachtet habe. Ihr habt Euch bestimmt gefragt: Was ist denn das für einer? Was will der hier?“, sagt er bei seiner Vorstellung - und gibt gleich die Marschrichtung vor. „Da hinten raus soll es eine schöne Joggingstrecke geben. Die werden wir sicher kennenlernen, Boys“, sagt Gül. Alle lachen. Noch. Viele lachen aber auch, weil sie die Strecke schon kennen. Schließlich blieb ihnen in den vergangenen Monaten gar nichts anderes übrig als zu laufen. Über 5700 Kilometer sind inzwischen zusammengekommen, verrät der scheidende Trainer Peter Eberhard am Rande der Veranstaltung. Überhaupt sei im Verein, seit der Loslösung aus der Spielgemeinschaft mit dem TSV Rulfingen, einiges passiert. „Seither gibt es ein ganz anderes Zusammengehörigkeitsgefühl“, sagen auch der Vorsitzende Roland Erath und Spieler Florian Krall. Wohl auch das überzeugte Gül ausgerechnet in Blochingen anzuheuern.
Schritt für Schritt will er an der Einstellung seiner Mannschaft arbeiten, vor allem neben dem Platz, in der Vorbereitung. „Dass man bei uns Profis mit einer Flasche Bier zur Trainervorstellung kommt, wäre ausgeschlossen gewesen“, sagt er hinter leicht vorgehaltener Hand und lacht. Denn Gül weiß auch, dass er den Maßstab nicht unverhältnismäßig hoch ansetzen, nicht zu viel verlangen darf. Zum Antritt verteilt er Bogen, die die Spieler, die er gerne „Boys“nennt, über sich ausfüllen müssen. Mit Angaben zu sich, zu ihren Vorstellungen. „Habe ich selbst gemacht“, sagt Gül ein bisschen stolz. Die nehme er nun in seinen Kurzurlaub mit, um seine „Boys“kennenzulernen.
Gerade auf dem eigenen Gelände „Im Greutle“will er eine Einheit sehen. „Die Gegner müssen es hier ganz schwer haben, etwas mitzunehmen. Das muss denen klar sein, wenn sie herkommen“, sagt er. Spielen wird Gül in Blochingen nicht. Er will nur Trainer sein. Mit einer entsprechenden Ausbildung hat er in der Schweiz schon begonnen. Doch es gibt ein Problem: „Die Schweizercplus-lizenz wird in Deutschland nicht anerkannt.“Seine Spielerkarriere beendete Gül auch, weil es körperlich nicht mehr ging. „Ich hatte immer wieder muskuläre Beschwerden. Dachte ich. Dann haben sie mich ins MRT geschoben. Danach hat der Arzt zu mir gesagt: Faruk, Du brauchst in nächster Zeit ein neues Hüftgelenk.“
Faruk Gül will etwas von dem weitergeben, was er unter zahlreichen Trainern in seiner Profilaufbahn gelernt hat, darunter Namen wie Dariusz Wosz und Sascha Lewandowski. „Am meisten gelernt habe ich von Sascha Lewandowski, der war taktisch perfekt“, sagt Gül über den späteren Profitrainer von Bayer Leverkusen und Union Berlin, der sich 2016 das Leben nahm, als gegen ihn wegen des Verdachst des Kindesmissbrauchs ermittelt wurde. Auch für Gül unfassbar, bis heute. „Das hat ihm niemand angemerkt, dass da so etwas ist, der
„Da hinten raus soll es eine schöne Joggingstrecke geben“,
schien immer perfekt“, sagt Gül und schüttelt noch heute den Kopf.
Aus der Jugendabteilung des VFL Bochum ging es für Faruk Gül, der zwei U17-länderspiele für Deutschland absolvierte, weiter zu einem Kurzzeitengagement in der türkischen Süper Lig. Als aber das nicht funktionierte, sich der Deutsch-türke dort nicht wohlfühlte, beschloss er, nach Deutschland zurückzukehren. Er heuerte im Sommer 2007 beim SC Pfullendorf in der Regionalliga (50 Spiele, 4 Tore) an, wechselte 2009 in die 3. Liga zum 1. FC Heidenheim (34 Spiele, 1 Tor) und 2011 zum FC Schaffhausen in die Schweizer Challenge League (2. Liga, 190 Spiele, 19 Tore). Schon in seiner Zeit kämpfte der wieselflinke Techniker immer wieder mit Verletzungsproblemen, 2017 erlitt er drei Muskelfaserrisse in kurzer Zeit. Teilweise pendelte der in Steinfurt (NRW) geborene Gül kündigt Blochingens neuer Trainer Faruk Gül schon mal Konditionstraining an. nach Meßkirch, wo er inzwischen seinen privaten Lebensmittelpunkt mit seiner heutigen Frau hat.
Im Sommer 2019 folgte die Rückkehr nach Pfullendorf, auch weil er endlich beruflich Fuß fassen wollte. Zunächst begann er - mit einem dualen Vertrag vom SCP ausgestattet, um Fußball und Job unter einen Hut zu bringen - eine Ausbildung als Bauzeichner. „Schnell habe ich gemerkt: Das ist nichts. Ich wollte in den sozialen Bereich.“Gül absolvierte eine zweijährige Ausbildung zum Kinderpfleger, sein ausbildungsbegleitendes Praktikum absolvierte er in der Kleinen Schatzkiste, der Außengruppe des Kindergartens Inzigkofen. „In diesem Beruf fühle ich mich sehr wohl, meinen Abschluss habe ich mit 1,3 gemacht und Ende August fange ich in einer Einrichtung in Neuhausen ob Eck an“, erzählt Gül. Natürlich unterschätze er die Fahrstrecken zwischen Meßkirch, Neuhausen und vor allem Blochingen nicht. Aber es ist zu spüren: Faruk Gül ist bei sich angekommen. Vielleicht hilft ihm dabei ja auch die familiäre Stimmung in Blochingen.