Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gemeinschaftliches Wohnen und Leben
Gestiegene Baukosten erschweren geplantes Projekt der Bürgerwohnungsgenossenschaft
- Alternative Wohnformen sind deutschlandweit im Kommen. Dabei geht es darum, Wohnprojekte zu schaffen, die gezielt Alte und Junge, Starke und Schwache, Menschen mit und ohne Behinderung und Gesunde und Kranke vereint. Hubertus Droste, geschäftsführender Vorsitzender der Bürgerwohnungsgenossenschaft Biberach, nennt es sorgende Gemeinschaft. Es geht darum, sich gegenseitig zu unterstützen und sich im Alltag behilflich zu sein. „Wir wollen generationenübergreifend sozial engagierte Menschen zusammenbringen.“
Es ist eines der wichtigsten Ziele, die die Bürgerwohnungsgenossenschaft hat: gemeinschaftliches Wohnen und Leben. Aktuell gibt es zwei geplante Bauprojekte, eines im Hauderboschen in Biberach und eines in Ringschnait. Doch die gestiegenen Baukostenpreise machen der Genossenschaft, die sich aus der Bürgersozialgenossenschaft und der Bürgerwohnungsgenossenschaft zusammensetzt, zu schaffen, zumindest der Traum im Hauderboschen könnte platzen. „Hier haben wir bislang eine Verteuerung von rund einer Million Euro zu stemmen“, sagt Hubertus Droste. Aktuell ist die Bürgergenossenschaft auf der Suche nach möglichen Geldgebern sowie Mitinvestoren. „Dieses Projekt würden wir nur ungern aufgeben, da der Bedarf nach solchen alternativen Wohnformen wirklich sehr groß, vor allem mit steigendem Alter und mit Blick auf den demografischen Wandel.“
Die Gesellschaft wird immer älter, die Zahl der über 65-Jährigen steigt. Die Menschen bleiben in der Regel länger gesund und aktiv und freuen sich auf ihren Ruhestand. „Sie suchen nach einer modernen Nachbarschaft, die tolerant, hilfsbereit und offen für Neues ist“, sagt Hubertus Droste. Betreutes Wohnen komme für viele Menschen nicht infrage, das haben auch viele Mitglieder der Bürgergenossenschaft klar signalisiert. „Wir haben viele Anfragen für die beiden Baugebiete“, sagt Droste. „Das Interesse ist wirklich enorm.“Also ein weiterer Grund, am Bauprojekt im Hauderboschen festzuhalten.
Eigentlich sollte das Bauprojekt mit 18 Wohneinheiten schon bald fertig sein. 2016 haben bereits die Planungen begonnen. „Der Weg, den wir seit mehr als vier Jahren hier gehen, ist sehr steinig und schwierig“, sagt Hubertus Droste. Auch die Corona-krise hat ihren Teil dazu beigetragen. „Wir legen jetzt eine Pause ein und warten ab, wie sich die Lage entwickelt.“Denn die Kosten und Preise seien bei den aktuellen Verwerfungen auf dem Baumarkt zurzeit nicht kalkulierbar. Ursprünglich plante die Bürgerwohnungsgenossenschaft mit Kosten von rund fünf Millionen Euro, jetzt sind sie bereits bei annähernd sechs Millionen Euro angekommen. „Möglicherweise beruhigt sich die Situation wieder. Jetzt gilt es, Nerven zu bewahren und das Projekt Hauderboschen neu zu kalkulieren, auch unter dem Gesichtspunkt bezahlbaren Wohnens.“Dennoch ist die Genossenschaft auch auf der Suche nach anderen Standorten, möglicherweise im Grünen, und außerhalb der Stadt.
Eine echte Alternative bietet das Bauprojekt in Ringschnait allerdings nicht. Die 15 Einheiten, mit deren Bau inzwischen begonnen wurde und die Ende 2022 fertig sein sollen, sind langfristig für den
Verkauf bestimmt. „Es kann sich eine sorgende Gemeinschaft entwickeln, das steht der Hausgemeinschaft aber frei“, sagt Droste.
Im Hauderboschen hätten sich die Mitglieder der Genossenschaft auf ein lebenslanges Wohnrecht einlassen können, und zwar unter dem Stichwort sorgende Gemeinschaft. Interessenten werden bei diesem Wohnmodell nicht Eigentümer der Wohnungen, sondern sichern sich mit einer kleinen Eigenkapitaleinlage die Nutzung einer Wohnung zu einem Bruchteil der Baukosten. Beispiele bestehender Einrichtungen zeigten, dass die späteren Nutzungsentgelte unter den durchschnittlichen Mietpreisen vergleichbarer Wohnungen liegen. Das Eigenkapital wird durch Ansparen von Geschäftsanteilen oder deren Kauf erbracht.
Zusätzlich zu den Wohnungen sollen in einem solchen Wohnprojekt auch Gemeinschaftsräume entstehen. Zum Selbstverständnis gehört, dass die von der Bürgerwohnungsgenossenschaft errichteten Anlagen und Wohnungen auch mit Leben erfüllt werden. So könnten beispielsweise auch Besucherappartements vorgehalten und gemeinsame Aktionen angeboten werden. Auch ein Café würde infrage kommen. „Der Fantasie sind hier wirklich keine Grenzen gesetzt“, sagt Droste.
Um ihrem Ziel vom gemeinschaftlichen Wohnen näher zu kommen, plant die Bürgerwohnungsgenossenschaft mit Hochdruck weiter. „Wir suchen andere Alternativen, sei es im Grünen oder auch in der Stadt. Auch das Gebiet Hirschberg haben wir im Blick“, sagt Hubertus Droste. Er wünscht sich, dass diese Form des engagierten Miteinanders künftig beim Wohnungsbau beachtet wird: „Allerdings ist es schwierig, bestimmte Strukturen zu verändern. In Biberach könnten wir schon viel weiter sein. In vielen anderen Städten funktioniert das bereits prima.“
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