Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Wutach wird zur treuen Begleiterin
Südschwarzwald-radweg, Etappe 2 – Mit Schmackes hinunter an den Rhein
Verdammt! Das war jetzt eindeutig zu viel Schwung. Die Freude über die rasante Abfahrt von Bonndorf hinunter Richtung Stühlingen währt nur kurz. Im Tal stellen wir fest, dass wir die Abzweigung an der Dreifaltigkeitskapelle vor lauter Geschwindigkeitsrausch sauber verpasst haben und jetzt drei, vier Kilometer wieder bergauf radeln müssen, um auf die gewünschte Variante zu kommen, die über Ewattingen und Blumegg zum Aussichtspunkt Flühenblick führt. Denn leider liegt die berühmte Wutachschlucht nicht direkt am Südschwarzwald-radweg und ist mit dem Rad sowieso nur schwerlich zu erreichen. Also muss ein Blick von oben in diese mit 20 000 Jahren jüngste Schlucht Deutschlands genügen. Und diesen soll der ziemlich versteckt gelegene Flühenblick in Blumegg schließlich bieten.
Ob sich der Weg tatsächlich gelohnt hat? Eher nicht. Denn so richtig viel von der Schlucht geben die am Flühenblick dicht stehenden Bäume nicht preis. Man kann nur erahnen, wie spektakulär der größte Canyon Deutschlands mit einer Tiefe zwischen 60 und 180 Metern tatsächlich ist. Auch von der einzigartigen Tierund Pflanzenwelt, die sich in diesem besonderen geologischen Umfeld entwickeln konnte, kriegt der Radfahrer relativ wenig mit. Immerhin gesellt sich ein hübscher Eisvogel mit seinem bunten Gefieder zu uns und betrachtet wie wir die Wutachschlucht von oben. Wer in die Schlucht, ihre Geschichte sowie ihre Flora und Fauna tiefer einsteigen möchte, sollte entsprechend Zeit einplanen und von Ewattingen mit dem Bus zur Wutachschlucht fahren, um dort ein bisschen zu wandern.
Wir aber schwingen uns wieder auf unsere Räder und genießen zum zweiten Mal die Abfahrt ins Tal zurück zur Hauptstrecke des Südschwarzwald-radwegs. Auf ihn treffen wir wieder kurz vor der Museumsmühle im Weiler. Auch wenn heute erst wenige Radkilometer hinter
Simone Haefele (www.original-landreisen.de) uns liegen – ein kurzer Halt an dieser beinahe vollständig erhaltenen Mühle mit ihren drei Mühlrädern, die zu den ältesten Deutschlands zählt, lohnt allemal.
Auf dem zugegebenermaßen noch langen Rest der zweiten Etappe bis nach Waldshut-tiengen begleitet uns das Flüsschen Wutach und ein Stück weit auch der Streckenverlauf der historischen Sauschwänzlebahn. Viel haben wir an diesem Radltag noch nicht geschafft. Allerdings geht es jetzt flussabwärts flott dahin bis Wutöschingen. Nur der plötzlich aufkommende Gegenwind und relativ viele Gleichgesinnte verhindern einen rekordverdächtigen Stundenkilometerschnitt auf den breiten, gut befahrbaren Wegen. So bleibt dann doch Muße, die liebliche Landschaft mit ihren Feldern und Blumenwiesen, den Blick auf die bewaldeten
Talhänge und in so manchen Bauerngarten zu genießen. Selbst für ein Päuschen direkt an der malerischen, sich dahinschlängelnden Wutach ist genügend Zeit. Schöne Rastplätze gibt es zur Genüge. Rechts und links der Route tauchen auch immer wieder dunkle Schwarzwaldhäuser auf, und das Flüsschen fließt stets an unserer Seite bis zum Etappenziel Waldshut-tiengen, wo es in den Hochrhein mündet.
Ab Lauchringen ist es dann vorbei mit der Schwarzwald-naturidylle, der Radweg führt jetzt hauptsächlich durch Wohngebiete, streift manch kleines Industriegebiet sowie den Ortstrand Tiengens und endet für heute schließlich vor dem historischen Oberen Tor in Waldshut. Hier heißt es absteigen und schieben, denn es schließt sich die belebte Fußgängerzone der 20 000-Einwohner-stadt am Rhein an, durch deren Mitte der Stadtbach fließt.
Prächtige Bürger- und Zunfthäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert mit kunstvollen Reliefverzierungen und typischen, weit vorgebauten Holzgiebeln, den sogenannten Hotzenhauben, stehen rechts und links der breiten Kaiserstraße und machen dem Namen der Waldshuter Fußgängerzone alle Ehre. Vor einem dieser Häuser, die alle Namen wie „Zur Taube“, „Zum Pfauen“oder „Zur goldenen Krone“tragen, wartet Stadtführerin Susanne Tritschler. „Das waren nicht alles Wirtschaften, wie man vermuten könnte. Vielmehr war es einst Sitte, jedem Haus, vor allem jedem Zunfthaus einen Namen zu geben“, erklärt sie. Tritschler weiß auch, dass die auffälligen Giebel eigentlich Aufzugsgauben sind, die dazu gedient haben, Lasten oder Holz in die oberen Geschosse zu transportieren. Und weil die Stadtführerin Schlüsselgewalt besitzt, ist es möglich, mit ihr die engen Stufen im Oberen Tor hochzusteigen und von ganz oben einen abschließenden Blick über Waldshut, dem Tor zum Schwarzwald, zu werfen.
Etappe 2 von Bonndorf nach Waldshut-tiengen, ca. 50 Kilometer, größtenteils bergab. Übernachtungsmöglichkeit: Hotel „Waldshuter Hof“.
Tipp: Waldshut liegt über dem Rhein. Wer in den Abendstunden von der Kaiserstraße zum alten Kino spaziert, wird nicht nur mit einem wunderschönen Blick auf den Fluss und die gegenüberliegende Schweiz belohnt, sondern auch mit der entspannten Atmosphäre an diesem Platz, an dem sich gerne die Waldshuter Jugend trifft.