Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Die perfekte Klangästhetik herausarbeiten“
Als Expertin greift Pianistin Katja Poljakova in die Tasten eines außergewöhnlichen Riedlinger Flügels
- Ein viertägiger Aufenthalt, um drei Beethoven-sonaten mit zwei Toningenieuren aufzunehmen: Das ist scheinbar ein normales Programm für eine professionelle Musikerin. Allerdings hat Pianistin Katja Poljakova ein ganz besonderes Klavier des einstigen Riedlinger Instrumentenbauers Conrad Graf dafür ausgewählt – einen Hammerflügel, dessen Saiten von kleinen Hämmern angeschlagen werden. Sie sind ganz anders konstruiert als moderne Klaviere und erzeugen unter anderem mehr Obertöne.
Katja Poljakova befasst sich intensiv mit Conrad Graf und seinem Flügel im Rahmen eines Projekts, das von der Landesgraduiertenförderung in Baden-württemberg finanziell unterstützt wird. Sz-mitarbeiterin Mechtild Kniele hat mit der Musikerin darüber gesprochen, was sie zu diesem historischen Tasteninstrument geführt hat.
SZ: Frau Poljakova, Ihre Liebe gilt den historischen Instrumenten und besonders dem Riedlinger Hammerflügel. Warum sind Sie für dieses Projekt ausgerechnet in die Donaustadt gekommen?
Katja Poljakova: Ich durfte schon ganz unterschiedliche Graf-flügel sehen und auch spielen, zum Beispiel beim Hammerflügel-wettbewerb in Brügge, bei dem ich 2019 das Finale erreicht habe. Jetzt habe ich mich auf Instrumente spezialisiert, die zwischen 1820 und 1830 von Conrad Graf gebaut worden sind. Die Hammerflügel werden in dieser Zeit schwerer und voluminöser. Gerade deshalb passt der Flügel, der im Jahr 1824 hergestellt wurde, im Riedlinger Spital zum Heiligen Geist perfekt. Ich habe mir bereits im vergangenen Jahr viele Informationen über diesen Flügel besorgt und ihn ganz genau angesehen. Denn mein Projekt besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil.
Und nun ist die Zeit für den praktischen Teil gekommen. Was genau haben Sie in den drei Tagen des Musizierens und der Aufnahmen in Riedlingen gemacht?
Die drei Klaviersonaten 30, 31 und 32 von Beethoven habe ich für das Projekt ausgewählt. Jeden Tag haben wir eine Sonate aufgenommen. Mit Tobias Klein und Paul Jacot von der Record Music Group habe ich ein wunderbares Team an meiner Seite. Sie beraten mich und gemeinsam arbeiten wir die perfekte Klangästhetik heraus. Ich arbeite sehr gerne im Team, ich kann Paul und Tobias, beide sind ebenfalls studierte Musiker, vertrauen. Pro Sonate haben wir jeweils acht Stunden benötigt, denn eine Aufnahme ist ein Prozess. Am Ende
des Tages finden wir die Aufnahme, die passt.
Wie gefällt Ihnen das Ambiente in Riedlingen und im Museum?
Der Raum, in dem der Flügel steht, ist wunderschön. Zugleich habe ich erfahren, dass ich an einem musikalisch-historischen Ort untergebracht wurde: im Gasthaus Hirsch. Es ist das Geburtshaus von Sebastian Rau, ein Treuhänder Beethovens, der die letzten Tage des Komponisten erlebt hat. Ich danke Dr. Christa Enderle und ihrem Team für die freundliche Aufnahme und für die Organisation vor Ort.
Was hat Sie überhaupt zur Musik und speziell zum Klavier geführt?
1987 wurde ich in Russland geboren und habe schon als Kind im Alter von fünf Jahren Klavierunterricht bekommen. Nach einem Musikstudium in Jekaterinburg bin ich 2005 nach Deutschland gekommen und habe in Karlsruhe Klavier studiert. Sehr bald legte ich meinen Schwerpunkt auf historische Tasteninstrumente, beispielsweise Cembalo, Hammerflügel und Orgel.
2013 schloss ich mein Masterstudium in Karlsruhe ab. Anschließend studierte ich zwei Jahre lang am Salzburger Mozarteum bei Wolfgang Brunner das Spiel am Hammerflügel. Dort erlangte ich einen weiteren Master-abschluss. Momentan studiere ich in Trossingen bei Mareike Spaans Hammerflügel und hoffe, in einem Jahr das derzeitige Studium mit einem Konzertexamen beenden zu können.
Leben Sie momentan in Trossingen?
Nein, ich lebe, übe und arbeite in Hamburg – bei diesem Studium muss ich nicht immer vor Ort in Badenwürttemberg sein und pandemiebedingt konnte auch kaum Präsenzunterricht stattfinden.
Wie generieren Sie nach der langen konzertfreien Zeit Ihr Einkommen?
Ich leite eine Musikschule in Finkenwerder und unterrichte dort auch Klavier. Zu mir kommen Kinder aller Altersstufen, aber auch Erwachsene, die teilweise auch Online-kurse bei mir nehmen. Üben kann ich in den Proberäumen einer Konzertmanufaktur in Hamburg, die auf die Restaurierung von Steinway-flügeln spezialisiert ist.
Welche Pläne und Perspektiven sehen Sie für Ihre berufliche Zukunft?
Eine Promotion würde mich sicherlich reizen. Natürlich wünsche ich mir wieder Konzertauftritte in der Öffentlichkeit.