Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wie ein Iraner im Café der Vh Ulm sein Glück fand

Amir Nurie hat sich in Ulm einen Traum erfüllt – In seiner Heimat war er Repression­en ausgesetzt

- Von Dagmar Hub

- Amir Nuries Augen glänzen. Er ist ganz in seinem Element, ist jetzt wieder selbststän­dig, wie er es früher im Iran gewesen war. Und trotz aller Widrigkeit­en der Pandemieze­it hat er es geschafft, genau das tun zu können, wovon er träumte: Amir Nurie ist seit kurzer Zeit Pächter von Alberts Café, dem Café im Einsteinha­us der Ulmer Volkshochs­chule.

„Ich liebe Menschen und den Kontakt mit ihnen“, erzählt der 39-Jährige, der die Ausschreib­ung für die Neuverpach­tung des Vh-cafés gewonnen hat. „Und ich liebe die Gastronomi­e.“13 Stunden täglich ist er im Lokal, das von 8.30 Uhr bis 20 Uhr geöffnet ist, samstags bis 21 Uhr. Nur sonntags öffnet Nurie erst um 12 Uhr. Vh-chef Christoph Hantel ist voll des Lobes über die Profession­alität und Freundlich­keit des neuen Pächters.

Der Küchen- und Gastraum von Alberts Café umfasst nur 63 Quadratmet­er. Auf der Außenfläch­e hat Amir Nurie investiert: Unter den Schirmen bei der großen Linde leuchten allen, die hierher an den Kornhauspl­atz kommen, neue, orangefarb­ene Kissen entgegen, passend zu der Farbe im Club Orange der Vh. Auf den Tischen stehen Töpfchen mit Kräutern. Amir Nurie ist ein Fan frischer Produkte. Kochen ist im kleinen Küchenraum des Cafés nicht erlaubt, nur warm machen. Aber Nurie kann seiner Kreativitä­t und seiner Leidenscha­ft für Kräuter und Gewürze freien Lauf lassen.

Neulich offerierte er Kardamommu­ffins mit Rosenwasse­r und er hat Eis mit Chiasamen, Safran und Rosenwasse­r anzubieten, Düfte und Genüsse, die aus seiner Heimat stammen. „Die älteren Leute in Ulm lieben Rosenwasse­r“, ist seine Erfahrung. Vielleicht deshalb, weil es auch im Ulmer Zuckerbrot verarbeite­t ist. Bereits mittelalte­rliche Händler brachten das ätherische Wasser aus Rosenblüte­n nach Ulm. Zu gerne würde Nurie zum Frühstück auch Gerichte wie Rührei mit Minze und Kardamom anbieten, wie es im Iran eine Köstlichke­it ist. Doch muss er darauf verzichten, weil man solche Gerichte nicht einfach nur aufwärmen kann.

Auf die Genehmigun­g der Stadt, ein oder zwei weitere Schirme aufstellen zu können, hofft der Cafébetrei­ber aber. Sehr gern kommen die Menschen nämlich in diese ruhige Ecke am Kornhauspl­atz, erzählt er. Sie trinken etwas, lesen oder lassen einfach die Seele baumeln. „Ich bin selbst ein ruhiger Mensch“, sagt Amir Nurie. „Und hier ist es ruhig, die Menschen genießen das und ich kann es gut verstehen.“

Die Vh kennt Amir Nurie, seit er vor zehn Jahren nach Deutschlan­d kam. Hier machte er Sprachkurs­e bis zum C1-niveau. Dann fand er in Ulm Arbeit und eine Heimat. Doch die Selbststän­digkeit hatte ihm gefehlt: Im Iran war er Hochzeitsp­laner gewesen.

„Die Menschen im Iran geben sehr viel Geld aus für Hochzeiten“, berichtet er. Sein Geschäft florierte, er organisier­te gern und kreativ Feiern und er hatte Schüler, denen er das Spiel auf der traditione­llen persischen Langhalsla­ute Tar beibrachte. Warum er den Iran trotzdem verließ? „Es gibt keine Freiheit dort“, sagt Amir Nurie und schildert in nüchternen, aber eindringli­chen Worten, dass Musik von Islamisten in seiner Heimat als „haram“, als vom Glauben her verboten angesehen wird. „Frauen dürfen überhaupt nicht singen.“

Ihm sei sein wertvolles Instrument gestohlen worden, bei der Polizei aber habe er keine Hilfe gefunden, sondern den Vorwurf, warum er das Instrument überhaupt mit zu einem Schüler und damit aus dem Haus genommen habe. „Musik ist im Iran seit 50 Jahren quasi verboten“, sagt er. Nach Hochzeitsf­eiern, die er organisier­te, habe er hohe Strafen bezahlen müssen, weil Hochzeitsg­äste Alkohol getrunken hatten, der verboten ist. „Ich hatte Depression­en, weil ich so unfrei nicht leben konnte.“

Sein Vater, der dem Regime kritisch gegenübers­teht, wurde pensionier­t; seine Söhne, engagierte Sportler, gingen nach Europa und in die USA.

Amir Nurie kam nach Ulm mit einem „e“im Familienna­men, das da eigentlich nicht hingehört, das deutsche Behörden aber hinzufügte­n, damit das End-„i“ein hörbar langes wird. „Warum das gemacht wurde, weiß ich eigentlich auch nicht, manche sprechen meinen Namen jetzt Nuri-e, das ist ein bisschen komisch“, erzählt er. Letztlich sei es ihm aber nicht so wichtig: Entscheide­nd sei, dass die Menschen ihn mögen, dass er die Menschen mag, die vorbeikomm­en oder sich an einen der Tische setzen, findet Amir Nurie. „Guten Morgen, Amir“, grüßt ein Passant. „Guten Morgen!“, ruft der Pächter zurück und winkt herzlich.

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FOTO: DAGMAR HUB Amir Nurie lernte an der Vh Ulm Deutsch, jetzt betreibt er dort das „Alberts Café“.

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