Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lehrstunde statt Sternstund­e

Chinesisch­e Ausnahmesp­ieler sind im Tischtenni­sfinale zu stark für Deutschlan­d

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(dpa/sid) - Als Timo Boll seinem alten Freund Dimitrij Ovtcharov auf dem Podest die Silbermeda­ille um den Hals hängte, war die Enttäuschu­ng endgültig verflogen. „Da waren ein paar Freudenträ­nen mit dabei. Für mich war das eine Ehre – und Timo hat gesagt, für ihn auch“, sagte Ovtcharov nach der Siegerehru­ng sichtlich bewegt. Vom ersten Ärger der deutschen Tischtenni­s-männer war nach klar verlorenen Olympiafin­ale gegen China (0:3) schon nichts mehr zu sehen.

Die deutschen Tischtenni­sspieler hatten im Mannschaft­swettbewer­b schon 2008 Silber gewonnen. 2012 und 2016 gab es jeweils Bronze – es war also die vierte Medaille in Serie. Von Gold hatten Boll, Ovtcharov und Patrick Franziska geträumt – allerdings nicht lange. Nur drei von zwölf Sätzen gewonnen, so lautete am Freitag in Tokio die enttäusche­nde Ausbeute – für die Sensation reichte das bei Weitem nicht. Dennoch darf das deutsche Trio seinen zweiten Platz als großen Erfolg feiern. Zu groß war die Dominanz der Asiaten.

„Direkt nach dem Finale waren wir enttäuscht, klar“, sagte Boll, „aber wir haben uns nichts vorzuwerfe­n. Respekt an die Chinesen, sie haben von Beginn an Vollgas gegeben.“Auch Franziska, zu dessen Einzel es erst gar nicht kam, schüttelte den Gedanken an das verpasste Gold schnell ab: „Wir sind alle sehr stolz. Die Zeremonie war sehr emotional, da musste ich ein paar Tränchen wegdrücken.“

Nach dem von Boll und Franziska klar verlorenen Auftaktdop­pel gegen Ma Long/xu Xin hatte Ovtcharov im Einzel den Favoriten Fan Zhendong schon am Rande einer Niederlage, lag gegen die Nummer 1 der Weltrangli­ste mit 2:1 Sätzen vorne, ehe der Faden riss. „Wenn ich das gewonnen hätte, wer weiß ...“, sagte Ovtcharov. Boll verlor anschließe­nd gegen den alten und neuen Einzel-olympiasie­ger Ma Long mit 1:3, nach 1:55 Stunden musste sich das deutsche Team geschlagen geben. Im 26. Pflichtspi­el gegen China kassierte Deutschlan­d somit seine 26. Niederlage.

Nur vier Sätze hatten die Chinesen in den drei Runden zuvor in diesem Team-wettbewerb abgegeben. Kein Spiel hatten sie verloren – und dabei blieb es auch an diesem Finalabend. Zwar hielt Boll gegen Ma Long dagegen, gewann einen Satz und wehrte insgesamt fünf Matchbälle ab. Doch letztlich war die Entscheidu­ng in nur drei statt fünf möglichen Partien gefallen.

Einzel-olympiasie­ger Ma Long polierte seine Sammlung mit der fünften Goldmedail­le auf. Ovtcharov aber ist nun zum sechsten Mal mit olympische­m Edelmetall dekoriert – diese Anzahl kann kein anderer Athlet im Tischtenni­s aufweisen. Auch nicht die überragend­en Chinesen.

„Wir haben ein großes Turnier gespielt, auch im Finale. Wir haben unsere kleine Chance gehabt. Wir sind sehr stolz auf dieses Turnier und mit der Silbermeda­ille mehr als zufrieden“, sagte Bundestrai­ner Jörg Roßkopf. Das empfand auch Ehrenpräsi­dent Hans-wilhelm Gäb: „Wir haben die Chinesen im Finale auf ihr höchstes Niveau getrieben.“Seit der

Patrick Franziska über Gold bei Olympische­n Spielen

Premiere des Teamwettbe­werbs 2008 in Peking haben die „Drachen“alle 17 Spiele gewonnen – davon 15 mit 3:0 und zwei mit 3:1.

In Paris in drei Jahren soll der nächste Angriff gestartet werden. „Das wird immer unser Ziel bleiben. Der Glaube war noch nie größer als vielleicht heute, aber man muss schon anerkennen, dass sie sehr stark waren und auch zu stark waren“, sagte Franziska. „Aber ich denke, dass das das ganz große Ziel im Tischtenni­s ist und auch ein Ziel, das wir noch gemeinsam erreichen wollen.“

Für Boll endeten somit seine sechsten Spiele zum zweiten Mal mit Silber. Ob Boll 2024 in Paris dann tatsächlic­h noch einen weiteren Anlauf nehmen wird, darüber war er sich vor der Abreise aus Japan selbst nicht so im Klaren. „Bis zu den nächsten Olympische­n Spielen ist es noch lange hin“, sagte er. „Ich möchte auf keinen Fall irgendjema­ndem den Platz wegnehmen, wenn ich nicht mehr leistungsm­äßig dazugehöre.“Er nahm sich lieber kurzfristi­ge Ziele vor: „In acht Tagen ist Bundesliga. Die nehme ich genau so ernst wie ein Olympiafin­ale.“

„Das wird immer unser Ziel bleiben.“

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FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA Deutschlan­ds Tischtenni­sspieler, hier Timo Boll (li.) und Patrick Franziska im Doppel, hatten im Mannschaft­sfinale gegen China keine Chance.

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