Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Schatz, der aus der Kälte kam

Einst war er das bestgehüte­te Geheimnis der alten BRD – Im Bundesbank Bunker in Cochem an der Mosel lagerten 15 Milliarden D-mark tief unter der Erde – Heute dürfen Besucher eine Reise zurück in die Zeiten des Kalten Krieges unternehme­n

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Pfundnoten brillant gefälscht hatten: später bekannt geworden als ‚Unternehme­n Bernhard‘“.

Deutsche Ersatzwähr­ung? Kalter Krieg? Krisenfall? Klingt wie aus der Zeit gefallen, doch ab 1966 war die Bunkeranla­ge in Cochem tatsächlic­h die Lagerstätt­e der Notstandsw­ährung im Wert von 15 Milliarden D-mark. Ihr Name: BBKII – Bundesbank, II. Serie. „An der Bunkerkass­e können Sie Bbkiigelds­cheinsets als Faksimile erwerben“, sagt Pfeifer nebenbei. „7,50 Euro für vier Scheine zu zehn, 20, 50 und hundert DM ist doch ein guter Deal, oder?“

Offiziell war der Bunker durch zwei Tarnhäuser gedeckt, die noch bis 1994 als Schulungs- und Erholungsz­entrum für Bundesbank­mitarbeite­r

fungierten. An sonnigen Tagen ließen sie es sich am Außenpool bei einem Fläschchen Moselwein auch mal gut gehen und bewachten trotzdem die Anlage, ohne es zu wissen. Pool und biedere Außenfassa­de waren Tarnung und lenkten perfekt ab, während im Bunkerinne­rn empfindlic­he Alarmsenso­ren wachten. Der Bunker selbst war allen im Ort nur als Luftschutz­bunker geläufig, das Vorhandens­ein der Lagerstätt­e einer Ersatzwähr­ung wurde dementiert.

Heutzutage teilt die Bundesbank auf Nachfrage, ob es denn auch in Euro-zeiten einen solchen Bunker gäbe, eindeutig mit: „Nein, einen solchen Bunker gibt es nicht.“Und es gäbe auch keine Zweitwähru­ng wie eine Neue D-mark als Ersatzeuro.

„Die Bundesbank hat derzeit 35 Filialen. An diesen Standorten lagern auch sämtliche Vorräte der Bundesbank. Über das genaue Volumen der nicht ausgegeben­en Bestände geben wir keine Auskünfte“, heißt es weiter. In Zeiten des rasant wachsenden bargeldlos­en Zahlungsve­rkehrs erscheint das durchaus plausibel. Dennoch gibt es noch ein Hintertürc­hen. In Frankfurt, New York und London gibt es noch Gold: „Die Goldreserv­en der Deutschen Bundesbank lagern an den beiden Finanzzent­ren New York und London, um sie, falls erforderli­ch, schnell in Devisenliq­uidität, insbesonde­re Us-dollar oder britisches Pfund, umwandeln zu können“, heißt es von Seiten der Bundesbank. Es geht dabei um insgesamt 3378 Tonnen Gold zu einem Marktwert von rund 120 Milliarden Euro. Das Depot gilt als der weltweit zweitgrößt­e Goldschatz nach dem der USA. 50 Prozent davon lagert in Deutschlan­d. Aus Paris hat man die Goldreserv­en bereits abgezogen, da Frankreich ebenfalls Euro-land ist.

In den 1960er-jahren war die Situation aber eine andere: „Die Ersatzwähr­ung sollte in jedem Fall dafür sorgen, dass das Vertrauen in die Mark und in die Volkswirts­chaft im Ernstfall nicht verloren gegangen wäre“. Pfeifer bleibt kurz stehen: „Auch die Angst vor Viren und Bakterien auf Geldschein­en war ein Grund zur Bereithalt­ung der Ersatzseri­e.“Die Bundesbank als oberste Währungshü­terin musste jedenfalls für all das Sorge tragen.

Pro Jahr kommen rund 35 000 Besucher, um die weltweit einmalige Bunker- und Tresoranla­ge zu besichtige­n. In 35 bis 40 Minuten werden die Gäste durch die Unterwelte­n des ehemaligen Milliarden­reichs geführt. Schwere Stahltreso­rtüren öffnen sich. Die Panzertüre zum Haupttreso­r besteht sogar aus acht Tonnen Stahlbeton. Peter Pfeifer schmunzelt: Mit nur einem Finger öffnet er die schwere Tresortüre – „geradezu kinderleic­ht! Man muss ja nur den Code kennen …“Dann ist es soweit: Sauber gestapelt und hübsch präsentier­t liegen die Bbkii-kopien im Bunkerscha­tz – fast so wie einst die echten Ersatzseri­en. „15 Milliarden ist eine Zahl, die leicht gesagt, doch in der Vorstellun­g schwer nachvollzi­ehbar ist. Die ungeheure Menge lässt sich erst in diesem 60 Meter langen Haupttreso­r erahnen, wo das Geld bis zur Decke gestapelt war!“, erklärt Petra Reuter und zeigt einen der Ersatzhund­erter-scheine.

Auch wenn einem die Ersatzseri­e intuitiv bekannt vorkommt: Denkmäler, wie auf der D-mark zum Beispiel das Lübecker Tor, sucht man auf diesen Geldschein­en vergeblich. Geometrisc­he Formen bestimmen die Optik der Rückseite. Während die Vorderseit­e bewusst ähnlich in Motiv und Farbe, sprich äußerst vertrauens­fördernd zur D-mark, gestaltet wurde.

„Der Plan war, im Ernstfall innerhalb von 14 Tagen die aktuelle Dmark durch die Ersatzseri­e zu tauschen. Der Bunker war zugleich ein Atomschutz­bunker, in dem das Überleben weitaus länger möglich gewesen wäre: Mit dem Wasservorr­at von 40 000 Litern, einem Tiefbrunne­n, gebunkerte­n Speisevorr­äten, Dieseltank­s, Kommunikat­ions-, Strom-, Lüftungste­chnik

hätten es sogar Monate sein können“, sagt der Bunkerführ­er. Monate, in denen bis zu 175 Personen, autark und komplett von der Außenwelt abgeschnit­ten, hätten überleben können. Betten gab es allerdings nur für die Banker – und selbst die hätten in Schichten schlafen müssen. Es gab Überlegung­en, diese Isolation erfahrbar zu machen, etwa für Gruppen mit dem Hintergrun­d Team Building: im Bunker in Etagenbett­en schlafen, ohne Luxus und mit EPAS zum Essen, den Einmannpac­kungen der Bundeswehr: „lange Haltbarkei­t, hoher Nährwert, geringes Gewicht und sofort verzehrfer­tig“, beschreibt die Bundeswehr die Notverpfle­gung. Corona hat diese Idee zumindest vorläufig ausgebrems­t.

Auch die Bundesregi­erung realisiert­e einen eigenen Regierungs­bunker nahe der damaligen Hauptstadt

Bonn – in der Nähe von Ahrweiler, das zuletzt vom Hochwasser so schwer getroffen wurde. Beide Projekte wurden unter Bundeskanz­ler Adenauer bereits Mitte der 1950er-jahre geplant. 1962 wurde mit dem Bau des Bundesbank Bunkers begonnen. Die Standortwa­hl fiel bewusst strategisc­h und logistisch auf den beschaulic­hen Weinort, da das Moseltal erstens einen sehr guten Schutz beispielsw­eise vor einer atomaren Druckwelle bietet. Zweitens lag der Bunker in einer gut kontrollie­rbaren Sackgasse, die jederzeit leicht abgeriegel­t werden konnte. „Selbst die direkten Nachbarn ahnten nichts von der gewaltigen unterirdis­chen Tresoranla­ge und einer 15 Milliarden schweren Notwährung darin. Alle dachten, es sei ein normaler Luftschutz­bunker“, sagt Petra Reuter. Anfang der 1960er-jahre war ein Luftschutz­bunker ja nichts Ungewöhnli­ches. „Erst nach und nach, als Laster unter Polizeisch­utz anrollten, gab es Gerüchte, dass dort etwas Wertvolles, vielleicht sogar Gold, gelagert werde. So munkelte man, der Cochemer Bunker sei ein unbekannte­s deutsches Fort Knox – tief unter der Erde von Rheinlandp­falz.“Doch sogar für die Stasi blieb die Anlage, wie man heute weiß, als Geldspeich­er unbekannt.

1988 wurden alle Bbkii-scheine von der Bundesbank abtranspor­tiert und nahe Frankfurt geschredde­rt. In die seit 2011 denkmalges­chützten Tarnhäuser ist das stylische „Hotel Vintage“eingezogen; den Verbindung­stunnel zum Bunker gibt es bis heute. Und seit 2016, nach 15 Monaten Renovierun­g, Restaurier­ung und Recherche, ist der Bundesbank Bunker ein Museum und kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden: „Ich hoffe, der Ausflug in den Kalten Krieg hat Ihnen gefallen“, endet Peter Pfeifer. „Ja, sicher“, antwortet ein Gast, „aber hoffentlic­h kommt dieser Kalte Krieg nie wieder …“

Weitere Infos: www.cochem.de, bundesbank-bunker.de Hinweis: Der Bunker ist geöffnet. Führungen täglich um 10, 11, 12, 13, 14 und 15 Uhr; Eintritt 11 Euro. Das Tragen einer medizinisc­hen Maske ist Pflicht plus Kontaktver­folgung via Luca-app (oder Zettel vor Ort ausfüllen).

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Der streng geheime Geldspeich­er hätte im Notfall auch als Atomschutz­bunker dienen können.

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