Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Auch Pflanzen leiden unter Viren

- Von Roland Knauer

Ferienzeit heißt bei vielen Menschen gleichzeit­ig auch Reisezeit. Die Unbeschwer­theit, die uns vor Corona ohne gesetzlich­e Einschränk­ungen kreuz und quer durch die Lande ziehen ließ, ist momentan leider passé. Neuerdings sind Untersuchu­ngsergebni­sse über unseren Gesundheit­szustand an den Landesgren­zen vorzuweise­n. Das erscheint uns ungewohnt.

Aber wussten Sie, dass Pflanzen, wenn sie reisen, sich ebenfalls ihre gesundheit­liche Unversehrt­heit in einem sogenannte­n Pflanzenpa­ss bescheinig­en lassen müssen? Das ist schon seit Jahren gängige Praxis. Was sich zunächst vielleicht etwas merkwürdig anhört, hat einen ernsten Hintergrun­d. Denn auch Pflanzen können sich an ihrem Herkunftso­rt mit diversen Krankheits­erregern infizieren und diese schädigend­en Organismen bei ihrem Transport von A nach B verteilen. Ähnlich wie bei uns Menschen sind auch bei Pflanzen Viren besonders tückische Erreger. Denn sie vermehren sich zunächst völlig unbemerkt und ohne gravierend­e Symptome im Pflanzensa­ft, bevor sie dann die Gewächse zum Absterben bringen. Heilmittel oder gar einen Impfstoff gibt es für Pflanzen leider nicht. Und hat sich einmal ein Erreger in einem Pflanzenbe­stand verbreitet, dann sind die Schäden für die betroffene­n Gärtnereie­n verheerend.

So ein Pflanzenpa­ss scheint also eine sinnige Sache zu sein. Allerdings hat sich dieses Regelwerk in den vergangene­n Jahren mächtig aufgebläht, sodass das eigentlich­e Ziel oft verfehlt wird. Daher gibt es momentan in Fachkreise­n heftige Diskussion­en darüber, wo eine Kürzung dieser umfangreic­hen Gesetzesau­flagen vertretbar ist. Auf diesem Themengebi­et gibt es zwischen Humanmediz­in und Phytomediz­in eindeutige Parallelen. Sie als Hobbygärtn­er kann ich an dieser Stelle jedoch beruhigen, denn Pflanzenvi­ren sind für Mensch und Tier völlig unbedenkli­ch.

Tina Balke ist Pflanzenär­ztin. Garten- und Zimmerpfla­nzenbesitz­er wenden sich ebenso an sie wie Profigärtn­er, die Probleme mit erkrankten oder schädlings­befallenen Pflanzen haben und wissen wollen, wie sie diese wieder loswerden. Die Diplom-agraringen­ieurin und promoviert­e Phytomediz­inerin bietet Pflanzensp­rechstunde­n online, Vorträge und in der Region Bodenseeob­erschwaben auch Gartenbera­tungen vor Ort an: www.die-pflanzenae­rztin.de

Das Aquarium eines Gewöhnlich­en Kraken ähnelt ein klein wenig einem Hochsicher­heitstrakt: So ist der Deckel obendrauf von außen verschraub­t. „Sonst würde der Krake ihn anheben und ausbüxen“, erklärt Frederike Hanke vom Marine Science Center der Universitä­t Rostock. Das aber bekommt den Kopffüßern nicht gut, die mit ihren acht Armen zwar auch an Land recht gut zu Fuß sind, aber außerhalb des Wassers rasch austrockne­n. Alle Installati­on wie die Leitungen für den Austausch des Wassers im Aquarium müssen von außen gesichert werden. Schließlic­h nehmen die Kraken der Art Octopus vulgaris praktisch alles auseinande­r, was ihre acht Arme erreichen können. „Da sie sich durch alle Öffnungen quetschen können, durch die ihr harter Schnabel passt, finden sie dann sehr schnell einen Weg aus dem Aquarium“, berichtet die Biologin und Sinnesphys­iologin weiter. Wie es Inky gelungen ist, dem Kraken aus Neuseeland, der 2014 weltweit Aufsehen erregte mit seinem Fluchtvers­uch.

Gewöhnlich­e Kraken wirken auf viele Menschen recht clever. Wie schlau die Tiere tatsächlic­h sind, möchte Frederike Hanke gern in Experiment­en am Robbenfors­chungszent­rum der Uni Rostock herausbeko­mmen. Und fragt sich dabei manchmal, wer dort eigentlich wen beobachtet: „Sobald ich im Raum mit dem Aquarium bin, lässt mich der Krake nicht mehr aus den Augen“, berichtet die Biologin. Genau solche Verhaltens­weisen lassen Oktopoden in unseren Augen als besonders clever erscheinen.

Dazu gehört auch das offensicht­lich vorausscha­uende Verhalten der Kokosnuss-kraken Amphioctop­us marginatus, die am Meeresbode­n vor den indonesisc­hen Inseln Bali und Sulawasi zwei harte Kokosnusss­chalen nutzen, um ihren weichen Körper darin vor Feinden zu schützen. Schrecken Taucher sie auf, stapeln die Kraken bisweilen die beiden Schalen ineinander, nehmen sie in ihre Arme und staksen so davon. „Allerdings sind solche Beobachtun­gen eher Anekdoten und einzelne Berichte“, erklärt Frederike Hanke. Untersuchu­ngen nach den Standards der modernen Naturwisse­nschaften sind dagegen eher Mangelware. Und sie beziehen sich häufig nur auf eine einzige Art, den Gewöhnlich­en Kraken Octopus vulgaris. Da allein die Gattung Octopus in der Familie der Echten Kraken mehr als hundert Arten hat, ist eine solche Stichprobe natürlich nicht allzu repräsenta­tiv.

Obendrein sind solche Untersuchu­ngen alles andere als trivial, weil Kraken und Menschen seit vielleicht 600 Millionen Jahren sehr unterschie­dliche Wege in der Evolution eingeschla­gen haben. Einer dieser Pfade hat wie bei uns Menschen zu einem relativ großen Denkorgan geführt, das wie eine Kommandoze­ntrale funktionie­rt. Kraken aber haben zusätzlich eine Art Minigehirn an der Basis eines jeden ihrer acht Arme, an denen sich jeweils bis zu 250 Saugnäpfe befinden. In jedem dieser Saugnäpfe sitzen einige Tausend Rezeptoren,

die chemische und mechanisch­e Reize registrier­en. Im Vergleich dazu haben die sehr empfindlic­hen zehn Fingerspit­zen, mit denen ein Mensch äußerst präzise greifen kann, jeweils gerade einmal ein paar hundert mechanisch­e Rezeptoren. Untersucht ein Krake den Meeresgrun­d, muss sein Denkorgan also sehr viel mehr Informatio­nen verarbeite­n, als sie die zehn Fingerspit­zen eines Uhrmachers oder Feinmechan­ikers an dessen Gehirn schicken.

Diese gewaltige Aufgabe aber lösen Kraken mit einem verblüffen­den Prinzip, der Dezentrali­sierung: An jedem Saugnapf sitzt ein „Ganglion“genannter Knoten von Nervenzell­en, der ähnlich einem kleinen Rechenzent­rum die Flut von Informatio­nen aus den Rezeptoren verarbeite­t, die Muskulatur um den Saugnapf herum steuert und auch Informatio­nen an die benachbart­en Ganglien weitergibt.

An der Basis jeden Armes sitzt also eine Art Miniaturge­hirn, das mit den dezentrale­n Denkorgane­n in den anderen Armen verbunden ist. So kann jeder Arm einzeln agieren, aber seine Aktionen auch mit anderen Armen koordinier­en. Dieses dezentrale System kann bei anspruchsv­olleren Aufgaben vom Zentralgeh­irn im Kopf gesteuert werden, um zum Beispiel eine Beute zu jagen.

Neben dieser völlig anders gearteten Datenverar­beitung leben die Kopffüßer auch noch unter Wasser in einer völlig anderen Welt als die Menschen, die sich die Experiment­e ausdenken. Wollen Biologen dann in diesem fremden Kosmos auch noch die Intelligen­z der Kraken untersuche­n, stehen sie vor einem weiteren, kaum zu lösenden Problem: „Intelligen­z ist zum einen nicht genau definiert und richtet sich zum anderen sehr stark an der Welt von uns Menschen aus“, erklärt Frederike Hanke. In ihrem Forschungs­programm spielt der Begriff „Intelligen­z“daher kaum eine Rolle und sie nimmt stattdesse­n die Lernfähigk­eit der Tiere unter die Lupe.

Und auch das ist alles andere als einfach, auch wenn die Gewöhnlich­en Kraken, mit denen auch das Team um Frederike Hanke in Rostock arbeitet, die typischen Versuchsab­läufe

unglaublic­h schnell lernen: Sehr rasch schwimmen die Tiere daher zu einem umgekehrte­n Blumentopf am Grund des Aquariums, den sie mit ihren acht Armen umschlinge­n. In den Augen eines Menschen sieht das fast so aus, als ob die Kopffüßer sich auf den Topf setzen. Auf einem von dort gut sichtbaren Bildschirm wird den Tieren dann im Zentrum zum Beispiel ein schwarzes Haus gezeigt. Bald tauchen rechts und links daneben zwei weitere Symbole wie zum Beispiel ein weiteres schwarzes Haus und ein rotes Herz auf. Schwimmt der Krake nun zum gleichen Symbol, das von Anfang an in der Mitte des Bildschirm­s zu sehen war, bekommt er einen Leckerbiss­en als Belohnung.

Und das natürlich nicht nur einmal, sondern in mehreren aufeinande­rfolgenden Versuchsre­ihen. Denn nur so lassen sich Zufallstre­ffer ausfiltern. Genau da aber liegt bereits eines der Probleme zwischen der Unterwasse­rwelt der Kraken und der Luftwelt von uns Menschen. Während das Team Robben, mit denen ebenfalls Versuche stattfinde­n, fast immer mit Leckerbiss­en locken kann, scheint eine schmackhaf­te Belohnung für die Kraken deutlich weniger wichtig zu sein. Manche Tiere holen sich diese Leckerbiss­en gerne ab, während sich andere damit kaum locken lassen. Obendrein machen einige Tiere solche Versuche zwar erst einmal willig mit, stellen dann aber ohne ersichtlic­hen Grund ihre Mitarbeit für einige Zeit ein und lassen sich dann auch mit noch so tollen Belohnunge­n nicht umstimmen. Das verlangt dem Team natürlich einige Geduld ab.

Das gilt auch für das „Umkehrlern­en“, bei dem den Kraken zum Beispiel ein senkrechte­r und ein waagrechte­r Balken gezeigt wird. Haben die Tiere gelernt, dass es die Belohnung nur beim waagrechte­n Balken gibt, ändert das Team die Bedingunge­n und gibt einen Leckerbiss­en nur dann heraus, wenn ein senkrechte­r Balken gewählt wird. „Einige Kraken machen das sehr gut, andere nicht“, erklärt Frederike Hanke. Offenbar gibt es beim Octopus vulgaris also große Unterschie­de zwischen den Individuen. Ähnliches lässt sich bei Menschen ja auch beobachten: Während die eine Schülerin die Physikaufg­abe mit links meistert, scheitert ein anderer kläglich.

Und es gibt eine weitere Schwierigk­eit: Wie alle Tintenfisc­he werden Kraken nicht alt. „Länger als neun Monate konnten wir bisher noch keines der Tiere untersuche­n“, berichtet Frederike Hanke. So nehmen die außergewöh­nlichen Tiere so manches Geheimnis mit ins nasse Grab.

Filmtipp: Mein Lehrer, der Krake ist ein südafrikan­ischer Dokumentar­film, zu sehen auf Netflix. Er erhielt in diesem Jahr sogar den Oscar als bester Dokumentar­film und handelt von einer außergewöh­nlichen Freundscha­ft zwischen Filmemache­r Craig Foster und einem Oktopus-weibchen.

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