Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Auch Pflanzen leiden unter Viren
Ferienzeit heißt bei vielen Menschen gleichzeitig auch Reisezeit. Die Unbeschwertheit, die uns vor Corona ohne gesetzliche Einschränkungen kreuz und quer durch die Lande ziehen ließ, ist momentan leider passé. Neuerdings sind Untersuchungsergebnisse über unseren Gesundheitszustand an den Landesgrenzen vorzuweisen. Das erscheint uns ungewohnt.
Aber wussten Sie, dass Pflanzen, wenn sie reisen, sich ebenfalls ihre gesundheitliche Unversehrtheit in einem sogenannten Pflanzenpass bescheinigen lassen müssen? Das ist schon seit Jahren gängige Praxis. Was sich zunächst vielleicht etwas merkwürdig anhört, hat einen ernsten Hintergrund. Denn auch Pflanzen können sich an ihrem Herkunftsort mit diversen Krankheitserregern infizieren und diese schädigenden Organismen bei ihrem Transport von A nach B verteilen. Ähnlich wie bei uns Menschen sind auch bei Pflanzen Viren besonders tückische Erreger. Denn sie vermehren sich zunächst völlig unbemerkt und ohne gravierende Symptome im Pflanzensaft, bevor sie dann die Gewächse zum Absterben bringen. Heilmittel oder gar einen Impfstoff gibt es für Pflanzen leider nicht. Und hat sich einmal ein Erreger in einem Pflanzenbestand verbreitet, dann sind die Schäden für die betroffenen Gärtnereien verheerend.
So ein Pflanzenpass scheint also eine sinnige Sache zu sein. Allerdings hat sich dieses Regelwerk in den vergangenen Jahren mächtig aufgebläht, sodass das eigentliche Ziel oft verfehlt wird. Daher gibt es momentan in Fachkreisen heftige Diskussionen darüber, wo eine Kürzung dieser umfangreichen Gesetzesauflagen vertretbar ist. Auf diesem Themengebiet gibt es zwischen Humanmedizin und Phytomedizin eindeutige Parallelen. Sie als Hobbygärtner kann ich an dieser Stelle jedoch beruhigen, denn Pflanzenviren sind für Mensch und Tier völlig unbedenklich.
Tina Balke ist Pflanzenärztin. Garten- und Zimmerpflanzenbesitzer wenden sich ebenso an sie wie Profigärtner, die Probleme mit erkrankten oder schädlingsbefallenen Pflanzen haben und wissen wollen, wie sie diese wieder loswerden. Die Diplom-agraringenieurin und promovierte Phytomedizinerin bietet Pflanzensprechstunden online, Vorträge und in der Region Bodenseeoberschwaben auch Gartenberatungen vor Ort an: www.die-pflanzenaerztin.de
Das Aquarium eines Gewöhnlichen Kraken ähnelt ein klein wenig einem Hochsicherheitstrakt: So ist der Deckel obendrauf von außen verschraubt. „Sonst würde der Krake ihn anheben und ausbüxen“, erklärt Frederike Hanke vom Marine Science Center der Universität Rostock. Das aber bekommt den Kopffüßern nicht gut, die mit ihren acht Armen zwar auch an Land recht gut zu Fuß sind, aber außerhalb des Wassers rasch austrocknen. Alle Installation wie die Leitungen für den Austausch des Wassers im Aquarium müssen von außen gesichert werden. Schließlich nehmen die Kraken der Art Octopus vulgaris praktisch alles auseinander, was ihre acht Arme erreichen können. „Da sie sich durch alle Öffnungen quetschen können, durch die ihr harter Schnabel passt, finden sie dann sehr schnell einen Weg aus dem Aquarium“, berichtet die Biologin und Sinnesphysiologin weiter. Wie es Inky gelungen ist, dem Kraken aus Neuseeland, der 2014 weltweit Aufsehen erregte mit seinem Fluchtversuch.
Gewöhnliche Kraken wirken auf viele Menschen recht clever. Wie schlau die Tiere tatsächlich sind, möchte Frederike Hanke gern in Experimenten am Robbenforschungszentrum der Uni Rostock herausbekommen. Und fragt sich dabei manchmal, wer dort eigentlich wen beobachtet: „Sobald ich im Raum mit dem Aquarium bin, lässt mich der Krake nicht mehr aus den Augen“, berichtet die Biologin. Genau solche Verhaltensweisen lassen Oktopoden in unseren Augen als besonders clever erscheinen.
Dazu gehört auch das offensichtlich vorausschauende Verhalten der Kokosnuss-kraken Amphioctopus marginatus, die am Meeresboden vor den indonesischen Inseln Bali und Sulawasi zwei harte Kokosnussschalen nutzen, um ihren weichen Körper darin vor Feinden zu schützen. Schrecken Taucher sie auf, stapeln die Kraken bisweilen die beiden Schalen ineinander, nehmen sie in ihre Arme und staksen so davon. „Allerdings sind solche Beobachtungen eher Anekdoten und einzelne Berichte“, erklärt Frederike Hanke. Untersuchungen nach den Standards der modernen Naturwissenschaften sind dagegen eher Mangelware. Und sie beziehen sich häufig nur auf eine einzige Art, den Gewöhnlichen Kraken Octopus vulgaris. Da allein die Gattung Octopus in der Familie der Echten Kraken mehr als hundert Arten hat, ist eine solche Stichprobe natürlich nicht allzu repräsentativ.
Obendrein sind solche Untersuchungen alles andere als trivial, weil Kraken und Menschen seit vielleicht 600 Millionen Jahren sehr unterschiedliche Wege in der Evolution eingeschlagen haben. Einer dieser Pfade hat wie bei uns Menschen zu einem relativ großen Denkorgan geführt, das wie eine Kommandozentrale funktioniert. Kraken aber haben zusätzlich eine Art Minigehirn an der Basis eines jeden ihrer acht Arme, an denen sich jeweils bis zu 250 Saugnäpfe befinden. In jedem dieser Saugnäpfe sitzen einige Tausend Rezeptoren,
die chemische und mechanische Reize registrieren. Im Vergleich dazu haben die sehr empfindlichen zehn Fingerspitzen, mit denen ein Mensch äußerst präzise greifen kann, jeweils gerade einmal ein paar hundert mechanische Rezeptoren. Untersucht ein Krake den Meeresgrund, muss sein Denkorgan also sehr viel mehr Informationen verarbeiten, als sie die zehn Fingerspitzen eines Uhrmachers oder Feinmechanikers an dessen Gehirn schicken.
Diese gewaltige Aufgabe aber lösen Kraken mit einem verblüffenden Prinzip, der Dezentralisierung: An jedem Saugnapf sitzt ein „Ganglion“genannter Knoten von Nervenzellen, der ähnlich einem kleinen Rechenzentrum die Flut von Informationen aus den Rezeptoren verarbeitet, die Muskulatur um den Saugnapf herum steuert und auch Informationen an die benachbarten Ganglien weitergibt.
An der Basis jeden Armes sitzt also eine Art Miniaturgehirn, das mit den dezentralen Denkorganen in den anderen Armen verbunden ist. So kann jeder Arm einzeln agieren, aber seine Aktionen auch mit anderen Armen koordinieren. Dieses dezentrale System kann bei anspruchsvolleren Aufgaben vom Zentralgehirn im Kopf gesteuert werden, um zum Beispiel eine Beute zu jagen.
Neben dieser völlig anders gearteten Datenverarbeitung leben die Kopffüßer auch noch unter Wasser in einer völlig anderen Welt als die Menschen, die sich die Experimente ausdenken. Wollen Biologen dann in diesem fremden Kosmos auch noch die Intelligenz der Kraken untersuchen, stehen sie vor einem weiteren, kaum zu lösenden Problem: „Intelligenz ist zum einen nicht genau definiert und richtet sich zum anderen sehr stark an der Welt von uns Menschen aus“, erklärt Frederike Hanke. In ihrem Forschungsprogramm spielt der Begriff „Intelligenz“daher kaum eine Rolle und sie nimmt stattdessen die Lernfähigkeit der Tiere unter die Lupe.
Und auch das ist alles andere als einfach, auch wenn die Gewöhnlichen Kraken, mit denen auch das Team um Frederike Hanke in Rostock arbeitet, die typischen Versuchsabläufe
unglaublich schnell lernen: Sehr rasch schwimmen die Tiere daher zu einem umgekehrten Blumentopf am Grund des Aquariums, den sie mit ihren acht Armen umschlingen. In den Augen eines Menschen sieht das fast so aus, als ob die Kopffüßer sich auf den Topf setzen. Auf einem von dort gut sichtbaren Bildschirm wird den Tieren dann im Zentrum zum Beispiel ein schwarzes Haus gezeigt. Bald tauchen rechts und links daneben zwei weitere Symbole wie zum Beispiel ein weiteres schwarzes Haus und ein rotes Herz auf. Schwimmt der Krake nun zum gleichen Symbol, das von Anfang an in der Mitte des Bildschirms zu sehen war, bekommt er einen Leckerbissen als Belohnung.
Und das natürlich nicht nur einmal, sondern in mehreren aufeinanderfolgenden Versuchsreihen. Denn nur so lassen sich Zufallstreffer ausfiltern. Genau da aber liegt bereits eines der Probleme zwischen der Unterwasserwelt der Kraken und der Luftwelt von uns Menschen. Während das Team Robben, mit denen ebenfalls Versuche stattfinden, fast immer mit Leckerbissen locken kann, scheint eine schmackhafte Belohnung für die Kraken deutlich weniger wichtig zu sein. Manche Tiere holen sich diese Leckerbissen gerne ab, während sich andere damit kaum locken lassen. Obendrein machen einige Tiere solche Versuche zwar erst einmal willig mit, stellen dann aber ohne ersichtlichen Grund ihre Mitarbeit für einige Zeit ein und lassen sich dann auch mit noch so tollen Belohnungen nicht umstimmen. Das verlangt dem Team natürlich einige Geduld ab.
Das gilt auch für das „Umkehrlernen“, bei dem den Kraken zum Beispiel ein senkrechter und ein waagrechter Balken gezeigt wird. Haben die Tiere gelernt, dass es die Belohnung nur beim waagrechten Balken gibt, ändert das Team die Bedingungen und gibt einen Leckerbissen nur dann heraus, wenn ein senkrechter Balken gewählt wird. „Einige Kraken machen das sehr gut, andere nicht“, erklärt Frederike Hanke. Offenbar gibt es beim Octopus vulgaris also große Unterschiede zwischen den Individuen. Ähnliches lässt sich bei Menschen ja auch beobachten: Während die eine Schülerin die Physikaufgabe mit links meistert, scheitert ein anderer kläglich.
Und es gibt eine weitere Schwierigkeit: Wie alle Tintenfische werden Kraken nicht alt. „Länger als neun Monate konnten wir bisher noch keines der Tiere untersuchen“, berichtet Frederike Hanke. So nehmen die außergewöhnlichen Tiere so manches Geheimnis mit ins nasse Grab.
Filmtipp: Mein Lehrer, der Krake ist ein südafrikanischer Dokumentarfilm, zu sehen auf Netflix. Er erhielt in diesem Jahr sogar den Oscar als bester Dokumentarfilm und handelt von einer außergewöhnlichen Freundschaft zwischen Filmemacher Craig Foster und einem Oktopus-weibchen.