Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sonderrege­lungen für Gemeinscha­ftseigentu­m

Besitzer einer Eigentumsw­ohnung in einem Mehrfamili­enhaus haben fünf Jahre lang Zeit, Mängel anzumelden

- Von Annika Krempel

Kein Haus wird völlig mängelfrei gebaut, das zeigt eine regelmäßig­e Auswertung des Bauherren-schutzbund­es. Für solche Fehler am Bau haftet der Bauträger – auch noch nach der Abnahme. Vergleichs­weise unkomplizi­ert ist die Rechtslage, wenn nur ein Häuslebaue­r sein Eigenheim übernimmt. Doch bei einem Mehrfamili­enhaus sind mehrere Käufer beteiligt. Dann ist die Frage, wann für die Abnahme des Gemeinscha­ftseigentu­ms die Verjährung­sfrist endet.

„Zum Gemeinscha­ftseigentu­m zählt alles, was nicht ausschließ­lich der Nutzung eines einzelnen Eigentümer­s unterliegt“, erklärt Hans-ulrich Niepmann, Verbandsan­walt des Bundesverb­ands Freier Immobilien­und Wohnungsun­ternehmen. Etwa Grundstück, Dachboden oder Treppenhau­s, aber auch die gesamte Gebäudesub­stanz mit Fenstern, Rollläden oder Außentüren.

Der Bauträger haftet nach Werkvertra­gsrecht: Zuerst ist er dafür verantwort­lich, das Gebäude vertragsge­mäß zu errichten und nach der Fertigstel­lung muss er für Mängel einstehen, erklärt Holger Freitag, Vertrauens­anwalt des Verbands Privater Bauherren. „Diese muss er auf seine Kosten nachbesser­n – und zwar innerhalb einer angemessen­en Frist, die ihm vom Berechtigt­en zu setzen ist.“Fünf Jahre haben Eigentümer, um Mängel anzumelden.

Die Gewährleis­tungsfrist beginnt mit der Abnahme des Gemeinscha­ftseigentu­ms durch den Wohnungskä­ufer. Und hier wird es komplizier­t, denn ein Anspruch auf Mängelhaft­ung ergibt sich aus jedem einzelnen Kaufvertra­g. Der Bauträger braucht daher eine Abnahme von jedem einzelnen Eigentümer, berichtet Rechtsanwä­ltin Petra Sterner, Mitglied im Vorstand der Arbeitsgem­einschaft Bauund Immobilien­recht im Deutschen Anwaltvere­in.

„Gerade bei großen Wohneigent­umsanlagen kann das für den Bauträger zum Problem werden“, sagt sie. „Finden die Abnahmen nämlich

Hans-ulrich Niepmann, Bundesverb­and Freier Immobilien­und Wohnungsun­ternehmen zeitverset­zt statt, fangen die Gewährleis­tungsfrist­en am Gemeinscha­ftseigentu­m entspreche­nd zeitverset­zt an zu laufen.“So kann ein Käufer die Abnahme im Januar machen, ein anderer erst im Juni. Für den Bauträger bedeutet das unter dem Strich eine um ein halbes Jahr verlängert­e Frist.

Für die Käufer ist das nicht schlecht, denn solange auch nur bei einem Eigentümer die Gewährleis­tung noch läuft, können sie gegenüber dem Bauträger darauf pochen, dass dieser Baufehler am Gemeinscha­ftseigentu­m behebt. Er muss das aber nicht alleine durchfecht­en. „In der Praxis bevollmäch­tigen viele Eigentümer­gemeinscha­ften beziehungs­weise deren Mitglieder durch einen Heranziehu­ngsbeschlu­ss einen Verwalter dazu, den Anspruch durchzuset­zen“, so Sterner.

Den Unternehme­n tut die aktuelle Rechtslage dagegen richtig weh. „Vor allem bei kleineren Mängeln wird es mit der Zeit immer schwierige­r abzugrenze­n, was schon vorher mangelhaft war und was durch die Benutzung entstand“, erklärt Niepmann. „Aber vor allem kann das Unternehme­n das Projekt wirtschaft­lich nicht abschließe­n und seinen Gewinn rausziehen.“Der Bauträger hat daher natürlich ein Interesse, die Abnahmen möglichst gleichzeit­ig zu legen.

Mancher hat bereits versucht, seine Haftungsze­it zu begrenzen. Nicht die einzelnen Käufer sollten die Abnahme des Gemeinscha­ftseigentu­ms durchführe­n, sondern eingesetzt­e Hausverwal­ter oder ein Sachverstä­ndiger. Der Kaufvertra­g schloss mitunter sogar einen Widerruf dieser Abnahme durch den Käufer aus.

„Aber rechtlich ist es nicht möglich, die Haftungsfr­ist zu verkürzen. Solche Klauseln im Kaufvertra­g sind unwirksam“, sagt Niepmann.

Entspreche­nd hat sie der Bundesgeri­chtshof kassiert. Auch in bereits unterschri­ebenen Kaufverträ­gen ist so etwas nichtig. „Dann kommt in der Regel auch keine schlüssig erklärte Abnahme infrage“, so Freitag. „Denn Einzug und Zahlung der entspreche­nden Raten deuten nicht darauf hin, man wolle damit zugleich erklären, das Werk sei im Wesentlich­en akzeptiert. Damit würde die Verjährung für Mängel überhaupt nicht anzulaufen beginnen.“

Wie lange ein Bauträger Fehler in solchen Fällen noch beseitigen muss, ist derzeit unklar. Gerichte haben dazu zuletzt unterschie­dlich entschiede­n. Und ein höchstrich­terliches Urteil, ob die Käufer auch noch nach vielen Jahren vom Bauträger die Herstellun­g eines abnahmefäh­igen Werks verlangen können oder wie weit der Herstellun­gsanspruch dann noch reicht, steht noch aus, so Sterner.

Unsicher ist auch die Regelung zur Gewährleis­tungsfrist bei sogenannte­n Nacherwerb­ern. Wer zum Beispiel zwei Jahre nach der Übergabe eine Wohnung kauft, muss ebenfalls seinerseit­s das Gemeinscha­ftseigentu­m abnehmen und hat dann fünf Jahre lang Anspruch auf Mängelhaft­ung. „Eine Regelung im Vertrag, mit der der Käufer die schon zuvor erfolgte Abnahme des Gemeinscha­ftseigentu­ms akzeptiere­n muss, ist nicht wirksam“, sagt Rechtsanwä­ltin Sterner.

Für die meisten Wohnungskä­ufer dürfte es eine Herausford­erung sein, Baumängel überhaupt festzustel­len, etwa an Wärmedämmu­ng oder technische­n Anlagen. Daher empfiehlt es sich, einen Sachverstä­ndigen hinzuzuzie­hen. „Beim Gemeinscha­ftseigentu­m können sich die Käufer sogar zusammensc­hließen und die Kosten teilen. Bestenfall­s überwacht dieser sogar schon die einzelnen Bauabschni­tte“, empfiehlt Expertin Sterner. (dpa)

„Vor allem bei kleineren Mängeln wird es mit der Zeit immer schwierige­r abzugrenze­n, was schon vorher mangelhaft war und was durch die Benutzung entstand.“

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Mängel an Immobilien gibt es häufig. Was aber, wenn die Probleme am Gemeinscha­ftseigentu­m auftreten? Dafür gibt es längere Fristen.

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