Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Schlägerei vor Ulmer Club hat gravierende Folgen
Handyvideo zeigt den Schlag ins Gesicht – Doch wie es zum Streit kam, ist weiter unklar
- Im Oktober 2019 ist Corona noch weit weg. Auch für die Besucher eines Klubs in der Frauenstraße in Ulm. Das Lokal ist voll, die Besucher tanzen und feiern dicht an dicht. Dann begegnen sich zwei Gruppen, geraten in Streit. Weshalb, weiß später niemand mehr so genau. Vor der Tür geht das Gerangel weiter. Schließlich schlägt einer zu und ein Mann fällt bewusstlos zu Boden. Er ist schwer verletzt. Eindreiviertel Jahre später musste sich der Angreifer von damals vor dem Amtsgericht Neu-ulm verantworten.
Es war nur ein einziger Schlag, doch die Folgen für das Opfer waren schwerwiegend. Der heute 26-jährige Mann verlor kurzzeitig das Bewusstsein. Seine Nase war gebrochen, ebenso das linke Jochbein und die linke Kieferhöhlenwand. Er musste sich zwei Operationen unterziehen. Ihm wurde am Jochbein eine Metallplatte eingesetzt, die ein Jahr drin blieb. Der Mann war mehr als zwei Monate krankgeschrieben. Inzwischen sind die Verletzungen verheilt, manchmal tue es noch weh, sagt er als Zeuge vor Gericht.
Wie kam es im Herbst vor zwei Jahren zu der Eskalation des Streits? Der 26-Jährige, der eigenen Angaben zufolge extra für die Verhandlung aus dem Kosovo angereist ist, kann es sich nicht recht erklären. Den Angeklagten kenne er nicht. „Ich bin da ja nicht hin, um mich zu prügeln.“
Wie der Zeuge aussagt, sei es bereits im Klub zu einer Auseinandersetzung gekommen. Ihm sei jemand auf den Fuß getreten, er habe gefragt, was das soll, schon sei die Stimmung aufgeheizt gewesen. „Sie waren zu fünft und aggressiv. Ich habe versucht, mich zu wehren, aber keine Chance.“
Schließlich wurden beide Gruppen von der Security vor die Tür gesetzt.
Wie es dann weitergegangen sei, daran könne er sich nicht erinnern, sagt das Opfer. Allerdings wurde ihm später ein Handy-video gezeigt, auf dem das Geschehen zu sehen ist. „Auf dem Video sieht man, wie er mir eine verpasst. Der Schlag war so hart.“Er sei erst im Bundeswehrkrankenhaus wieder richtig zu sich gekommen.
Der Angeklagte, ein heute 20-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis Neu-ulm, räumt den Faustschlag ein. Allerdings schildert er, dass er selbst in der Disco angegangen worden sei. „Ich bin nicht da, um Stress zu machen“, so der junge Mann. Ihm sei ins Gesicht geschlagen worden und man habe auf ihn eingetreten. Weshalb es zum Streit gekommen sei? „Das weiß ich bis heute nicht. Ich kenne ihn ja nicht.“
Vor dem Club habe das spätere Opfer schon auf ihn gewartet und ihn weiterhin beleidigt. „In dem Moment hatte ich einfach Angst, dass er mich noch mal schlägt“, so der Angeklagte. Da habe er selbst zugeschlagen.
Ein inzwischen pensionierter Polizist, der damals die Vernehmungen durchgeführt hat, sagt als Zeuge aus: Was im Klub passiert sei, wer wen geschlagen habe, sei unklar. „Das muss ein ziemliches Durcheinander gewesen sein.“Der Angeklagte ist nicht vorbestraft, auch nach dem Vorfall im Oktober 2019 hat er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen. „Er hat im Gespräch einen sehr guten Eindruck gemacht“, sagt die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Sowohl Staatsanwalt Pierre Weber als auch der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Uwe Böhm, plädieren dafür, den Angeklagten nach Jugendstrafrecht zu verurteilen und ihm eine Geldauflage aufzuerlegen.
Dem folgt Jugendrichter Bernhard Lang. Der Angeklagte wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Er muss 850 Euro an den Förderkreis für tumor- und leukämiekranke Kinder Ulm zahlen. Das Opfer habe durch den Faustschlag gravierende Verletzungen erlitten und noch Glück gehabt, dass seine Augen unversehrt geblieben seien.
Zugunsten des Angeklagten wertete Lang dessen Geständnis und die Tatsache, dass er nicht vorbestraft sei. Es lägen keine schädlichen Neigungen vor. „Wir haben hier ein einziges Fehlverhalten.“Der Angeklagte sei zudem nicht davon ausgegangen, dass der Schlag so erhebliche Folgen haben würde. Das Urteil ist rechtskräftig. Ob der 20-Jährige an das Opfer Schmerzensgeld zahlen muss, wird möglicherweise ein Zivilgericht entscheiden.