Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Schlägerei vor Ulmer Club hat gravierend­e Folgen

Handyvideo zeigt den Schlag ins Gesicht – Doch wie es zum Streit kam, ist weiter unklar

- Von Michael Ruddigkeit

- Im Oktober 2019 ist Corona noch weit weg. Auch für die Besucher eines Klubs in der Frauenstra­ße in Ulm. Das Lokal ist voll, die Besucher tanzen und feiern dicht an dicht. Dann begegnen sich zwei Gruppen, geraten in Streit. Weshalb, weiß später niemand mehr so genau. Vor der Tür geht das Gerangel weiter. Schließlic­h schlägt einer zu und ein Mann fällt bewusstlos zu Boden. Er ist schwer verletzt. Eindreivie­rtel Jahre später musste sich der Angreifer von damals vor dem Amtsgerich­t Neu-ulm verantwort­en.

Es war nur ein einziger Schlag, doch die Folgen für das Opfer waren schwerwieg­end. Der heute 26-jährige Mann verlor kurzzeitig das Bewusstsei­n. Seine Nase war gebrochen, ebenso das linke Jochbein und die linke Kieferhöhl­enwand. Er musste sich zwei Operatione­n unterziehe­n. Ihm wurde am Jochbein eine Metallplat­te eingesetzt, die ein Jahr drin blieb. Der Mann war mehr als zwei Monate krankgesch­rieben. Inzwischen sind die Verletzung­en verheilt, manchmal tue es noch weh, sagt er als Zeuge vor Gericht.

Wie kam es im Herbst vor zwei Jahren zu der Eskalation des Streits? Der 26-Jährige, der eigenen Angaben zufolge extra für die Verhandlun­g aus dem Kosovo angereist ist, kann es sich nicht recht erklären. Den Angeklagte­n kenne er nicht. „Ich bin da ja nicht hin, um mich zu prügeln.“

Wie der Zeuge aussagt, sei es bereits im Klub zu einer Auseinande­rsetzung gekommen. Ihm sei jemand auf den Fuß getreten, er habe gefragt, was das soll, schon sei die Stimmung aufgeheizt gewesen. „Sie waren zu fünft und aggressiv. Ich habe versucht, mich zu wehren, aber keine Chance.“

Schließlic­h wurden beide Gruppen von der Security vor die Tür gesetzt.

Wie es dann weitergega­ngen sei, daran könne er sich nicht erinnern, sagt das Opfer. Allerdings wurde ihm später ein Handy-video gezeigt, auf dem das Geschehen zu sehen ist. „Auf dem Video sieht man, wie er mir eine verpasst. Der Schlag war so hart.“Er sei erst im Bundeswehr­krankenhau­s wieder richtig zu sich gekommen.

Der Angeklagte, ein heute 20-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis Neu-ulm, räumt den Faustschla­g ein. Allerdings schildert er, dass er selbst in der Disco angegangen worden sei. „Ich bin nicht da, um Stress zu machen“, so der junge Mann. Ihm sei ins Gesicht geschlagen worden und man habe auf ihn eingetrete­n. Weshalb es zum Streit gekommen sei? „Das weiß ich bis heute nicht. Ich kenne ihn ja nicht.“

Vor dem Club habe das spätere Opfer schon auf ihn gewartet und ihn weiterhin beleidigt. „In dem Moment hatte ich einfach Angst, dass er mich noch mal schlägt“, so der Angeklagte. Da habe er selbst zugeschlag­en.

Ein inzwischen pensionier­ter Polizist, der damals die Vernehmung­en durchgefüh­rt hat, sagt als Zeuge aus: Was im Klub passiert sei, wer wen geschlagen habe, sei unklar. „Das muss ein ziemliches Durcheinan­der gewesen sein.“Der Angeklagte ist nicht vorbestraf­t, auch nach dem Vorfall im Oktober 2019 hat er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen. „Er hat im Gespräch einen sehr guten Eindruck gemacht“, sagt die Vertreteri­n der Jugendgeri­chtshilfe. Sowohl Staatsanwa­lt Pierre Weber als auch der Verteidige­r des Angeklagte­n, Rechtsanwa­lt Uwe Böhm, plädieren dafür, den Angeklagte­n nach Jugendstra­frecht zu verurteile­n und ihm eine Geldauflag­e aufzuerleg­en.

Dem folgt Jugendrich­ter Bernhard Lang. Der Angeklagte wird wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung verurteilt. Er muss 850 Euro an den Förderkrei­s für tumor- und leukämiekr­anke Kinder Ulm zahlen. Das Opfer habe durch den Faustschla­g gravierend­e Verletzung­en erlitten und noch Glück gehabt, dass seine Augen unversehrt geblieben seien.

Zugunsten des Angeklagte­n wertete Lang dessen Geständnis und die Tatsache, dass er nicht vorbestraf­t sei. Es lägen keine schädliche­n Neigungen vor. „Wir haben hier ein einziges Fehlverhal­ten.“Der Angeklagte sei zudem nicht davon ausgegange­n, dass der Schlag so erhebliche Folgen haben würde. Das Urteil ist rechtskräf­tig. Ob der 20-Jährige an das Opfer Schmerzens­geld zahlen muss, wird möglicherw­eise ein Zivilgeric­ht entscheide­n.

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FOTO:HILDENBRAN­D Ein Streit vor einem Ulmer Klub beschäftig­te nun die Justiz.

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