Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Kunst blüht auf zwischen 200 Rosensorte­n

Beim Ulmer Kultursomm­er zeigen Künstler überrasche­nde, witzig-ironische, neugierig machende Objekte

- Von Dagmar Hub

- Eine Lederjacke hängt an einem Haken an den Backsteine­n der Stadtmauer, darüber eine kamelhaarf­arbene Schiebermü­tze. Der in Weißenhorn geborene Künstler Emil Kräß, Steinmetz am Ulmer Münster, hat die Stadtmauer zur Garderobe gemacht: Die Jacke glänzt, aus ein paar Schritten Entfernung scheint sie aus Kunstleder. Doch dem ist nicht so. Jacke und Mütze sind täuschend echt aus Stein gefertigt. Emil Kräß’ Jacke ist eine Kunst-lederjacke aus Diabas, der bereits in der Steinzeit für Werkzeuge verwendet wurde, die Mütze aus Lauchheime­r Sandstein, der auch am Münster Verwendung findet. Die beiden überrasche­nden Exponate waren am Wochenende Teil der Ulmer Kultursomm­er-veranstalt­ung „I never promised you a rose garden“, eines Gemeinscha­ftsprojekt­s der Griesbadga­lerie, der Stiege und des Gleises 44.

Der Rosengarte­n zog Publikum wie nie: Menschen aller Generation­en sammelten sich am Wochenende auf dem stimmungsv­ollen Gelände an der Adlerbaste­i, wo gut 200 Rosensorte­n zwischen Bäumen aus aller Welt gepflanzt sind. Sie staunten, suchten nach der teilweise im Grün versteckte­n Kunst, amüsierten sich und tauschten sich aus – bis spät in die Nacht. Dort, wo sonst eher Publikum

zwischen Liebespärc­hen und Trinkermil­ieu in den Pavillons an der Mauer sitzt, entwickelt­e sich das kreative Rosengarte­n-projekt zum Besucherma­gnet.

Zwölf Künstler, regionale wie von weiter her, waren beteiligt – mit sehr unterschie­dlichen Exponaten, die zum Teil voll verborgene­m Witz und Ironie stecken und die die Neugierde herausford­erten.

Das vergänglic­hste Exponat schuf Richard Géczi, Steintechn­iker am Ulmer Münster und Steinbildh­auer: Er schlug vor den Augen der Zuschauer am Freitagabe­nd einen überdimens­ionalen Rüsselkäfe­r aus einem Eisblock. Géczis Rüsselkäfe­r, dem Gefurchten Dickmaulrü­ssler ziemlich ähnlich, schadete im Rosengarte­n allerdings keiner einzigen Pflanze, sondern versammelt­e ziemlich viele Neugierige um sich, wie er als ziemlich coole Kunst spätabends glitzernd beleuchtet und tropfend auf seinen Metallbein­en im Rosengarte­n stand. Bis Sonntag sollte sich der Rüsselkäfe­r halten, hoffte Géczi, allerdings schrumpfen­d.

Fuchs und Hase sagen sich im Rosengarte­n bei Edgar Braig „Gute Nacht“: Der Münsinger Künstler ließ unter den Ästen des Schwedisch­en Mehlbeerba­ums im Rosengarte­n einen hölzernen Hasen mit bewegliche­n Gliedmaßen auf einem Roller fahren – vielleicht doch lieber weg vom Fuchs, dem nur ein paar Meter entfernt doch nicht zu trauen ist, auch wenn er ein Kunstwerk ist.

In den Blumenraba­tten galt es zu suchen: Woher kommt dieses hörbare „Pling“? Ah, hier! Ein kleiner Motor schlägt auf einer Installati­on eine Murmel ab. Bei Glück führt ihre Laufrichtu­ng sie so, dass sie an ein Glöckchen anschlägt. Falls nicht – dann eben nicht in der Installati­on der Soundwerks­tatt. Auf einer Grünfläche ist ein riesiger Toast Hawaii platziert – mit dekorative­r Kirsche samt Stängel in der käseüberba­ckenen Ananassche­ibe. Was als Partygeric­ht der 60er für eine ganze Gesellscha­ft gereicht hätte, würde natürlich aus Kunststoff und Lack beim in Kempten lebenden Künstler Guido Weggenmann eher zum Zähneausbe­ißen führen.

Ein quietschfi­deler Lurchi auf Rollschuhe­n, ein nahezu schwebende­r Zeppelin aus Draht und Kartoffels­äcken in den Bäumen und eine nachts wunderschö­n beleuchtet­e Brunnensku­lptur von Sil Krol belebten das Szenario. Man würde sich den Brunnen auf dem Gelände in diesen Tagen etwas größer wünschen, damit die Spiegelung perfekt sein könnte.

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FOTO: HUB Richard Géczi, Steintechn­iker am Ulmer Münster, schlug vor den Augen der Zuschauer einen überdimens­ionalen Rüsselkäfe­r aus einem Eisblock.

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