Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Vertrauen ins eigene Markenzeichen
Der VFB Stuttgart startet mit viel Zuversicht und großen Personalsorgen in die Saison
- Eine klare Schwäche hat Pellegrino Matarazzo schon vor dem Start in die neue Bundesligasaison ausgemacht. „Ich habe mir schon überlegt, ob ich Stimmtraining nehme. Ich erreiche die Spieler auf der anderen Seite gar nicht mehr“, sagt der Trainer des VFB Stuttgart mit einem verschmitzten Lächeln. Es ist sein bekannter feinsinniger Humor, mit dem der Italo-amerikaner seine Vorfreude auf die neue Spielzeit ausdrückt. Endlich wieder Fans. „Die Spieler freuen sich extrem auf die Atmosphäre und Emotionen. Das ist einfach ein ganz anderes Gefühl, als in einem leeren Stadion zu spielen“, sagt der 43-Jährige, dem die Euphorie vor dem Auftaktmatch gegen Aufsteiger Greuther Fürth am Samstag (15.30 Uhr/sky) deutlich anzusehen ist – auch wenn er nun gegen Tausende andere Kehlen anschreien muss.
Bis zu 23 500 Zuschauer sind aktuell in der Mercedes-benz-arena wieder erlaubt, bis Donnerstag wurden allerdings erst 17 000 Tickets verkauft. Die Corona-sorgen sind nach wie vor präsent, Massenveranstaltungen vielen Menschen noch zu riskant. An den Leistungen der jungen Stuttgarter Truppe in der Vorsaison kann die Zurückhaltung der Anhänger schließlich kaum liegen. Als Aufsteiger verzückte die Brustringtruppe mit ihrem schnellen Offensivfußball die Liga und schnupperte zeitweise sogar an den internationalen Rängen.
Sind diese nach Platz neun im Vorjahr nun also das logische Ziel für die neue Saison? Keineswegs. „Schritt zwei nach dem Klassenerhalt ist der Klassenerhalt“, betonte kürzlich Sportdirektor Sven Mislintat. Für die Schwaben gehe es in erster Linie darum, das schwierige zweite Jahr nach dem Wiederaufstieg ohne große Abstiegssorgen zu bestehen. „Wir sind ein gebranntes Kind, nachdem wir nach dem Aufstieg 2017 und Platz sieben in 2018 ein Jahr später wieder abgestiegen sind.“Das soll in dieser Spielzeit nicht erneut passieren.
Und die Voraussetzungen sind gut. Schließlich setzt der VFB weitgehend auf Kontinuität – sowohl im Kader als auch in Sachen Strategie. Im Großen und Ganzen gehen die Stuttgarter mit ähnlicher Besetzung in die neue Spielzeit wie bereits im Vorjahr. Mit den prominentesten Abgängen von Stürmer Nicolas González (AC
Florenz) und Torhüter Gregor Kobel (Borussia Dortmund) muss der VFB allerdings auf zwei Leistungsträger verzichten. Auch Ex-kapitän Gonzalo Castro, dessen Vertrag nicht verlängert wurde, wird mit seiner Erfahrung zunächst fehlen, bis sich neue Führungsspieler gefunden haben. Mit Florian Müller haben die Schwaben einen guten Ersatz für die Torhüter-position gefunden.
Zudem setzen die Süddeutschen weiterhin auf junge Talente: Der 23jährige Chris Führich kam vom SC Paderborn 07, Ömer Beyaz (17) von Fenerbahce, Naouirou Ahamada (19) wurde nach Leihe fest von Juventus Turin verpflichtet. „Jünger kaufen und entwickeln, das ist der Schlüssel“, erklärte Mislintat die Stuttgarter Strategie im
„Wir werden hoffentlich weiter offensiv und mutig bleiben. Ich gehe davon aus, dass das unser Markenzeichen bleibt.“
„Kicker“. „Das ist die Konsequenz unseres Handelns, unserer Philosophie, die sich aus den Rahmenbedingungen ergibt, unter denen wir arbeiten.“
Auch auf dem Platz bleibt die Philosophie unverändert. „Wir werden hoffentlich weiter offensiv und mutig bleiben. Ich gehe davon aus, dass das unser Markenzeichen bleibt“, sagt Matarazzo. „Immer ans Limit gehen, das hat uns ausgezeichnet in der Vergangenheit. Dass wir Energie investieren in jeder Trainingsund Spielminute. Wir wollen immer Gas geben.“Dabei muss der Trainer aber vorerst auf seinen Topstürmer Sasa Kalajdzic verzichten. Obwohl die häusliche Quarantäne für ihn am Donnerstag eigentlich abgelaufen war, wurde der österreichische Nationalspieler
Pellegrino Matarazzo
erneut positiv auf Covid getestet. Der 24-Jährige wird damit ebenso wie die noch isolierten Corona-fälle Tanguy Coulibaly und Nikolas Nartey noch länger fehlen.
Für Matarazzo beginnt seine zweite Bundesligasaison also mit einem komplizierten Personalpuzzle, weil auch Flügelspieler Roberto Massimo nach einem Schlag auf das Fußgelenk auszufallen droht. Silas Katompa Mvumpa wird trotz guter Fortschritte in der Reha nach seinem Kreuzbandriss nicht vor November zurückkehren. Immerhin kann der Trainer wieder auf seinen Anführer setzen. Obwohl der neue Kapitän Wataru Endo nach seinem Olympiaeinsatz mit Japan erst am Dienstag ins Training zurückgekehrt war, könnte er am Samstag schon wieder von Anfang an spielen. „Ich habe das Gefühl, dass er nie weg war. Er tut der Mannschaft einfach gut mit seiner Energie“, sagt Matarazzo, der selbst viel positive Energie ausstrahlt. Jetzt muss nur noch die Stimme mitspielen.