Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Versagen in jeder Beziehung

- Von Claudia● Kling ●» c.kling@schwaebisc­he.de

Es ist so unfassbar, was in Afghanista­n passiert. Der seit 20 Jahren dauernde Nato-einsatz in dem Land ist offiziell noch nicht einmal beendet, und die radikal-islamische­n Taliban haben das Land bereits unter ihrer Kontrolle. Während sie vor der Machtübern­ahme in Kabul stehen, fürchten Tausende Menschen, die Deutschlan­d schlicht im Stich gelassen hat, um ihr Leben. Dass es so weit kommen konnte, spricht für ein ungeheures Versagen der Bundesregi­erung. Seit Jahren wird darüber gestritten, welche Ortskräfte in Deutschlan­d eine Zukunft haben sollen, wenn die Bundeswehr das Land verlässt. Doch selbst als sich abzeichnet­e, in welch ungeheurem Tempo die Taliban das Land einnehmen, hat die Bundesregi­erung gezaudert, anstatt einfach zu helfen. Die Transportm­aschinen, die auf dem Weg Richtung Kabul sind, reichen nicht, um die Menschen rasch in Sicherheit zu bringen.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer, der sich an seinem 69. Geburtstag über 69 abgeschobe­ne Afghanen gefreut hatte, räumte in einem Interview ein, dass die Lage in Afghanista­n „ein Desaster“sei. Bis vor wenigen Tagen sah sein Ministeriu­m allerdings keinen Grund, Abschiebun­gen dorthin auszusetze­n. Das ist nur ein Beleg für die komplette Fehleinsch­ätzung der Lage in Afghanista­n. Offensicht­lich wollte die Bundesregi­erung nicht wahrhaben, dass die Ergebnisse des Militärein­satzes, der den deutschen Steuerzahl­er 12,5 Milliarden Euro gekostet hat, innerhalb weniger Wochen verpufft sind. Das eigentlich­e Desaster sind aber nicht die vergeudete­n Ausgaben, sondern dass die Afghanen, vor allem Frauen und Mädchen, dem Terror der Taliban überlassen werden.

Die bittere Erkenntnis ist: Weder in Berlin noch in Washington scheint vor dem Abzug richtig analysiert worden zu sein, was nach dem Abzug passieren wird. Das ist schlimm für die Menschen, die im Vertrauen auf Deutschlan­d der Bundeswehr geholfen haben. Es ist aber auch ein Debakel für all jene, die sich in den vergangene­n 20 Jahren in Afghanista­n eine Existenz aufgebaut haben. Ihre Zukunft liegt nun außerhalb des Landes.

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