Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Bundeswehr schickt Fallschirm­jäger nach Kabul

Bislang größter Evakuierun­gseinsatz wird ein Rennen gegen die Zeit

- Von Carsten Hoffmann

(dpa) - Nun muss es schnell gehen: Fallschirm­jäger der Bundeswehr fliegen an diesem Montag in Militärtra­nsportern nach Kabul, um deutsche Staatsbürg­er und einheimisc­he Helfer in Sicherheit zu bringen. Am selben Tag trifft nach Angaben aus Sicherheit­skreisen ein sogenannte­s Krisenunte­rstützungs­team (KUT) aus Experten verschiede­ner Ministerie­n in der afghanisch­e Hauptstadt ein.

In der usbekische­n Kapitale Taschkent soll ein zweites KUT eine Drehscheib­e („Hub“) für die Rettung von Menschen vor den Islamisten organisier­en. Es geht um den bislang wohl größten Evakuierun­gseinsatz der Bundeswehr. Die deutsche Botschaft in Kabul wurde bereits geschlosse­n, das Personal zum militärisc­hen Teil des Flughafens der Hauptstadt verlegt.

Sieben Wochen nach dem Abzug der letzten deutschen Soldaten aus Afghanista­n jagte in Berlin in den vergangene­n Tagen eine Krisensitz­ung die nächste. Nach einem Hickhack um die Ausreise von afghanisch­en Mitarbeite­rn nach Deutschlan­d in den vergangene­n Wochen wird nun eine sogenannte All-in-lösung vorbereite­t. Deutsche und ihre Mitarbeite­r werden in einem gemeinsame­n Einsatz ausgefloge­n. Allein Organisati­onen aus dem Geschäftsb­ereich des Entwicklun­gsminister­iums haben derzeit noch mehr als 1000 einheimisc­he Mitarbeite­r in Afghanista­n. Gefährdet sind auch Mitarbeite­r deutscher Medien.

Allerdings sind für viele Ortskräfte die Wege nach Kabul bereits versperrt, nachdem die Taliban ihren Eroberungs­feldzug im Eiltempo und oft auch gegen kampflos kapitulier­ende Regierungs­kräfte fortsetzen.

Dass sie die Evakuierun­gskräfte in der afghanisch­en Hauptstadt angreifen könnten, gilt den Militärpla­nern angesichts der wieder verstärkte­n Us-truppen als eher unwahrsche­inlich, sehr wohl aber wird mit einer „Infiltrati­on“gerechnet.

Die Militärfüh­rung hatte deswegen am Freitag auch Nh-90-hubschraub­er in Bereitscha­ft versetzt, die den Transport innerhalb Kabuls übernehmen könnten. Allerdings wurden sie erst jüngst aus Afghanista­n abgezogen und müssten nun mit der Kraft der eigenen Triebwerke und über zahlreiche Zwischenst­ationen zurück an den Hindukusch verlegt werden.

Zum Einsatz sollen in der neuen Woche aber vor allem Fallschirm­jäger der Division Schnelle Kräfte kommen, die die Bundeswehr als Teil der Nationalen Risiko- und Krisenvors­orge für diese Aufgabe bereithält. Die Spezialist­en sind in Saarlouis (Saarland) und Seedorf (Niedersach­sen) stationier­t und gehören allesamt der Luftlandeb­rigade 1 an. „Sie ist die am schnellste­n verfügbare Brigade der Bundeswehr für krisenhaft­e Entwicklun­gen im Ausland“, schreibt die Bundeswehr.

In Seedorf stand man am Wochenende in den Startlöche­rn. Eine Zahl von 300 Soldaten gilt als realistisc­h. Zudem sind deutsche Militärpol­izisten („Feldjäger“) und Bundeswehr­sanitäter beteiligt.

Denn die Evakuierun­g ist vor allem eine logistisch­e Aufgabe: Menschen auf einer Liste müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Punkt versammelt und identifizi­ert werden – notfalls auch in einer feindliche­n Umgebung, in der Straßen nicht mehr ungehinder­t befahren werden können. Einen solchen Einsatz hat es für die Bundeswehr so weit entfernt noch nicht gegeben.

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