Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bundeswehr schickt Fallschirmjäger nach Kabul
Bislang größter Evakuierungseinsatz wird ein Rennen gegen die Zeit
(dpa) - Nun muss es schnell gehen: Fallschirmjäger der Bundeswehr fliegen an diesem Montag in Militärtransportern nach Kabul, um deutsche Staatsbürger und einheimische Helfer in Sicherheit zu bringen. Am selben Tag trifft nach Angaben aus Sicherheitskreisen ein sogenanntes Krisenunterstützungsteam (KUT) aus Experten verschiedener Ministerien in der afghanische Hauptstadt ein.
In der usbekischen Kapitale Taschkent soll ein zweites KUT eine Drehscheibe („Hub“) für die Rettung von Menschen vor den Islamisten organisieren. Es geht um den bislang wohl größten Evakuierungseinsatz der Bundeswehr. Die deutsche Botschaft in Kabul wurde bereits geschlossen, das Personal zum militärischen Teil des Flughafens der Hauptstadt verlegt.
Sieben Wochen nach dem Abzug der letzten deutschen Soldaten aus Afghanistan jagte in Berlin in den vergangenen Tagen eine Krisensitzung die nächste. Nach einem Hickhack um die Ausreise von afghanischen Mitarbeitern nach Deutschland in den vergangenen Wochen wird nun eine sogenannte All-in-lösung vorbereitet. Deutsche und ihre Mitarbeiter werden in einem gemeinsamen Einsatz ausgeflogen. Allein Organisationen aus dem Geschäftsbereich des Entwicklungsministeriums haben derzeit noch mehr als 1000 einheimische Mitarbeiter in Afghanistan. Gefährdet sind auch Mitarbeiter deutscher Medien.
Allerdings sind für viele Ortskräfte die Wege nach Kabul bereits versperrt, nachdem die Taliban ihren Eroberungsfeldzug im Eiltempo und oft auch gegen kampflos kapitulierende Regierungskräfte fortsetzen.
Dass sie die Evakuierungskräfte in der afghanischen Hauptstadt angreifen könnten, gilt den Militärplanern angesichts der wieder verstärkten Us-truppen als eher unwahrscheinlich, sehr wohl aber wird mit einer „Infiltration“gerechnet.
Die Militärführung hatte deswegen am Freitag auch Nh-90-hubschrauber in Bereitschaft versetzt, die den Transport innerhalb Kabuls übernehmen könnten. Allerdings wurden sie erst jüngst aus Afghanistan abgezogen und müssten nun mit der Kraft der eigenen Triebwerke und über zahlreiche Zwischenstationen zurück an den Hindukusch verlegt werden.
Zum Einsatz sollen in der neuen Woche aber vor allem Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte kommen, die die Bundeswehr als Teil der Nationalen Risiko- und Krisenvorsorge für diese Aufgabe bereithält. Die Spezialisten sind in Saarlouis (Saarland) und Seedorf (Niedersachsen) stationiert und gehören allesamt der Luftlandebrigade 1 an. „Sie ist die am schnellsten verfügbare Brigade der Bundeswehr für krisenhafte Entwicklungen im Ausland“, schreibt die Bundeswehr.
In Seedorf stand man am Wochenende in den Startlöchern. Eine Zahl von 300 Soldaten gilt als realistisch. Zudem sind deutsche Militärpolizisten („Feldjäger“) und Bundeswehrsanitäter beteiligt.
Denn die Evakuierung ist vor allem eine logistische Aufgabe: Menschen auf einer Liste müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Punkt versammelt und identifiziert werden – notfalls auch in einer feindlichen Umgebung, in der Straßen nicht mehr ungehindert befahren werden können. Einen solchen Einsatz hat es für die Bundeswehr so weit entfernt noch nicht gegeben.