Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Tricksen an der Börse
Insiderhandel gehört zu den verbotenen Aktiengeschäften und ist ein Straftatbestand
- Als Carsten Kengeter 2015 Aktien der Deutschen Börse AG über 4,5 Millionen Euro kaufte, wähnte er sich wohl auf der sicheren Seite. War diese Transaktion doch ein Deal im Rahmen des Vergütungsprogramms des damaligen Chefs der Deutschen Börse. Dumm war nur, dass zwei Monate später die Fusionspläne mit der Londoner Börse LSE öffentlich wurden und der Kurs der Deutschen Börse in die Höhe schoss. Hatte Kengeter als Vorstandschef also sein Insiderwissen über eine bevorstehende Veröffentlichung der Fusionspläne illegal genutzt, um Kasse zu machen?
Grundsätzlich liegt Insiderhandel vor, wenn Personen Kenntnis von einer Insiderinformation haben und aufgrund dieses Wissens Papiere des betroffenen Unternehmens erwerben oder veräußern, um sich so einen wirtschaftlichen Sondervorteil zu verschaffen. Eine Insiderinformation ist jede nicht öffentlich bekannte Tatsache, die geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenkurs erheblich zu beeinflussen – und somit einen erheblichen Kauf- oder Verkaufsanreiz auf den Anleger ausübt. Insider sind alle Personen, welche an geheime Daten eines Unternehmens gelangen, also erst recht der Chef eines Dax-konzerns wie im Fall Kengeter.
Aber auch Personen, die zufällig an nicht öffentliche Informationen gelangen, welche in der
Lage sind den Aktienkurs zu beeinflussen, können damit Insider Trading betreiben. Wenn also etwa ein Taxifahrer beim Gespräch zweier Fahrgäste von der anstehenden Insolvenz einer Aktiengesellschaft erfährt, wird auch er zum Insider. Daher macht er sich strafbar, wenn er aufgrund dieser Information Aktien der betreffenden Gesellschaft verkauft – selbst wenn er nur durch Zufall
zum Insider geworden ist. Aber auch der Mitarbeiter einer Aktiengesellschaft, die gerade einen lukrativen Großauftrag erhalten hat, macht sich strafbar, wenn er Aktien des Unternehmens kauft, weil er weiß, dass die Kurse steigen werden, sobald der Großauftrag bekannt wird.
„Wertpapierhandel aber kann auf Dauer nur funktionieren, wenn alle Teilnehmer darauf vertrauen können, faire und transparente Marktbedingungen vorzufinden“, sagt Andreas Freudenmann, Leiter der Handelsüberwachungsstelle (HÜST) der Börse Stuttgart, die in diesen Fragen eng mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zusammenarbeitet. Daher geht die Bafin bei Verdacht auf Insiderhandel den Dingen auf den Grund. 2020 registrierte die Behörde 1069 neue Verdachtsmeldungen auf
Insiderhandel, wovon schließlich 13 Fälle mit hinreichenden Anhaltspunkten für verbotenen Insiderhandel übriggeblieben sind.
Zunächst leitet die Bafin bei Verdacht auf Insiderhandel eine Insideruntersuchung ein. Sobald sich der Verdacht erhärtet, erstattet sie Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Dies war 2020 auch bei der Gerry Weber International AG der Fall. Noch bevor die Gesellschaft bekannt geben konnte, einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, stießen vier Handelsteilnehmer Aktien an der Börse ab. Nach der Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft folgten umfangreiche Ermittlungen, die mit Geldauflagen bis zu zwei Millionen Euro endeten. Grundsätzlich kann verbotener Insiderhandel nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WPHG) mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe geahndet werden.
Außer über den Insiderhandel wacht die Behörde auch darüber, dass börsennotierte Aktiengesellschaften und deren Aktionäre ihre Veröffentlichungspflichten einhalten. Im Mittelpunkt stehen hierbei die sogenannten Ad-hoc-meldungen, von denen die Emittenten 2020 rund 2400 verschickt hatten. Alle Emittenten von Wertpapieren sind verpflichtet, der breiten Öffentlichkeit Insiderinformationen unverzüglich durch Publikation bekannt zu machen, falls deren Kenntnis den Handel der jeweiligen Finanzinstrumente maßgeblich beeinflussen kann.
Der Kerngedanke der Meldepflichten ist es, sämtliche Anleger auf den gleichen Wissensstand zu bringen. „Mit der Pflicht zu Ad-hocmeldungen wird der Finanzmarkt transparenter gestaltet und einem möglichen Insiderhandel entgegengewirkt“, sagt dazu Freudenmann von der Börse Stuttgart. Bei Verstößen gegen diese Pflicht droht ein Bußgeldverfahren. 2020 lag die hierbei festgesetzte höchste Einzelgeldbuße bei 1 275 000 Euro.