Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein Lichtsignal, das alles am Laufen hält
Das Unternehmen Leuze aus Owen stellt optische Sensoren her und will damit die Automatisierung vorantreiben
- Sie sind klein und agieren meist lautlos: Ohne Sensoren geht heute fast nichts mehr – im wahrsten Sinne des Wortes. Sei es die Schranke im Parkhaus, bei der ein Lichtsensor erkennt, ob noch ein Auto durchfährt oder ein fahrerloses Transportsystem in einem Warenlager, bei dem Sensoren feststellen, ob Hindernisse im Weg sind.
Einer, der die Notwendigkeit der kleinen Helfer erkannt hat, ist der Sensoren-hersteller Leuze aus Owen – gesprochen Auen – im Landkreis Esslingen am Fuß der Schwäbischen Alb. Im 19. Jahrhundert wurde das Unternehmen von Familie Leuze als Textilfabrik gegründet. 1963 verabschiedete sich Urenkel Christof Leuze dann aber von Textilien und wandte sich einem neuen Feld zu: dem der optischen Sensoren. Der 90Jährige lebt noch heute in Owen, ist aber nicht mehr aktiv am Geschäft beteiligt.
„Christof Leuze hat damals einfach die Zeichen der Zeit erkannt“, sagt Ulrich Balbach, der seit neun Jahren die Geschäfte der Leuzegruppe führt und seit 23 Jahren bei Leuze arbeitet. Die Automatisierung verschiedenster Prozesse schritt seit den 1960ern kontinuierlich voran und überall dort, wo Abläufe automatisiert und Waren bewegt werden, kommen auch Sensoren zum Einsatz. Ein lukratives Geschäft also für die Owener – heute mehr denn je.
Die optischen Sensoren, die Leuze für die verschiedensten Branchen produziert, funktionieren vereinfacht gesagt so: Der Sensor sendet einen Lichtstrahl aus, der an einer Oberfläche reflektiert und auf einen Empfänger im Sensor zurückgeworfen wird. Die sogenannte schaltende Sensorik erkennt dann, ob ein Objekt vorbeikommt, die messende Sensorik stellt Abstände fest und übermittelt, wie weit es entfernt ist. Das Gemessene verwandelt der Sensor dann in ein elektrisches Signal um.
Ein anschauliches Beispiel für den Einsatz dieser Sensoren ist Leuzes eigenes Logistikzentrum. Dort sind knapp 1000 Sensoren verbaut. Das dortige vollautomatische Kleinteilelager soll menschliche Präsenz überflüssig machen. Schwarze Kisten, gefüllt mit Bauteilen, werden automatisch auf einem Förderband transportiert. Auf der Außenseite kleben Barcodes, die von Barcode-lesegeräten – die Leuze ebenfalls herstellt – gescannt werden. Dadurch weiß das System, was in den Kisten ist und es entscheidet selbst, wo es die Kiste lagert, nämlich am nächsten freien Platz im Regal. Die Sensoren übertragen die Daten berührungslos an das Regalbediengerät.
Leuze-sensoren kontrollieren aber auch die Plattendicke von Hölzern, die in einem Sägewerk zurechtgeschnitten werden oder überwachen Abfüllprozesse bei Getränkeherstellern. „Die leeren Flaschen gehen mit sehr hoher Taktrate durch die Füllanlage“, sagt Balbach. Fürs menschliche Auge zu schnell, doch die Sensoren detektieren die Flaschen und erkennen beispielsweise wann und in welcher Position das
Etikett auf die Flasche soll. Beim Lesen von Etiketten spielen wiederum die Barcode-scanner eine Rolle. Sie kommen nicht nur in Leuzes Lager zum Einsatz, sondern auch im Versand, wo sie Pakete entsprechend der im Strichcode enthaltenen Informationen sortieren und in der Laborautomatisierung, wo sie die Strichcodes auf Medikamentenverpackungen oder Blutproben scannen.
Ebenso ist Leuze im Bereich Arbeitssicherheit tätig: Dazu gehören sogenannte Lichtvorhänge, die, sobald sie unterbrochen werden – weil jemand seine Hand hinein streckt – Maschinen stoppen können. „Wir wollen breit aufgestellt sein“, betont Balbach.
Wo Leuze-sensoren allerdings nicht zu finden sind: in Autos. Trotzdem spielen sie in der Automobilindustrie eine Rolle, weil sie in der Produktion bei den Zulieferern gebraucht werden. Den zeitweiligen wirtschaftlichen Abschwung in der Automobilindustrie im vergangenen Jahr – bedingt durch die Corona-krise – bekam deswegen auch Leuze zu spüren.
Im Corona-jahr verzeichnete das Unternehmen einen Umsatzrückgang um fünf Prozent auf 210 Millionen Euro, konnte sich jedoch schnell wieder erholen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres stieg der weltweite Umsatz um 20 Prozent an und Leuze verzeichnete die größte Zunahme an Aufträgen in der Unternehmensgeschichte – mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Über den Gewinn will Balbach keine Aussagen treffen. Das Unternehmen habe im Logistikbereich davon profitiert, dass zuletzt mehr Pakete verschickt wurden, sagt Balbach. Auch im Laborbereich sei die Nachfrage gestiegen.
Das Unternehmen betreibt inzwischen Produktionsstandorte in den USA, in China und Südamerika. Auch innerhalb Deutschlands hat sich Leuze vergrößert, mit einem Entwicklungsstandort in Bayern und einer Tochtergesellschaft, die in Unterstadion im Alb-donau-kreis Halbleiter entwickelt und herstellt. Weltweit arbeiten knapp 1200 Menschen bei Leuze, in Owen sind es rund 650.
Um ein Thema kommt allerdings auch Leuze nicht herum: die Lieferengpässe in der Halbleiterindustrie. „Die Liste mit Fehlteilen ist riesig, aber wir bekommen das noch ausgependelt“, sagt Balbach. Leuze merke zudem, dass die Preise für Materialien wie Kupfer aufgrund der aktuellen Knappheit deutlich gestiegen sind. „Es kostet zwar viel Arbeit, aber bisher war es uns möglich, alle Lieferverträge zu erfüllen“, betont Balbach. Er führt das auch darauf zurück, dass Leuze „antizyklisch“vorgegangen sei.
Im Sommer 2020 habe Leuze mehr auf Lager gearbeitet und fast keine Kurzarbeit genutzt. Lediglich die Mitarbeiter in der Fertigung seien für drei Wochen in Kurzarbeit geschickt worden. „Dafür muss man auch ein bisschen Mut haben und die Lage richtig einschätzen“, sagt Balbach. Denn im Frühjahr und Sommer 2020 sank auch bei Leuze die Nachfrage, erst im September zog sie wieder an.
Für Leuze spielt der chinesische Markt inzwischen die wichtigste Rolle. Hier stieg der Umsatz in den vergangenen Monaten um ganze 60 Prozent. „Das liegt vor allem an den ehrgeizigen Plänen der chinesischen Zentralregierung, die E-mobilität voranzutreiben“, erklärt Balbach. „Das wirkt sich indirekt auch auf uns aus.“
Technisch will sich das Unternehmen in Zukunft besonders auf das Thema Sensor-kommunikation konzentrieren und weiter daran feilen. Dabei gehe es darum, Daten zu sammeln, zu verarbeiten, an einen Cloud-speicher zu schicken, um sie von dort wieder abzurufen und auszuwerten, sagt Balbach.
Seine Devise für die kommenden Jahre lautet: Den Umsatz des Unternehmens bis 2025 zu verdoppeln. Um den asiatischen Markt noch besser bedienen zu können, plant Leuze in Malaysia eine neue Produktionsstätte, Ende dieses Jahres soll sie fertig werden. Doch Balbach bekennt sich auch zur Stadt Owen als Standort. „Die Standorte, die heute bestehen, bleiben“, sagt er. „Wir werden überall wachsen.“
Einen ersten Schritt dahingehend hat Leuze im von Owen vier Kilometer entfernten Unterlenningen bereits getan. Dort hat das Unternehmen im vergangenen Jahr ein neues und größeres Logistik- und Distributionszentrum eröffnet. Das Herzstück: das vollautomatische Kleinteilelager.