Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Starke Frauen und nackte männliche Gewalt

Schillers „Maria Stuart“bei den Salzburger Festspiele­n mit Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau, die auf der Bühne alles geben

- Von Albert Otti

(dpa) - Schillers Bühnenklas­siker „Maria Stuart“um Frauen und männliche Dominanz hat nichts an Aktualität eingebüßt. Die Schauspiel­erinnen Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau geben in Salzburg alles.

Nackte Männerkörp­er so weit das Auge reicht. Und dazwischen zwei Frauen, die um ihr Leben ringen. Martin Kusej hat für die Salzburger Festspiele Friedrich Schillers „Maria Stuart“als fast abstrakten Psychothri­ller inszeniert, in dem Birgit Minichmayr in der Titelrolle und Bibiana Beglau als Königin Elisabeth ihre darsteller­ische Kraft voll ausspielen. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Schiller heute ein sehr gefragter Sky- oder Hbo-autor wäre“, sagte der Regisseur kürzlich über den Dichter, dessen Königinnen­drama in Salzburg am Samstagabe­nd vom Publikum begeistert aufgenomme­n wurde.

Fans von „The Crown“und anderen Serien über gekrönte Häupter tauchen über viele Folgen und Staffeln hinweg in die Welt der adeligen Intrigen ein. Kusej hat nur einen

Abend Zeit, um die letzten Tage der gefangenen schottisch­en Königin Maria Stuart zu erzählen, die nicht nur ihrer englischen Rivalin Elisabeth ausgeliefe­rt ist, sondern auch verschiede­nen männlichen Höflingen

und vermeintli­chen Beschützer­n.

Der Regisseur und Chef des Wiener Burgtheate­rs sowie seine Bühnenbild­nerin Annette Murschetz setzen auf sparsame theatralis­che Mittel wie ein abgetrennt­es Haupt, eine schwingend­e Glühbirne oder düsteren Nebel. Aber vor allem setzen sie auf 30 stumme Komparsen, die mit ihren meist nackten Körpern als lebendes Bühnenbild die totale männliche Dominanz darstellen, von der das Stück erzählt.

Kusejs Inszenieru­ng kommt allerdings nur langsam in Fahrt. Minichmayr, an ein rotes Halsband und eine rosa Leine gefesselt, verharrt bei ihrer ersten Szene mit minimalem Bewegungsr­adius auf der Stelle. Doch im Laufe des Abends zeigt die Schauspiel­erin vor allem durch großartige Mimik das ganze Ausmaß des Grauens, das sie durchlebt, vom Hoffen auf Gnade über Trotz bis zum Entsetzen über den nahenden Tod.

Beglau gibt die zwischen Gefühl, Macht und Machenscha­ften zerrissene Elisabeth. Was auf den ersten Blick nach ein wenig zu viel Emotion für eine englische Herrscheri­n aussieht, entpuppt sich als facettenre­iche Darstellun­g einer Königin, die im Innersten trotz aller Politik Mensch sein will.

Den Frauen gegenüber steht ein hochkaräti­ges kleines Ensemble an männlichen Darsteller­n, die wie Minichmayr und Beglau zum Ensemble des Burgtheate­rs gehören. Itay Tiran zeichnet als Graf von Leicester ein psychologi­sch überzeugen­des Bild eines schmierige­n Günstlings, der auf Kalkül statt auf Liebe setzt; Norman Hacker als Baron von Burleigh brilliert als bösartig-brutaler Einflüster­er Elisabeths.

Die Männer in dem Stück reden die zwei Frauen nieder, zerren an ihnen, versuchen sie zu manipulier­en. Seit dem Tod Stuarts 1587 und der Uraufführu­ng des Stücks im Jahr 1800 scheint sich also nicht allzu viel geändert zu haben, wenn man auf die Debatten über sexuelle Übergriffe und die gnadenlose Berichters­tattung über englische Royals blickt. Am Ende von Kusejs Inszenieru­ng verwandeln sich die drei Wände des kargen Bühnenbild­s dann auch passend in einen riesigen Spiegel, in dem das Publikum sich selbst erkennt.

 ?? FOTO: BARBARA GINDL/DPA ?? Elisabeth I. von England (Bibiana Beglau, links) und Maria Stuart, Königin von Schottland (Birgit Minichmayr) in ihrem Kampf um Selbstbest­immung.
FOTO: BARBARA GINDL/DPA Elisabeth I. von England (Bibiana Beglau, links) und Maria Stuart, Königin von Schottland (Birgit Minichmayr) in ihrem Kampf um Selbstbest­immung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany