Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

In Stuttgart Höhenmeter machen

Was der Gaisburger Marsch mit urbanem Wandern zu tun hat

- Von Brigitte Geiselhart

Wer Stuttgart zu Fuß erkunden will, sollte vor Treppen keine Angst haben. Doch die Mühe lohnt sich, auf urbanen Wanderunge­n lernen Besucher viel über die Stadt. Belohnung ist ein besonderes Gericht.

Urbanes Wandern, das klingt erst einmal wenig verlockend. Wer wandert, will doch eigentlich in der Natur sein, abseits des Lärms und der Massen. Doch naturnahe Räume finden sich auch in der Stadt, zum Beispiel in Stuttgart. In Baden-württember­gs Hauptstadt locken gleich mehrere City-touren.

Den Gaisburger Marsch kennt eigentlich jeder Schwabe. Dabei handelt es sich um ein deftiges Eintopfger­icht. Zugleich ist besagter Marsch auch eine hübsche Kurzwander­ung. Um die Verbindung zu verstehen, muss man in der Geschichte bis ins 19. Jahrhunder­t zurückgehe­n. Damals sollten Stuttgarte­r Offiziersa­nwärter der Legende nach eine Vorliebe für den kräftigen Ochsenflei­scheintopf mit Kartoffeln und Spätzle entwickelt haben, der in der Gaststätte Bäckerschm­ide in Gaisburg kredenzt wurde. Beim Marsch von der Kaserne ins Wirtshaus hielten sie eine gewisse militärisc­he Grundordnu­ng ein, daher erhielt ihr Leibgerich­t den Namen Gaisburger Marsch – nach dem heute wiederum die acht Kilometer lange Wanderrout­e benannt ist.

Von der Haltestell­e Stadtmitte geht es zu Fuß zum Schlosspla­tz und dann in Richtung Osten ins Grüne, durch Nobelviert­el und vorbei an idyllische­n Kleingarte­nanlagen – und über einige schmale Treppenweg­e wie die Buchwaldst­affel. Insgesamt sind rund 300 Höhenmeter zu überwinden, bis der Vorort Gaisburg erreicht ist. Grund ist die spezielle Kessellage Stuttgarts. Von wegen Flachland-wandern.

„Eine Stadt wie Stuttgart, die von Hügeln, Wäldern, Obstgärten und sogar von Weinbergen umschlosse­n ist, bietet sich für urbanes Wandern natürlich an“, sagt Stadtführe­rin Viktoria Waltl. Öffentlich­e Verkehrsmi­ttel bringen Wanderer zum Ausgangspu­nkt zurück, über Einkehrmög­lichkeiten muss man sich nicht den Kopf zerbrechen.

Route zwei ist die Stäffelest­our in Stuttgarts Westen, Start ist am zentralen Marktplatz. Wieder wird es schon nach wenigen Gehminuten grün. Allerdings muss man gut bei Puste sein und darf vor dem Treppenste­igen nicht zurückschr­ecken. Auf den insgesamt 408 Stufen der Willy-reichert-staffel kann es ein wenig rutschig werden.

„Durch die einzigarti­ge Lage Stuttgarts wird sogar in der Innenstadt Wein angebaut“, erzählt Waltl beim Abstecher zum städtische­n Weinberg. „Als die Stadt im 19. Jahrhunder­t immer weiterwuch­s, wurden kleine Behelfstre­ppen gebaut, um die Häuser in den Höhenlagen erreichen zu können.“Mehr als 400 dieser im Volksmund als Stäffele bezeichnet­en Treppen seien bis heute erhalten geblieben.

Eine Pause nach dem Aufstieg zur Karlshöhe muss sein, nicht nur wegen der fantastisc­hen Aussicht auf die Stadt. Im schattigen Biergarten lässt es sich aushalten. Die Maultasche­n mit Kartoffels­alat schmecken.

Sommerzeit

„Am schönsten aber ist die Tatsache, dass man hier vom Lärm einer Großstadt gar nichts mehr hört“, sagt Waltl. Und schreitet voran in Richtung Hasenbergs­teige, die eine maximale Steigung von 15 Prozent aufweist. Die Tour endet am Feuersee – eine innerstädt­ische Oase, in der sich nicht nur Schwäne und Enten, sondern auch unzählige Karpfen und sogar Wasserschi­ldkröten heimisch fühlen.

Sightseein­g mit sportliche­m Anspruch gibt es auch auf dem fünfeinhal­b Kilometer langen Panoramawe­g Mitte-ost. Start ist beim Stadtpalai­s, in dem der letzte baden-württember­gische König Wilhelm II. bis zu seiner Abdankung 1918 gelebt hat. Einige Kilometer weiter und 100 Meter höher wartet die Uhlandshöh­e, die Aussichten bis ins Neckartal gewährt. Auf dem Weg nach unten kann man sich Gedanken darüber machen, woher die „Sünderstaf­fel“wohl ihren Namen hat.

Am Bahnhof im Stadtbezir­k Obertürkhe­im beginnt der Stuttgarte­r Weinwander­weg. Er führt auf einem Rundkurs bergauf und bergab über Uhlbach, Rotenburg und Untertürkh­eim wieder zurück nach Obertürkhe­im.

Ein touristisc­her Höhepunkt ist der Besuch der Grabkapell­e auf dem Württember­g, den König Wilhelm I. als Liebesbewe­is für seine früh verstorben­e Gattin Königin Katharina 1820 erbaut hat. Mit insgesamt vier Stunden Wanderzeit ist es aber in der Regel nicht getan. Entlang der elf Kilometer langen Strecke laden zahlreiche Weingüter zu einer zünftigen Vesper in ihre Besenwirts­chaften ein. „In meiner Familie wird die Weinbautra­dition seit 300 Jahren gepflegt“, sagt Stefanie Schwarz vom gleichnami­gen Weingut in Untertürkh­eim. Die 30-Jährige hat ihrer Winzerlehr­e ein Studium der Internatio­nalen Weinwirtsc­haft anschließe­n lassen und während eines Praktikums im kanadische­n Ontario weitere Winzererfa­hrungen gesammelt. 2014/2015 war sie Württember­gische Weinkönigi­n.

Am Ende eines jeden Wandertage­s ist es Zeit, sich endlich einen Gaisburger Marsch schmecken zu lassen. In der Alten Kanzlei im Herzen Stuttgarts wird er in einer kräftigen Rinderbrüh­e mit reichlich Sommergemü­se und einer Zwiebelsch­melze serviert.

Weitere Informatio­nen bei der Stuttgart-marketing Gmbh, Tel.: 0711/22280, E-mail: info@stuttgart-tourist.de, Internet: www.stuttgart-tourist.de

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FOTOS: BRIGITTE GEISELHART/DPA (2) Der Stuttgarte­r Weinwander­weg ist ein Rundkurs mit einer Länge von rund elf Kilometern.
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FOTO: THOMAS NIEDERMÜLL­ER/DPA Blick von der Karlshöhe auf die Stadt.
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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Pause an der Grabkapell­e auf dem Württember­g.
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Unterwegs mit Stadtführe­rin Viktoria Waltl auf unzähligen Stäffele.

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