Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bloß kein Wechsel- oder Fernunterricht
Mobile Luftfilter sollen Schulleben absichern – Seit einer Woche gibt es Geld vom Land
- In knapp vier Wochen beginnt das neue Schuljahr in Badenwürttemberg. Das erklärte Ziel der Politik und klare Forderung von Eltern, Lehrern und Schülern lautet: Ab jetzt nur noch wirklichen Schulbetrieb, ohne Wechsel- oder Fernunterricht. Mobile Raumluftfilter sollen das Lernen im Klassenzimmer sicherer machen. Ob bis zum Schulstart alle Klassenzimmer – wie auch die Räumlichkeiten in Kitas – mit mobilen Luftfiltern ausgestattet sein werden, ist aber fraglich. Zum Stand der Ausstattung hat die „Schwäbische Zeitung“erstmals Zahlen.
Seit einer Woche können Schulund Kitaträger im Südwesten Fördergeld für mobile Luftfiltergeräte beantragen. Viele am Schulleben Beteiligte haben darauf lange schon gepocht – darunter Lehrerverbände ebenso wie der Landeselternbeirat. Denn, so das Argument: Mobile Luftfilter können dabei helfen, den Unterricht ab dem kommenden Schuljahr sicherer zu machen. Dass die Schüler in Teilen oder ganz wieder von zu Hause aus lernen müssen, soll unbedingt vermieden werden.
Das Land hat für mobile Luftfilter 70 Millionen Euro bereitgestellt – zehn Millionen für Kitas sowie 60 Millionen für Schulen. Eigentlich sollen noch weitere 26 Millionen Euro vom Bund hinzukommen, der ein 200-Millionen-euro-paket hierfür zugesagt hat. Die Vereinbarung mit den Ländern dazu steht aber noch aus.
Beim Verteilen der Gelder geht das Kultusministerium gestaffelt vor: In den ersten zwei Wochen bewilligt es Anträge für schwer belüftbare Räume. 500 Kommunen sowie private Schul- und Kitaträger haben laut Kultusministerium entsprechendes Geld beantragt, und zwar für 1400 Räume in Kitas sowie für 2500 Klassenzimmer. Diesen Förderbedarf beziffert das Ministerium mit 9,5 Millionen Euro. Das Land zahlt die Hälfte der Anschaffungskosten bis zu einem Betrag von maximal 2500 Euro pro Gerät. Den Rest zahlen die Träger.
Dass die Zahl bei landesweit um die 70 000 Unterrichtsräumen so gering ist, wundert Städtetagsdezernent Norbert Brugger nicht. „Man kann davon ausgehen, dass wenig schwer belüftbare Räume vorhanden sind“, sagt er. „Der Trend geht zur Kategorie D.“In die Kategorie D fallen Schulräume für Kinder bis Klasse 6, die kein Belüftungsproblem haben. Doch auch sie sollen mit mobilen Lüftungsgeräten bestückt werden, weil es für Kinder bis elf Jahre keinen zugelassenen Impfstoff gibt – im Gegensatz zu Kindern ab zwölf Jahren. Für sie hat die Ständige Impfkommission am Montag eine allgemeine Impfempfehlung ausgesprochen.
Obwohl das Geld für diese Kategorie D erst etwas später bewilligt wird, haben die Träger von Kitas und Schulen in der ersten Woche bereits einen Bedarf in Höhe von 17,5 Millionen Euro angemeldet, erklärt das Kultusministerium. Städtetagsdezernent Brugger wirbt dafür, nicht zu warten, sondern auch diesen Bedarf möglichst schnell anzumelden. Er spricht von einem doppelten Windhundprinzip bei der Vergabe der Fördermittel: Priorität haben stets schlecht belüftbare Räume – solche Förderanträge würden auch später bewilligt. „Derjenige, der ausschließlich schwer belüftbare Räume ausstatten will, sollte gut schlafen können“, sagt Brugger.
Anders sieht es bei Kita- und Schulräumen bis Klasse 6 aus. Wenn es hier zu einer Überbuchung komme, werden die schnellsten Anträge auf Fördergeld so lange bedient, bis das Geld aus ist, so Brugger. Und klar sei: Die Kitas und Schulen würden verglichen werden: Wer kam zum Zug, wer nicht und warum nicht. „Wenn es jetzt schon zu einer Überbuchung käme, würden wir auf das Land zugehen“, erklärt der Städtetagsdezernent.
Der Gemeindetag, der die kleineren Kommunen im Land vertritt, hätte sich eine höhere Förderung des Landes gewünscht. Die Kofinanzierung mag einige Kommunen abschrecken, so der Gedanke dabei. „Aus Sicht der Schulträger wäre ein höherer Förderprozentsatz bei klarer Fokussierung auf schlechter belüftbare Räume zielgenauer und sachgerechter gewesen“, erkärt eine Sprecherin. Vielleicht gibt es aber noch einen Zuschlag, erklärt Brugger vom Städtetag. Denkbar sei, dass die Förderung durch das erwartete Bundesgeld auf 80 Prozent aufgestockt wird.
Die Krux bei allen Rechnungen, ob das Geld reicht: Keiner weiß so wirklich, wie gut die Klassenräume im Land schon bestückt sind. Zum einen sind neuere Schulgebäude bereits mit fest installierten sogenannten Raumlufttechnischen Anlagen ausgestattet, die Raumklima und Luftqualität regeln. Zum anderen hatte das Kultusministerium bereits im vergangenen Herbst 40 Millionen Euro ausgeschüttet. Mit diesem Schulbudget, das nach Schülerzahl gleichmäßig verteilt wurde, konnten die Schulträger unter anderem Lüftungsgeräte kaufen. Einen Überblick hierzu gibt es aber nicht.
Fraglich bleibt, ob die Hersteller solcher Lüftungsgeräte denn noch vor den Sommerferien liefern können. „Ja“, sagt dazu etwa Jan-eric Raschke, Direktor für Luftfiltersysteme bei der Ludwigsburger Firma Mann und Hummel, die auf Luftfilter unterschiedlichster Art spezialisiert ist. Die Firma stellt mobile Luftreinigungsgeräte in drei verschiedenen Größen her – und könne diese aktuell in ein bis zwei Wochen auch liefern, erklärt Raschke. Noch Ende Juli hatte er vor Engpässen gewarnt und vor Lieferzeiten, die mehrere Monate betragen könnten. Das sei gerade aber nicht zu erwarten, erklärte Raschke am Montag: „Wir haben einen ordentlichen Lagerbestand und die Produktion läuft.“Doch er sagt auch: „Es ist herausfordernd, eine sattelfeste Prognose abzugeben.“Sehr wohl verzeichne seine Firma aber ein Plus bei der Nachfrage – nicht nur aus dem Südwesten, sondern aus ganz Deutschland.
Auch Dema Airtech aus Stuttgart habe keine Lieferprobleme, erklärt General Manager Matthias Baun. „Die aktuelle Lieferzeit beträgt zwei bis drei Wochen.“Die Nachfrage steige, allerdings klagt Baun über Spezifikationen als Vorgabe bei Ausschreibungen mancher Kommune, „die bis aufs Komma Leistungsprofile bestimmter Herstellergeräte erkennen“ließen.