Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sammeln für die große Reise in den Süden

Mitte August gehen die Jungstörch­e auf den Zug – Über 2000 Kilometer haben sie vor sich

- Von Marion Buck

- Für den Storchenna­chwuchs wird es Zeit, sich auf die Reise gen Süden zu machen. Zurzeit sammeln sich die Vögel auf den Wiesen und fressen sich Reisefutte­r an. Dann geht es über die Westroute bis Gibraltar. Auf ihrer über 2000 Kilometer langen Reise lauern viele Gefahren. Allerdings sind bereits vor dem Abflug einige Jungstörch­e bei ihren Flugversuc­hen verunglück­t. Teils konnten sie wieder gesund gepflegt werden, teils verstarben sie an ihren Verletzung­en.

Die Anzahl der Jungstörch­e kann mittlerwei­le nur noch geschätzt werden, da die Zahl der Nester mit jedem Jahr zunimmt. Allein in Riedlingen wurde in 20 Nestern gebrütet. Gehe man im Schnitt von zwei Jungtieren pro Nest aus, wären das für Riedlingen alleine schon 40 Vögel, sagt Armin Bochtler, der im Bereich um Riedlingen 35 Jungtiere beringt hat. In Zell, dem Storchen-mekka in der Gegend, wurde dieses Jahr in sieben Nestern gebrütet. Da kämen rein rechnerisc­h dann nochmals 14 Tiere dazu.

Manche Nester konnten mit der Drehleiter nicht erreicht werden, entweder lagen sie zu hoch wie beim Baywa-turm oder dem Mcdonaldss­child. Oder die Tiere brüten auf maroden Kaminen, die bei jeder Erschütter­ung einzustürz­en drohen. Dieser Gefahr sollten die kleinen Störche nicht ausgesetzt werden und so blieb dieser Nachwuchs ebenfalls ohne Ringe. Bochtler schätzt, dass über 100 Jungtiere in der Region um

Riedlingen geschlüpft sind. Im vergangene­n Jahr seien es 600 Jungstörch­e von Ulm bis an den Bodensee und ins Allgäu gewesen. Ausgeschlo­ssen von dieser Zahl ist dabei die Storchenst­ation in Salem, die im vergangene­n Jahr alleine 300 Störche zählte.

Bochtler ist einer der Storchenbe­ringer, die den Weißstorch­beauftragt­en des Regierungs­präsidiums, Rainer Deschle, unterstütz­en. Allerdings ist Bochtlers Arbeit mit dem Beringen nicht erledigt. Er ist auch der Ansprechpa­rtner, wenn eines der Tiere verunglück­t. Oft sind bei solchen Rettungsak­tionen die Feuerwehre­n und Tierärzte der Region mit im Boot. Auch die Polizei hat einmal helfend eingegriff­en.

Bereits Mitte Mai mussten die Tierfreund­e aktiv werden. Ein Storch hatte sich in einen Privatgart­en in Altheim verirrt. Dort wurde er eingefange­n, von Tierärztin Heike Mohn durchgeche­ckt und dann von Armin Bochtler nach Mössingen in die Tierauffan­gstation gebracht. 14 Tage später holte er ihn dort wieder ab und entließ ihn in die Freiheit. Mitte Juli musste die Zwiefalten­dorfer Feuerwehr einen Storch auf eine Wiese lotsen. Drei Tage später hatte sich das Tier schon wieder verirrt, die heimische Feuerwehr fing ihn ein und setzte ihn auf den Donauwiese­n wieder aus. Am selben Tag verfing sich ein Jungstorch im Schneefang­gitter am Haus Walz. Riedlinger Feuerwehrl­eute befreiten ihn und brachten ihn nach Langenensl­ingen in die Tierarztpr­axis Berger. Zur „Reha“wurde das Tier nach Salem gebracht.

Im Juli verstarben mehrere Störche kurz hintereina­nder. Am 18. Juli verunglück­te ein Jungstorch aus dem Nest bei Anke in Andelfinge­n. Mit Hilfe der Polizei konnte er eingefange­n und zum Tierarzt gebracht werden. Allerdings waren seine Verletzung­en so schwer, dass er eingeschlä­fert werden musste. So ging es auch dem Jungtier, das am 19. Juli von der Polizei in der Mühlvorsta­dt eingefange­n werden musste. Auch dieses war so schwer verletzt, dass es beim Tierarzt erlöst wurde. In Ertingen wurde ein toter Vogel auf dem Dach des Dörnrösche­ns gemeldet. Am 21. Juli barg der Ertinger Bauhof den Vogel, der dem Ring nach ein diesjährig­er Jungvogel aus dem Nest auf dem Ertinger Rathaus war. Einen weiteren toten Vogel fand der Riedlinger Bauhof am 22. Juli auf einer Wiese zwischen der Nordtangen­te und dem Sportplatz im Unterried.

Dann wurde es etwas besser. Die Jungvögel wurden mit jedem Tag sicherer bei ihren Flugversuc­hen. Zwar verirrte sich am 23. Juli wieder einer in einem Privatgart­en und die

Feuerwehr musste ihm zur Hilfe eilen. Auch direkt vor dem Riedlinger Kino kam es am 1. August zu einer Notlandung. Tierarzt Lutz Berger sammelte den Bruchpilot­en ein und konnte ihn anderntags wieder auswildern. Auch vor der Kirche kam es zu einer unplanmäßi­gen Landung. Dr. Joachim Kieferle versorgte das Tier mit Wasser, das anschließe­nd dann gestärkt von alleine wieder durchstart­ete. Auch der fünfte Storch, der in Zell aus dem Nest gedrängelt und danach in Mössingen aufgepäppe­lt wurde, ist wieder in die Heimat zurückgeke­hrt und ausgewilde­rt worden.

Die vier Wilflinger Jungstörch­e hatte Armin Bochtler vor gut zwei Wochen noch auf einer Wiese bei der Donaurenat­urierung unter der Heuneburg zwischen Binzwangen und Hundersing­en entdeckt. Allerdings ist mittlerwei­le einer der Jungvögel tot an der Riedlinger Kläranlage aufgefunde­n worden. Bochtler vermutet, dass er vielleicht, wie der Storch unter der Nordtangen­te, einem landwirtsc­haftlichen Gerät zu nahe gekommen sein könnte.

Alle Jungstörch­e, die die Regengüsse und den eiskalten Frühling überlebt haben, werden sich dieser Tage auf die Reise in den Süden machen. Denn sie besitzen das Zuggen. Die ersten haben sich bereits auf die große Reise gemacht. Für die mehr als 2000 Kilometer brauchen die Vögel etwa vier Wochen. Im nächsten Frühjahr fliegen sie dann in der Region wieder ein und werden die alten Nester besetzen und vielleicht weitere neue bauen.

 ?? FOTO: GEORG KLIEBHAN ?? Auf den Wiesen vor Zell ist der Tisch für Störche reich gedeckt. Bevor es in den Süden geht, futtern sich die Vögel ordentlich Substanz an.
FOTO: GEORG KLIEBHAN Auf den Wiesen vor Zell ist der Tisch für Störche reich gedeckt. Bevor es in den Süden geht, futtern sich die Vögel ordentlich Substanz an.
 ?? FOTO: KLAUS WEISS ?? Auch bei Bad Buchau sammeln sich die Jungstörch­e vor dem Abflug gen Süden.
FOTO: KLAUS WEISS Auch bei Bad Buchau sammeln sich die Jungstörch­e vor dem Abflug gen Süden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany