Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Seehofer verteidigt Vorgehen bei Ortskräften
Innenminister für Aufnahme besonders schutzbedürftiger Afghanen – Kritik an Regierung
- Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich dafür ausgesprochen, nicht nur Ortskräfte, sondern weitere, besonders schutzwürdige Personen aus Afghanistan in Deutschland aufzunehmen. Die Innenminister der Länder seien bereit zur Aufnahme einer größeren Zahl von Menschen. Zugleich verteidigte Seehofer sein Ressort gegen Vorwürfe, die Gewährung von Visa an Ortskräfte verzögert zu haben. Eine „bessere Lösung“im Umgang mit der Situation in Afghanistan sei nicht an ihm gescheitert. In der Debatte, ob auch volljährige Kinder mit ihren Eltern aufgenommen würden, stellte er klar: „Wir reißen Familien nicht auseinander.“
Am Donnerstag war die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in die Kritik geraten, weil sie laut „Spiegel“die erwachsenen Söhne ihrer Mitarbeiter nicht aus Afghanistan evakuieren wollte. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte dazu der „Schwäbischen Zeitung“, „dass der Innenminister jetzt reagiert und die von ihm festgelegte Regelung zur Kernfamilie anpasst und damit beiträgt, Härtefälle zu vermeiden“, begrüße er sehr. „Keiner soll zurückbleiben, der mitgenommen werden könnte“, so Müller.
In der politischen Aufarbeitung des Afghanistan-debakels ging es am Donnerstag auch um die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz zeigte sich dafür offen: „Sogar einen Untersuchungsausschuss will ich nicht für ausgeschlossen halten“, sagte die Csu-politikerin. Der Fdpinnenexperte Benjamin Strasser sprach von einem „Komplettversagen der gesamten Bundesregierung“.
Die Bundesregierung habe das Thema erst ausgesessen, dann hätten sich die Ministerien gegenseitig Steine in den Weg gelegt. Zudem stehe im Raum, „dass auch falsche Analysen aus dem Bundesnachrichtendienst mit dafür verantwortlich waren, dass zu lange gezögert wurde“, so Strasser.
In Afghanistan kam es derweil in mehreren Städten zu Protesten gegen die Taliban. Die Islamisten töteten mehrere Menschen, wie der arabische Sender Al-dschasira berichtete. Die Evakuierungsoperation am Flughafen der Hauptstadt Kabul dauerte an.