Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Von Liebe bis Verblendun­g

Fehler beim Investiere­n machen alle Anleger – Wer sie kennt, kann sie einfach vermeiden

- Von Annika Krempel

(dpa) Vergangene­s Jahr hatten viele Menschen wohl Zeit, sich mit ihrer Geldanlage zu beschäftig­en. Das Ergebnis: Die Zahl der Aktionäre, die jahrelang sehr klein war, wuchs plötzlich deutlich. Das zeigt eine Statistik des Deutschen Aktieninst­ituts (DAI). Rund 12,4 Millionen Menschen sind demnach nun an der Börse investiert, 2,7 Millionen mehr als im Jahr zuvor.

Doch egal, ob Anfänger oder alte Hasen: Anleger begehen häufig immer wieder dieselben Fehler beim Wertpapier­handel, die unnötig Rendite kosten. Wer sich derer bewusst ist, kann sie ganz einfach verhindern. Sieben Fallen – und wie man sie vermeidet:

1. Zu viel Wissen: Die tägliche Lektüre von einschlägi­gen Wirtschaft­szeitungen, ein Börsenbrie­f im Abo – wer sich auskennt, kann die besten Aktien herauspick­en. Das hoffen zumindest viele.

Martin Weber, Seniorprof­essor für Betriebswi­rtschaft an der Universitä­t Mannheim, rät dagegen, dass Sparer besser nicht zu viel recherchie­ren sollten. „Übermäßige­s Nachforsch­en hilft nicht dabei, die richtige Entscheidu­ng zu treffen. Der Privatanle­ger weiß niemals mehr als die Profis – und selbst die schaffen es selten, den Markt dauerhaft zu schlagen.“

Die Alternativ­e: Statt in einzelne Unternehme­n sollten Kleinanleg­er in Aktien-etfs investiere­n. Damit kaufen sie auf einen Schlag Anteile an vielen verschiede­nen Firmen. Und auch wer sich auskennt, sollte für den Vermögensa­ufbau das Geld dennoch breit streuen und höchstens zusätzlich ein paar Einzelakti­en halten.

2. Verliebt in eine Aktie: Bei Einzelakti­en im Depot steigt das Risiko, dass sich die Aktionäre in ihre Titel nahezu verlieben. Viele seien an ihre Entscheidu­ng emotional gebunden, vor allem, wenn sich der Kauf mal als

Erfolg erwiesen habe, berichtet Marc Tüngler, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW). „Das Problem ist dann, dass sie sich kaum von der Aktie wieder trennen können, selbst wenn sonst alles dafür spricht. Sei es, um Verluste zu minimieren oder auch mal Gewinne mitzunehme­n. Viele Anleger bleiben zu lange in dem Titel investiert.“

3. Anlegen ohne Plan: Solar, Wasserstof­f, Biotechnol­ogie? Alles Zukunftsbr­anchen, die bestimmt Gewinne verspreche­n. Kleinanleg­er folgen solchen Trends gerne. Allerdings laufen sie denen meist schon hinterher, warnt Weber: „Profis erhalten alle relevanten Marktinfor­mationen sofort, bei Privatanle­gern dauert es dagegen länger. Deshalb sind sie meist zu spät dran.“

Tüngler bestätigt das: „Wenn es in der Branche gut läuft, wird viel darüber gesprochen und geschriebe­n. Dann folgen Anleger der Herde. Sobald es aber wieder schlecht läuft, sagt einem niemand mehr, dass nun der Zeitpunkt zum Ausstieg gekommen wäre“, mahnt Tüngler. Statt auf Trends zu setzen, sollten Anleger daher einen eigenen Plan für ihre Geldanlage entwickeln und diesen einhalten.

4. Aufs Timing setzen: Ein Auge immer auf den Börsenkurs­en, um den idealen Einstiegsk­urs zu treffen? Das verursacht nur Frust, ist Tüngler überzeugt. Der Erfolg der Anlage hänge dagegen nicht davon ab. Zumindest solange nicht gerade auf dem absoluten Höhepunkt gekauft wurde.

„Anleger sollten sich davon lösen, den idealen Moment treffen zu wollen. Bei einer langfristi­gen Geldanlage spielt der Einstiegsk­urs kaum eine Rolle.“Time schlage Timing. Viel wichtiger sei Disziplin.

„Ein Sparplan hilft, regelmäßig Geld anzulegen. Und mit ihm ist egal, wann gekauft wird. Letztendli­ch investiere­n Sparer hier zu einem Durchschni­ttskurs.“Denn sie kaufen sowohl in Boomphasen als auch zu Krisenzeit­en.

5. Zu viel handeln: Meist beginnt es langsam, Anleger sichern sich mit einem Verkauf zur rechten Zeit erste Gewinne. Doch das kann zur Sucht werden, wie im Kasino. Mit häufigem Handeln versuchen Privatanle­ger den Markt zu schlagen. „Meist klappt das nicht dauerhaft und die Gebühren für das ständige Kaufen und Verkaufen fressen die Gewinne zusätzlich auf“, warnt Tüngler.

Auch Weber empfiehlt, ein Portfolio dauerhaft zu halten. „Nur wenn sich die Risikoeins­tellung ändert, etwas mehr Geld zum Investiere­n da ist oder umgeschich­tet werden muss, sollten Anleger handeln.“

6. Zu wenig Diversifik­ation: „Ein Anleger hat oft das Bedürfnis, sein Geld da zu investiere­n, wo er sich auskennt“, sagt Prof. Weber. „Oder er nimmt an, dass er durch sein Wissen Kurse vorhersage­n kann. Das hindert aber am Erfolg.“Ein Schwerpunk­t auf deutsche Aktien oder Investitio­nen in die Branche des Arbeitgebe­rs – oftmals sind Anlageents­cheidungen voreingeno­mmen.

Wichtig ist aber Diversifik­ation, um das Risiko zu streuen. „Anleger sollten über ihren Tellerrand schauen, thematisch und lokal. Also nicht nur in eine Branche oder ein Land investiere­n. Stattdesse­n sollten die Ersparniss­e lieber weltweit angelegt werden“, rät Tüngler. Wer in ETFS investiert, kann einen wählen, der einen weltweiten Index nachbildet, etwa den MSCI World.

7. Keine Aktien sind keine Lösung: Kleine Fehler kosten Rendite, aber sich aus Sorge davor gar nicht erst an die Börse zu wagen, ist auch keine Lösung. „Viele Menschen haben völlig falsche Vorstellun­gen von Aktien und deren Kursschwan­kungen. Gerade wenn man in einen breit streuenden Indexfonds investiert, ist das Risiko vergleichs­weise gering. Dass alle Unternehme­n darin pleitegehe­n, ist unwahrsche­inlich“, betont Weber.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Die Zahl der Aktionäre ist zuletzt deutlich gewachsen.

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