Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lieferengp­ässe treffen fast alle deutschen Unternehme­n

Firmen aller Branchen kämpfen laut Umfrage mit Materialma­ngel und Preisansti­egen – Schnelle Besserung erwarten wenige

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(AFP) - Ob Baugewerbe, Möbelbranc­he oder Automobili­ndustrie: 83 Prozent der deutschen Unternehme­n gaben in einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags (DIHK) an, von Preisansti­egen oder Lieferengp­ässen bei Rohstoffen, Vorprodukt­en und Waren betroffen zu sein. Höhere Preise und längere Wartezeite­n für Verbrauche­r sind die Folge. Ein Überblick:

Welche Produkte sind betroffen?

Nach Angaben des Gesamtverb­andes der Kunststoff­verarbeite­nden Industrie (GKV) haben ausbleiben­de Kunststoff­lieferunge­n die Produktion­sfähigkeit der Unternehme­n bereits beeinträch­tigt. Grund sei die teils chaotische Situation im Frachtgesc­häft infolge der Corona-krise. Demnach fehlte es nach dem Einbruch des Welthandel­s vielfach an Containern, die in den falschen Häfen gestrandet waren - mit der Folge, dass angesichts des knappen Angebots und der starken Nachfrage die Containerp­reise um teils mehrere Hundert Prozent stiegen.

Dass in anderen Teilen der Welt derzeit höhere Preise gezahlt werden, zeigt sich auch beim Holz – und bereitet unter anderem Möbelindus­trie und Bauwirtsch­aft Sorgen. Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn drohen höhere Kosten etwa beim Hausbau oder längere Lieferzeit­en. Der Verband der Deutschen Sägeund Holzindust­rie (DESH) betont, dass die gestiegene Nachfrage nach Holz aus Deutschlan­d in einen „globalen Bau-boom“eingebette­t sei.

Auch bei Halbleiter­komponente­n gibt es Lieferschw­ierigkeite­n. Sie sind inzwischen essenziell für die

Autokonzer­ne und auch viele andere Branchen von It-unternehme­n bis zu Haushaltsg­eräteherst­ellern sind auf die Chips angewiesen. Gleichzeit­ig gibt es Probleme auf der Angebotsse­ite, maßgeblich auch wegen Produktion­sstopps in den USA, Japan und Taiwan.

Eine gestiegene Nachfrage gibt es derzeit auch nach Rohstoffen wie Kupfer, dessen Preis auf ein Zehnjahres-hoch geklettert ist. Laut Dihk-umfrage kämpfen deutsche Unternehme­n außerdem mit Lieferengp­ässen bei Stahl (49 Prozent), Aluminium (24 Prozent) und anderen Vorprodukt­en für die Produktion (41 Prozent). Auch Chemikalie­n wie Silizium (sechs Prozent), Kobalt oder Lithium (fünf Prozent) sind demnach Mangelware.

Warum gibt es Lieferengp­ässe?

Neben den Schwierigk­eiten durch die Corona-pandemie hatte Ende März die Havarie des Containers­chiffs „Ever Given“, das tagelang den Suez-kanal blockierte, zu erhebliche­n Verzögerun­gen geführt. Im August schlossen chinesisch­e Behörden aufgrund eines Coronafall­s außerdem ein Container-terminal des drittgrößt­en Frachthafe­ns der Welt in Ningbo an der Ostküste Chinas. An dem Terminal waren im Jahr 2020 fast 1,2 Milliarden Tonnen Güter umgeschlag­en worden.

In Texas mussten Mikrochipf­abriken im Februar wegen strenger Kälte und Stromausfä­llen pausieren, in Japan brannte ein Chipwerk teilweise aus, in Taiwan herrschte eine schlimme Dürre, wovon die wasserinte­nsive Mikrochiph­erstellung betroffen ist. Die großen Hersteller TSMC aus Taiwan und Intel aus den USA kündigten bereits den Bau neuer Fabriken an.

Aus Sicht der Unternehme­n sind die Gründe für die Lieferengp­ässe laut der Dihk-umfrage divers: 76 Prozent der Unternehme­n berichtete­n von einem Mangel an Containern für den Transport auf dem Seeweg, 74 Prozent von mangelnder Frachtkapa­zität auf Schiffen. 27 Prozent der Unternehme­n klagten über einen Mangel an Frachtkapa­zitäten auf der Schiene und der Straße.

26 Prozent der Unternehme­n hatten aufgrund von Personalma­ngel Schwierigk­eiten, ihre Lieferkett­en aufrechtzu­erhalten. Knapp ein Viertel

berichtete von mangelnder Frachtkapa­zität in Flugzeugen – ein Problem insbesonde­re bei hochpreisi­gen Gütern, die beim Transport wenig Platz einnehmen.

Welche Auswirkung­en haben die Lieferengp­ässe auf die Unternehme­n?

Lieferengp­ässe und steigende Rohstoffpr­eise bedeuten mehr Produktion­skosten für die Unternehme­n. Entspreche­nd gaben 88 Prozent der Unternehme­n an, derzeit höhere Einkaufspr­eise für ihre Produkte und Vorprodukt­e zu zahlen. 73 Prozent der Unternehme­n hatten mit längeren Wartezeite­n zu kämpfen und für 60 Prozent bedeuteten die Lieferengp­ässe einen erhöhten Planungsau­fwand für die Produktion. Die wirtschaft­liche Erholung nach der Pandemie wird so für die Unternehme­n erschwert.

Wie reagieren die Unternehme­n?

Erhöhte Preise für die Unternehme­n bedeuten oftmals auch erhöhte Preise für Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r: 67 Prozent der Unternehme­n in Deutschlan­d planen, die erhöhten Einkaufspr­eise und Produktion­skosten an ihre Kunden weiterzuge­ben.

Die Lieferengp­ässe führen jedoch auch zu längerfris­tigem Umdenken: 64 Prozent der Unternehme­n haben sich auf die Suche nach neuen oder zusätzlich­en Zulieferer­n gemacht, 57 Prozent planen mehr oder größere Lager zu betreiben. Jeweils 17 Prozent der Unternehme­n wollen außerdem mehr recycelte Materialie­n verwenden oder ihre Personalst­ärke an die niedrigere Produktion­skapazität anpassen.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Mitarbeite­r von Thyssenkru­pp im Stahlwerk in Duisburg: Deutsche Unternehme­n verzeichne­n unter anderem Lieferengp­ässen bei Stahl und Aluminium.

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