Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Radler bekommen mehr Platz am Allgäuer Ring
Die umstrittenen Umlaufsperren an der Neu-ulmer Hauptverkehrsader werden umgebaut – Wie die Aussichten für eine komplette Neugestaltung sind
- Seit mehr als vier Jahren stehen an den Zufahrten zum Allgäuer Ring Umlaufsperren, die Radfahrerinnen und Radfahrer bremsen und dadurch schützen sollen. Die Stangen waren von Anfang an umstritten. 2019 erhielt die Stadt Neuulm dafür sogar den „Goldenen Pannenflicken“, einen Negativpreis der Initiative Cycleride, der jährlich für „unzureichende, unzumutbare, unnötige, unbenutzbare und gefährdende Radverkehrsanlagen“verliehen wird. Jetzt tut sich was an dem viel befahrenen Neu-ulmer Kreisel. Die Stadt baut die Umlaufsperren um. Und was ist mit der Neugestaltung des Allgäuer Rings insgesamt?
Diese Woche haben die Arbeiten an den Umlaufsperren begonnen. „Ziel ist es, sie so umzubauen, dass sie auch für Lastenräder und Fahrräder mit Anhänger tauglich sind“, sagte Jochen Meissner, Hauptabteilungsleiter Tiefbau bei der Stadt Neu-ulm. Im nordwestlichen Bereich Richtung Adenauerbrücke würden die Stangen am weitesten zurückgebaut. An den anderen Zufahrten sollen sie so versetzt werden, dass auch große Räder oder Fahrradgespanne
durchfahren können. Die Stadt habe bei der Planung mit der Polizei und dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-club (ADFC) zusammengearbeitet. So habe es im Vorfeld Fahrversuche gegeben, um zu sehen, wie groß die Abstände der Stangen sein müssen, damit etwa Lastenfahrräder genug Platz haben.
Norbert Schulz, Vorstandsmitglied des ADFC Ulm/neu-ulm, war bei diesen Versuchen auf dem Weinhof in Ulm mit dabei. „Die Abstände der Drängelgitter wurden mit Pollern, Stangen und Pylonen nachgestellt“, erläuterte er. Ergebnis des Testlaufs: Ein Fahrrad mit Anhänger und ein zweirädriges Lastenrad kamen problemlos durch. Mit einem vierrädrigen Lastenfahrrad sei es hingegen schon sehr eng gewesen. So wird es künftig auch am Allgäuer Ring sein. „Es ist nicht optimal, aber besser als jetzt“, sagte Schulz zu den Umbauplänen der Stadt. Die Umlaufsperren erfüllten den Zweck, dass man langsamer fahren müsse. „Das hilft, Unfälle zu verhindern. Aber es ist nicht die Lösung. Es ist eine Krücke.“
Noch deutlicher wird Thomas Dombeck, der Geschäftsführer des ADFC Ulm/neu-ulm. „Das Ganze ist eine absolute Notlösung“, sagte er. „Natürlich müssen die Umlaufsperren weg, das ist eine Zumutung für alle Radfahrer.“Die Stangen dienten nur dazu, dass die Radler den Allgäuer
Ring meiden. Für den ADFC seien sie ein Dauerärgernis. Die Unfallgefahr am Allgäuer Ring sei auch deshalb so hoch, weil die Ein- und Ausfahrten zweispurig seien. Optimal wäre es aus Dombecks Sicht, wenn es eine Unterführung gäbe, damit Autos und Fahrräder sich nicht mehr direkt begegnen. Eine Alternative wäre, den Kreisel einspurig zu machen.
Das aber könnte zu langen Staus auf der Ringstraße und der Memminger Straße führen. Immerhin befahren den Allgäuer Ring etwa 35 000 Autos am Tag, wie Hauptabteilungsleiter Jochen Meissner auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte.
Könnte man die Umlaufsperren, die im Frühjahr 2017 für etwa 45 000 Euro aufgebaut wurden, nicht ganz entfernen? Die Stadt ist dagegen, die Polizei ebenfalls – aus Gründen der Sicherheit. „Aus unserer Sicht ergeben sie schon Sinn“, sagte Werner Lipp, Verkehrssachbearbeiter bei der Polizeiinspektion Neu-ulm. „Denn durch sie wird Geschwindigkeit herausgenommen.“Dadurch komme es zu einer Kommunikation und Verständigung zwischen den Verkehrsteilnehmern. So könnten Unfälle verhindert werden.
Ein Blick in die Statistik: Im Jahr 2016, als die Umlaufsperren noch nicht standen, passierten 66 Unfälle am Allgäuer Ring, davon elf mit Radbeteiligung. Ein Fahrradfahrer kam ums Leben, eine Radlerin wurde lebensgefährlich verletzt, acht Menschen wurden leicht verletzt. Im Jahr darauf waren es 53 Unfälle, neun davon mit Beteiligung von Radlern. Es gab einen Schwerverletzten und fünf Leichtverletzte. 2018 und 2019 stieg die Zahl der Unfälle insgesamt wieder an, die Zahl der Fahrradunfälle blieb jedoch unter zehn, außerdem gab es nur Leichtverletzte. 2020 dürfte wegen des Lockdowns ein Ausreißer sein, da auf den Straßen zeitweise deutlich weniger los war. Die Bilanz: 44 Unfälle, sieben mit Radbeteiligung, ein Schwerverletzter, drei Leichtverletzte.
Einen Umbau der Sperren befürworte die Polizei, damit beispielsweise auch Lastenräder durchpassen. Dann sei aber immer noch eine Barriere vorhanden, die zur Geschwindigkeitsreduzierung führe. Ganz abschaffen sollte man die Umlaufsperren dagegen nicht, so Werner Lipp.
Beseitigt werden die Stangen wohl erst, wenn der Allgäuer Ring im großen Stil umgebaut wird. Das allerdings ist ein Thema, über das in Neu-ulm schon seit geraumer Zeit gesprochen wird. Immerhin fünf Jahre ist es bereits her, dass der Neu-ulmer Stadtrat aus 15 möglichen Umbauvarianten drei ausgewählt hat, damit diese weiterentwickelt und konkretisiert werden: eine kleine Lösung mit zusätzlichen Verkehrsinseln zur besseren Querung, ein kompletter Umbau zu einer Kreuzung mit Ampel und ein neuer Kreisverkehr mit Unterführung für Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radlerinnen und Radler. Konkretere Beschlüsse gibt es aber bis heute nicht.
Erst, wenn klar ist, wie es mit der Memminger Straße weitergeht, kommt auch der Allgäuer Ring wieder auf die Tagesordnung. Wie berichtet, soll eine Untersuchung zeigen, ob eine eigene Öpnv-trasse auf dieser wichtigen Verkehrsachse möglich und sinnvoll ist. Auch eine Straßenbahnlinie Richtung Ludwigsfeld ist nach wie vor denkbar. Die Memminger Straße kommt aber erst dran, wenn die Reuttier Straße fertig ist. Die soll ab kommendem Jahr bis 2024 umgebaut werden. Eine Neugestaltung des Allgäuer Rings liegt somit noch in weiter Ferne.