Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Radler bekommen mehr Platz am Allgäuer Ring

Die umstritten­en Umlaufsper­ren an der Neu-ulmer Hauptverke­hrsader werden umgebaut – Wie die Aussichten für eine komplette Neugestalt­ung sind

- Von Michael Ruddigkeit

- Seit mehr als vier Jahren stehen an den Zufahrten zum Allgäuer Ring Umlaufsper­ren, die Radfahreri­nnen und Radfahrer bremsen und dadurch schützen sollen. Die Stangen waren von Anfang an umstritten. 2019 erhielt die Stadt Neuulm dafür sogar den „Goldenen Pannenflic­ken“, einen Negativpre­is der Initiative Cycleride, der jährlich für „unzureiche­nde, unzumutbar­e, unnötige, unbenutzba­re und gefährdend­e Radverkehr­sanlagen“verliehen wird. Jetzt tut sich was an dem viel befahrenen Neu-ulmer Kreisel. Die Stadt baut die Umlaufsper­ren um. Und was ist mit der Neugestalt­ung des Allgäuer Rings insgesamt?

Diese Woche haben die Arbeiten an den Umlaufsper­ren begonnen. „Ziel ist es, sie so umzubauen, dass sie auch für Lastenräde­r und Fahrräder mit Anhänger tauglich sind“, sagte Jochen Meissner, Hauptabtei­lungsleite­r Tiefbau bei der Stadt Neu-ulm. Im nordwestli­chen Bereich Richtung Adenauerbr­ücke würden die Stangen am weitesten zurückgeba­ut. An den anderen Zufahrten sollen sie so versetzt werden, dass auch große Räder oder Fahrradges­panne

durchfahre­n können. Die Stadt habe bei der Planung mit der Polizei und dem Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-club (ADFC) zusammenge­arbeitet. So habe es im Vorfeld Fahrversuc­he gegeben, um zu sehen, wie groß die Abstände der Stangen sein müssen, damit etwa Lastenfahr­räder genug Platz haben.

Norbert Schulz, Vorstandsm­itglied des ADFC Ulm/neu-ulm, war bei diesen Versuchen auf dem Weinhof in Ulm mit dabei. „Die Abstände der Drängelgit­ter wurden mit Pollern, Stangen und Pylonen nachgestel­lt“, erläuterte er. Ergebnis des Testlaufs: Ein Fahrrad mit Anhänger und ein zweirädrig­es Lastenrad kamen problemlos durch. Mit einem vierrädrig­en Lastenfahr­rad sei es hingegen schon sehr eng gewesen. So wird es künftig auch am Allgäuer Ring sein. „Es ist nicht optimal, aber besser als jetzt“, sagte Schulz zu den Umbaupläne­n der Stadt. Die Umlaufsper­ren erfüllten den Zweck, dass man langsamer fahren müsse. „Das hilft, Unfälle zu verhindern. Aber es ist nicht die Lösung. Es ist eine Krücke.“

Noch deutlicher wird Thomas Dombeck, der Geschäftsf­ührer des ADFC Ulm/neu-ulm. „Das Ganze ist eine absolute Notlösung“, sagte er. „Natürlich müssen die Umlaufsper­ren weg, das ist eine Zumutung für alle Radfahrer.“Die Stangen dienten nur dazu, dass die Radler den Allgäuer

Ring meiden. Für den ADFC seien sie ein Dauerärger­nis. Die Unfallgefa­hr am Allgäuer Ring sei auch deshalb so hoch, weil die Ein- und Ausfahrten zweispurig seien. Optimal wäre es aus Dombecks Sicht, wenn es eine Unterführu­ng gäbe, damit Autos und Fahrräder sich nicht mehr direkt begegnen. Eine Alternativ­e wäre, den Kreisel einspurig zu machen.

Das aber könnte zu langen Staus auf der Ringstraße und der Memminger Straße führen. Immerhin befahren den Allgäuer Ring etwa 35 000 Autos am Tag, wie Hauptabtei­lungsleite­r Jochen Meissner auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte.

Könnte man die Umlaufsper­ren, die im Frühjahr 2017 für etwa 45 000 Euro aufgebaut wurden, nicht ganz entfernen? Die Stadt ist dagegen, die Polizei ebenfalls – aus Gründen der Sicherheit. „Aus unserer Sicht ergeben sie schon Sinn“, sagte Werner Lipp, Verkehrssa­chbearbeit­er bei der Polizeiins­pektion Neu-ulm. „Denn durch sie wird Geschwindi­gkeit herausgeno­mmen.“Dadurch komme es zu einer Kommunikat­ion und Verständig­ung zwischen den Verkehrste­ilnehmern. So könnten Unfälle verhindert werden.

Ein Blick in die Statistik: Im Jahr 2016, als die Umlaufsper­ren noch nicht standen, passierten 66 Unfälle am Allgäuer Ring, davon elf mit Radbeteili­gung. Ein Fahrradfah­rer kam ums Leben, eine Radlerin wurde lebensgefä­hrlich verletzt, acht Menschen wurden leicht verletzt. Im Jahr darauf waren es 53 Unfälle, neun davon mit Beteiligun­g von Radlern. Es gab einen Schwerverl­etzten und fünf Leichtverl­etzte. 2018 und 2019 stieg die Zahl der Unfälle insgesamt wieder an, die Zahl der Fahrradunf­älle blieb jedoch unter zehn, außerdem gab es nur Leichtverl­etzte. 2020 dürfte wegen des Lockdowns ein Ausreißer sein, da auf den Straßen zeitweise deutlich weniger los war. Die Bilanz: 44 Unfälle, sieben mit Radbeteili­gung, ein Schwerverl­etzter, drei Leichtverl­etzte.

Einen Umbau der Sperren befürworte die Polizei, damit beispielsw­eise auch Lastenräde­r durchpasse­n. Dann sei aber immer noch eine Barriere vorhanden, die zur Geschwindi­gkeitsredu­zierung führe. Ganz abschaffen sollte man die Umlaufsper­ren dagegen nicht, so Werner Lipp.

Beseitigt werden die Stangen wohl erst, wenn der Allgäuer Ring im großen Stil umgebaut wird. Das allerdings ist ein Thema, über das in Neu-ulm schon seit geraumer Zeit gesprochen wird. Immerhin fünf Jahre ist es bereits her, dass der Neu-ulmer Stadtrat aus 15 möglichen Umbauvaria­nten drei ausgewählt hat, damit diese weiterentw­ickelt und konkretisi­ert werden: eine kleine Lösung mit zusätzlich­en Verkehrsin­seln zur besseren Querung, ein kompletter Umbau zu einer Kreuzung mit Ampel und ein neuer Kreisverke­hr mit Unterführu­ng für Fußgängeri­nnen und Fußgänger sowie Radlerinne­n und Radler. Konkretere Beschlüsse gibt es aber bis heute nicht.

Erst, wenn klar ist, wie es mit der Memminger Straße weitergeht, kommt auch der Allgäuer Ring wieder auf die Tagesordnu­ng. Wie berichtet, soll eine Untersuchu­ng zeigen, ob eine eigene Öpnv-trasse auf dieser wichtigen Verkehrsac­hse möglich und sinnvoll ist. Auch eine Straßenbah­nlinie Richtung Ludwigsfel­d ist nach wie vor denkbar. Die Memminger Straße kommt aber erst dran, wenn die Reuttier Straße fertig ist. Die soll ab kommendem Jahr bis 2024 umgebaut werden. Eine Neugestalt­ung des Allgäuer Rings liegt somit noch in weiter Ferne.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Die Umlaufsper­ren für Fahrradfah­rerinnen und Fahrradfah­rer am Allgäuer Ring in Neu-ulm werden umgebaut.
FOTO: ALEXANDER KAYA Die Umlaufsper­ren für Fahrradfah­rerinnen und Fahrradfah­rer am Allgäuer Ring in Neu-ulm werden umgebaut.

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