Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Besorgnis über „regelmäßige Selektion“
Katholiken befürchten mehr Abtreibungen durch Trisomie-pränataltests
(epd/kna) - Nach der Entscheidung, vorgeburtliche Bluttests auf Trisomien zur Kassenleistung zu machen, befürchtet die katholische Kirche eine Zunahme von Schwangerschaftsabbrüchen. Diese Tests beförderten aus Sicht der Kirche eine besorgniserregende Tendenz in Richtung einer „regelmäßigen Selektion“, teilte der Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, dem Evangelischen Pressedienst am Freitag mit. „Auf die Feststellung des ,unerwünschten Merkmals’ Trisomie erfolgt zumeist der Abbruch der Schwangerschaft. Bereits jetzt führen rund 90 Prozent der Trisomie-verdachtsfälle zum Tod des Embryos.“
Der Gemeinsame Bundesausschuss im Gesundheitswesen (GBA) hatte am Donnerstag seine Entscheidung bekannt gegeben, die Bluttests für Schwangere etwa auf das Downsyndrom beim ungeborenen Kind ab 2022 zur Kassenleistung zu machen. Dazu hatte er den letzten, noch notwendigen Beschluss gefasst und die Versicherteninformation gebilligt. Die Broschüre wird künftig fester Bestandteil der ärztlichen Beratung sein. Ihre Fertigstellung war Bedingung, dass der bereits im September 2019 gefasste G-ba-beschluss umgesetzt werden kann. Die Gentests sollen aber keine Routineuntersuchung werden.
„Als Kirche beobachten wir mit Sorge, dass die neuen nicht-invasiven pränataldiagnostischen Testverfahren sehr oft keine therapeutischen Ziele verfolgen“, sagte Kopp. Auch bei den Bluttests zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 handele es sich in erster Linie nicht um Tests mit einer medizinisch-therapeutischen Ausrichtung. Zudem befürchte man, dass die Kassenzulassung dazu beitragen wird, dass der vorgeburtliche Bluttest, anders als eigentlich vorgesehen, regulär und nicht ausnahmsweise eingesetzt wird.
Problematisch sei auch, dass die Frage des Schwangerschaftsabbruchs in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Bluttests – auch in der Versicherteninformation – deutlich im Vordergrund stehe, bemängelte der Sprecher. Dies werde der Tatsache nicht gerecht, dass das Vorliegen eines auffälligen Befundes für die betroffenen Frauen und Paare eine unerwartete psychische und emotionale Belastung darstelle. Die Kirche fordert daher eine frühzeitige und ausführliche ärztliche und psychosoziale Aufklärung, Beratung und Begleitung, in der nicht die Frage nach dem Schwangerschaftsabbruch im Mittelpunkt steht.
Auch der Sprecher der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Peer Brocke, warnte davor, dass der Bluttest zur Regeluntersuchung werde. „Es wäre überaus wichtig, wenn hier der Bundestag ganz klare Grenzen setzen würde“, sagte Brocke auf Anfrage. Die Lebenshilfe warnte vor einer stärkeren Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Regelung widerspreche auch den Verpflichtungen der Un-behindertenrechtskonvention.
Mit dem Eindruck, der Test sei medizinisch sinnvoll, würden falsche Hoffnungen geweckt und der Druck auf Schwangere, ein angeblich perfektes Kind zu bekommen, wachse, so Brocke. Ein weiteres Problem der Bluttests sei, dass die Zahl der falsch-positiven Ergebnisse zunehme, je jünger die Schwangeren seien. Das Ergebnis müsste so oder so mit invasiver Pränataldiagnostik wie Fruchtwasseruntersuchungen abgesichert werden. Damit laufe aber der angebliche Vorteil des nicht invasiven Bluttests ins Leere. Zudem öffne der Test die Tür für die Kassenzulassung weiterer Tests auf genetische Merkmale.