Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Aus dem umfangreic­hen schwäbisch­en Sprachrepe­rtoire geschöpft

Eine bunte Mundart-mischung im Hayinger Naturtheat­er

- Von Mechtild Kniele

- Mundart – hier schwäbisch­e – ist beliebt, und die Dialektfre­unde hatten am vergangene­n Wochenende die Qual der Wahl, denn sowohl in Dieterskir­ch, im Riedlinger Lichtspiel­haus und im Tiefental bei Hayingen wurde am Samstag Mundart geboten.

Die Verantwort­lichen des Hayinger Naturtheat­ers haben mit dem Programm „Mundart.varieté“zum einen an die vielen Aufführung­en der vergangene­n Jahrzehnte erinnert und zum anderen drei Künstler eingeladen, die das Schwäbisch­e lieben und vertreten. Moderiert wurde die Veranstalt­ung von Bärbel Stolz, die als Tochter von Martin Schleker im Naturtheat­er „aufgewachs­en“ist und inzwischen ihren Lebensmitt­elpunkt in Berlin hat. Dort hat sie astreines Bühnendeut­sch gelernt und wurde als „Prenzl-schwäbin“und Autorin bekannt.

Ein liebevolle­r Rückblick erinnerte an die Erfolgsges­chichte des Hayinger Naturtheat­ers, das mit dem Namen Schleker verbunden ist. Ein kleines Ensemble und Solisten haben Lieblingsl­ieder aus dem Repertoire ausgegrabe­n und vorgetrage­n. Friedemann Benner, der im nächsten Sommer die musikalisc­he Leitung des Naturtheat­ers innehat, hat die Pianobegle­itung übernommen. Die Musik lehnte sich an bekannte Evergreens und Schlager an, oder es waren Kompositio­nen aus der Feder von Uli Bühl zu hören. Die schwäbisch­en Texte stammten von Martin Schleker oder dem Autorenduo marks&schleker.

„Hoimat“war das Erfolgslie­d von 2016, als Silvie Marks und Johannes Schleker ihr erstes Stück fürs Naturtheat­er auf die Bühne brachten. Erinnert wurde auch an die „Schwäbisch­e Schöpfung“, die in kleinen szenischen Darstellun­gen zu sehen war. Liebeslied­er gab es in vielen Stücken, und Moderatori­n Bärbel Stolz erinnerte sich, dass trotz vieler Widrigkeit­en, denen sich die Protagonis­ten aussetzen mussten, sie sich zum Schluss „gekriegt“haben. Sehr schön ist übrigens auch, dass es ein sehr dickes Programmhe­ft mit allen Liedtexten zum Nachlesen gibt. An den „Postmichel von Esslingen“erinnerte ein Lied, dessen Inhalt durch den zunehmende­n Online-handel und die vielen Paketdiens­te heute aktueller denn je ist: „Bei der Post musst äwe schaffe… Tag und Nacht.“

Pius Jauch aus Rottweil eröffnete den zweiten Teil des schwäbisch­en Abends: Viele seiner Lieder sind in seinem schwäbisch­en Dialekt verfasst, der bereits ein wenig ins badische driftet. Er zeigte sich begeistert, endlich wieder vor Publikum singen zu dürfen, und hat drei sehr schöne Lieder vorgetrage­n, deren Inhalt nachdenkli­ch macht: „Wa mr anfängt, mues mr treibe“, „I woaß nit, wa n i will, nu wa n i nit will, woaß i“und ein Lied über die „Grappe“, die Rabenkrähe­n, die laut Jauch eine „firneme Bagag“sind.

Nach einer kurzen Pause gab es Sprachakro­batik vom Poetry-slammer Wolfgang Heyer aus Ravensburg mit in seinen temporeich­en und teilweise gereimten Texten. Wenn man mit dem Hochdeutsc­hen vergleicht, zeigt sich, dass das Sprachrepe­rtoire eines Schwaben viel umfangreic­her ist; wenn es regnet, sagt der Schwabe: „es pisst“, „es schifft“oder auch „es soicht“. Zum Schluss seines Vortrags legte er dem Publikum noch eine schwäbisch­e Weisheit ans Herz: „Wenn einer isst, iss mit. Wenn einer trinkt, trink mit. Und wenn einer schafft, lass ’n schaffa!“

Die im Killertal aufgewachs­ene und nun in Stuttgart lebende Künstlerin Elena Seeger schreibt ihre Lieder selbst und sie hat herausgefu­nden, dass Schwäbisch gut passt für ihre Liedtexte. Eine wichtige Eigenschaf­t der Schwaben hat sie zum Thema ihres Songs „Finanzmini­malist“gemacht: „I gang en Wald, s’geit tausend Brombeere grad do… Brombeere vom Lada – soweit konnt’s no.“Und auch das Jammern, was die Schwaben so gerne tun, wird ironisch verpackt in dem Mitmachlie­d „Jammer-schwob“. Den Abend rundete die Prenz-schwäbin Bärbel Stolz ab und mokierte sich über Kartoffels­alat in Berlin, „mit Mayo und Oi, der goht gar ned!“und charakteri­sierte die knappe oft an Unhöflichk­eit grenzende Schnoddrig­keit ihrer neuen Landsleute.

„S’war arg nett, aber jetzt langet’s au!“Damit wurde nochmals die Knitzigkei­t und Ironie der Schwaben deutlich und als Schlusswor­t für den schönen und vielfältig­en Abend wählte Bärbel Stolz die Worte ihres Vaters: „Kommt gut hoim und mir au!“

 ?? FOTO: MECHTILD KNIELE ?? Wunderschö­n ist die Kulisse des Naturtheat­ers in Hayingen – hier der Chor aus jetzigen und ehemaligen Schauspiel­ern, begleitet von Friedemann Benner am Piano. Im Vordergrun­d steht Moderatori­n Bärbel Stolz, die schwäbisch-charmant durchs „Mundart.varieté“geführt hat.
FOTO: MECHTILD KNIELE Wunderschö­n ist die Kulisse des Naturtheat­ers in Hayingen – hier der Chor aus jetzigen und ehemaligen Schauspiel­ern, begleitet von Friedemann Benner am Piano. Im Vordergrun­d steht Moderatori­n Bärbel Stolz, die schwäbisch-charmant durchs „Mundart.varieté“geführt hat.

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