Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Fitnesstrainer langt bei Dopingmitteln zu
Er kam beim Muskelaufbau nicht voran: Amtsgericht verurteilt Mann aus Alb-donau-kreis
- Er fühlte sich psychisch nicht gut. Er sah, wie die Muskeln anderer Kraftsportler wuchsen. Und er fühlte sich unwohl, weil ein Bäuchlein unter seinem Polo-shirt spannte, das er als Fitnesstrainer im Studio trug. All dies brachte einen heute 24 Jahre alten Mann aus dem Alb-donaukreis dazu, über das Internet Dopingmittel aus China zu bestellen.
Nun ist er vom Amtsgericht Ulm zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung sowie zu einer Geldauflage in Höhe von 1400 Euro verurteilt worden. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger glauben, dass der vorbestrafte Mann seinen Platz in der Gesellschaft inzwischen gefunden hat. Das liegt auch an der Mutter des 24-Jährigen.
Sein Testosteronspiegel sei wegen der Antidepressiva, die er wegen Panikstörungen einnahm, sehr niedrig gewesen, berichtete der Mann vor dem Amtsgericht Ulm. Vor rund fünf Jahren habe er deshalb Testosteron verschrieben bekommen.
Nachdem ihm sein Arzt die Mittel zwei Jahre später nicht länger zugestehen wollte, habe er schnell negative Folgen gespürt: „Da hat man dann schon gemerkt, dass die Stimmung wieder schlechter war und dass die Gewichtszunahme wieder da war. Das ist natürlich nicht optimal im Fitnessstudio“, schilderte der Mann vor Gericht.
Er bestellte Testosteron und Nandrolon im Internet, die Schraubfläschchen waren als Sojabohnenöl deklariert. Die Flughafenüberwachung Leipzig zog das Paket im Dezember 2018 aus dem Verkehr und ließ die Flüssigkeit untersuchen. Nachdem feststand, dass es sich um Dopingmittel handelte, übernahm die Staatsanwaltschaft Freiburg und schaltete das Zollfahndungsamt Stuttgart ein. Die Zöllner durchsuchten im Juni 2020 das Zimmer des Mannes, der damals wie heute bei seiner Mutter wohnte.
Im Zimmer des heute 24-Jährigen fanden die Zöllnerinnen und Zöllner weitere verbotene Substanzen. Die angesichts der Durchsuchung aufgewühlte und mitgenommene Mutter nannte den Beamten auch die Adresse der damaligen Freundin ihres Sohnes – in dieser Ulmer Wohnung lebte er zu dieser Zeit überwiegend. Und auch dort fand der Zoll Dopingmittel. Der heute 24-Jährige kooperierte und verriet das Versteck, schilderte eine Zollbeamtin vor Gericht.
Ampullen, Kapseln und Tabletten von Testosteron, Nandrolon, Drostanolon, Oxymetholon, Mesterolon und Exemestan hatte der Mann bei sich, die erlaubten Grenzwerte waren insgesamt um das 137-fache überschritten.
Die Ampullen waren teils angebrochen, doch der heute 24-Jährige will den Konsum schnell wieder abgebrochen haben. Er habe Pickel bekommen und unter Stimmungsschwankungen gelitten. „Sich selber Medikamente zu verschreiben ist schädlich und vielleicht doch nicht so schlau, wie ich dachte“, räumte er ein. Ein weiterer Grund seien die
Hausdurchsuchungen gewesen – und dass er miterlebt habe, wie erschüttert seine damalige Freundin und deren Kinder, vor allem aber seine eigene Mutter gewesen seien.
Dass er nicht nur seinen psychischen Zustand in den Griff bekommen wollte, gestand der Mann vor Gericht offen: Er habe bessere sportliche Erfolge erreichen wollen. Über ein Chat-programm holte er sich Rat von einem amerikanischen Bodybuilder, wie welche Mittel einzunehmen seien. „Ich hab nicht mehr so viel Fett eingelagert, ich hatte mehr Kraft, ich hatte mehr Energie“, sagte er über die Zeit, in der er die Leistungssteigerung so vorantrieb.
Heute nimmt er keine Dopingmittel mehr ein. Ein aktuelles ärztliches Gutachten, dass der Mann vor Gericht vorlegte, zeigt, dass sein derzeitiger Testosteron-spiegel deutlich unterhalb des Normbereichs liegt. Im Fitnessstudio arbeitet der Mann weiterhin, genauer gesagt: „Ich arbeite in einem Premium-fitnessstudio, 100 Euro aufwärts. Da geht es um Gesundheit. Das ist das, worauf ich mich konzentrieren will in Zukunft.“
Die Chance gab die Vorsitzende Richterin dem Mann: Er muss eine Geldauflage in Höhe von 1400 Euro bezahlen, seine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten wird dagegen für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Die Staatsanwaltschaft hatte fünf Monate mehr gefordert. Verteidiger Mihael Milosevic hatte kein Strafmaß vorgeschlagen, aber das Geständnis und das gute und gefestigte Umfeld seines Mandanten hervorgehoben.