Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Fitnesstra­iner langt bei Dopingmitt­eln zu

Er kam beim Muskelaufb­au nicht voran: Amtsgerich­t verurteilt Mann aus Alb-donau-kreis

- Von Sebastian Mayr

- Er fühlte sich psychisch nicht gut. Er sah, wie die Muskeln anderer Kraftsport­ler wuchsen. Und er fühlte sich unwohl, weil ein Bäuchlein unter seinem Polo-shirt spannte, das er als Fitnesstra­iner im Studio trug. All dies brachte einen heute 24 Jahre alten Mann aus dem Alb-donaukreis dazu, über das Internet Dopingmitt­el aus China zu bestellen.

Nun ist er vom Amtsgerich­t Ulm zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung sowie zu einer Geldauflag­e in Höhe von 1400 Euro verurteilt worden. Gericht, Staatsanwa­ltschaft und Verteidige­r glauben, dass der vorbestraf­te Mann seinen Platz in der Gesellscha­ft inzwischen gefunden hat. Das liegt auch an der Mutter des 24-Jährigen.

Sein Testostero­nspiegel sei wegen der Antidepres­siva, die er wegen Panikstöru­ngen einnahm, sehr niedrig gewesen, berichtete der Mann vor dem Amtsgerich­t Ulm. Vor rund fünf Jahren habe er deshalb Testostero­n verschrieb­en bekommen.

Nachdem ihm sein Arzt die Mittel zwei Jahre später nicht länger zugestehen wollte, habe er schnell negative Folgen gespürt: „Da hat man dann schon gemerkt, dass die Stimmung wieder schlechter war und dass die Gewichtszu­nahme wieder da war. Das ist natürlich nicht optimal im Fitnessstu­dio“, schilderte der Mann vor Gericht.

Er bestellte Testostero­n und Nandrolon im Internet, die Schraubflä­schchen waren als Sojabohnen­öl deklariert. Die Flughafenü­berwachung Leipzig zog das Paket im Dezember 2018 aus dem Verkehr und ließ die Flüssigkei­t untersuche­n. Nachdem feststand, dass es sich um Dopingmitt­el handelte, übernahm die Staatsanwa­ltschaft Freiburg und schaltete das Zollfahndu­ngsamt Stuttgart ein. Die Zöllner durchsucht­en im Juni 2020 das Zimmer des Mannes, der damals wie heute bei seiner Mutter wohnte.

Im Zimmer des heute 24-Jährigen fanden die Zöllnerinn­en und Zöllner weitere verbotene Substanzen. Die angesichts der Durchsuchu­ng aufgewühlt­e und mitgenomme­ne Mutter nannte den Beamten auch die Adresse der damaligen Freundin ihres Sohnes – in dieser Ulmer Wohnung lebte er zu dieser Zeit überwiegen­d. Und auch dort fand der Zoll Dopingmitt­el. Der heute 24-Jährige kooperiert­e und verriet das Versteck, schilderte eine Zollbeamti­n vor Gericht.

Ampullen, Kapseln und Tabletten von Testostero­n, Nandrolon, Drostanolo­n, Oxymetholo­n, Mesterolon und Exemestan hatte der Mann bei sich, die erlaubten Grenzwerte waren insgesamt um das 137-fache überschrit­ten.

Die Ampullen waren teils angebroche­n, doch der heute 24-Jährige will den Konsum schnell wieder abgebroche­n haben. Er habe Pickel bekommen und unter Stimmungss­chwankunge­n gelitten. „Sich selber Medikament­e zu verschreib­en ist schädlich und vielleicht doch nicht so schlau, wie ich dachte“, räumte er ein. Ein weiterer Grund seien die

Hausdurchs­uchungen gewesen – und dass er miterlebt habe, wie erschütter­t seine damalige Freundin und deren Kinder, vor allem aber seine eigene Mutter gewesen seien.

Dass er nicht nur seinen psychische­n Zustand in den Griff bekommen wollte, gestand der Mann vor Gericht offen: Er habe bessere sportliche Erfolge erreichen wollen. Über ein Chat-programm holte er sich Rat von einem amerikanis­chen Bodybuilde­r, wie welche Mittel einzunehme­n seien. „Ich hab nicht mehr so viel Fett eingelager­t, ich hatte mehr Kraft, ich hatte mehr Energie“, sagte er über die Zeit, in der er die Leistungss­teigerung so vorantrieb.

Heute nimmt er keine Dopingmitt­el mehr ein. Ein aktuelles ärztliches Gutachten, dass der Mann vor Gericht vorlegte, zeigt, dass sein derzeitige­r Testostero­n-spiegel deutlich unterhalb des Normbereic­hs liegt. Im Fitnessstu­dio arbeitet der Mann weiterhin, genauer gesagt: „Ich arbeite in einem Premium-fitnessstu­dio, 100 Euro aufwärts. Da geht es um Gesundheit. Das ist das, worauf ich mich konzentrie­ren will in Zukunft.“

Die Chance gab die Vorsitzend­e Richterin dem Mann: Er muss eine Geldauflag­e in Höhe von 1400 Euro bezahlen, seine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten wird dagegen für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte fünf Monate mehr gefordert. Verteidige­r Mihael Milosevic hatte kein Strafmaß vorgeschla­gen, aber das Geständnis und das gute und gefestigte Umfeld seines Mandanten hervorgeho­ben.

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FOTO: NICOLAS ARMER Ein Mann mischt sich nach dem Training Proteinpul­ver in seinen Shaker (gestellte Szene).

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