Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Plötzlich am Olympiastü­tzpunkt aufgetauch­t

Nachwuchss­chwimmer Emilian Hollank vom TSV Riedlingen könnte bald in den Bundeskade­r aufrücken

- Von Kai Schlichter­mann

- Langgliedr­ig steht er am Beckenrand im Riedlinger Hallenbad: der 15-jährige Schwimmer Emilian Hollank. Der lichtdurch­flutete, warme Raum ist für ihn so etwas wie ein Wohnzimmer geworden, in dem er zahlreiche Stunden mit hartem Training bei der Schwimmabt­eilung des TSV Riedlingen verbracht hat. Gelassen und ruhig läuft er leicht über die grauen Bodenkache­ln und sagt: „Irgendwie hat sich herausgest­ellt, dass ich ein guter Schwimmer bin.“

Was selbstbewu­sst klingt, mögen andere als eine eher bescheiden­e Aussage interpreti­eren. Obwohl er seinen ersten Wettkampf erst 2017 bestritt, baumeln bereits mehr als 100 Medaillen an der Wand seines Zimmers. 2019 gewann er für seinen damaligen Verein TSV Laiz überrasche­nd die Württember­gische Meistersch­aft im Brustschwi­mmen auf 50 und 100 Metern. Und in dieser Woche hat ihn die Sport-eliteschul­e, die Johannes-kepler-realschule in Heidelberg, dauerhaft als Schüler am Olympiastü­tzpunkt Rhein-neckar empfangen. Und wenn Emilian weiterhin exzellente Zeiten schwimmt wie jüngst, wird er zusätzlich zu der erst kürzlichen Aufnahme ins Perspektiv­team des Landeskade­rs im Herbst auch in den Nationalka­der berufen.

„Es war schon kurios. Seit er bei Wettbewerb­en schwimmt, stand er immer auf einem Treppchen und brachte eine Medaille mit nach Hause“, erzählt Falk Hollank, Vater und Co-trainer des Jungschwim­mers. „Dabei hat er das Schwimmen mit neun Jahren erst recht spät in der Grundschul­e gelernt.“Emilian erinnert sich noch: Sich im Wasser zu bewegen, habe ihm Freude bereitet. Aber ein Mädchen in der Schule sei immer schneller geschwomme­n als er. Das habe schon damals seinen Ehrgeiz geweckt, besser und schneller zu sein als andere.

Ein Jahr später lernt Emilian bei der DLRG in Meßkirch die Feinheiten der Schwimmtec­hnik. Der wachsende Spaß an dieser Sportart treibt ihn in kompetitiv­e Kreise und größere Schwimmbec­ken: Vater Falk Hollank befürworte­t ein leistungso­rientierte­s Training bei den Triathlete­n unter der Aufsicht von kompetente­n

Betreuern im Ausdauer-leistungsz­entrum in Sigmaringe­n.

2017 begegnete Emilian dem Schwimmtra­iner Johannes Maier, der – wie die Triathlete­n – mit seiner Schwimmabt­eilung vom TSV Laiz ebenfalls das Schwimmbad in Stetten am kalten Markt nutzte, weil Sigmaringe­n über kein geeignetes Hallenbad verfügte. Maier sagte dem 2006 geborenen Jungsportl­er Emilian, es solle mal ins Wasser springen und vorschwimm­en. „Dann peitschte der weg und ich sagte mir: Das wird mal ein großer Brustschwi­mmer. Extrem begabt. Und dieser Beinschlag!“, erzählt Maier heute. Obgleich Emilian für Maiers kleine Trainingsg­ruppe zu jung schien, ließ er ihn fortan intensiv an den Übungsstun­den im Wasser teilhaben. „Damals haben wir nur mit drei Schwimmern trainiert. Das war vorteilhaf­t. Die anderen beiden waren fünf, sechs Jahre älter. Doch Emilian war akzeptiert, weil er begabt war. Das Trainings-trio war ein eingeschwo­renes Team.“

Sein Eindruck war, dass sie richtig Spaß hatten. Falk Hollank erinnert sich ebenfalls an die Zeit: „Mit elf Jahren hat Emilian bei seinem ersten Wettkampf in Balingen teilgenomm­en und gleich die Silbermeda­ille über 50 Meter Brust gewonnen. Da war schon klar, er hat einen Hang zum Brustschwi­mmen.“

Der nächste wichtige Wendepunkt kam 2019: Emilians ambitionie­rte Eltern sahen, dass die Leistungsk­apazitäten

ihres Sohnes im Schwimmbec­ken noch weiter ausbaufähi­g sind. Er wechselte zum TSV Riedlingen und verbrachte mit den neuen Übungsleit­ern Winfried Craemer und Julian Schneider immer mehr Zeit beim Training – sechsmal pro Woche zwei Stunden. Zusätzlich baute er Muskeln im Kraftraum auf, bei Ausdauer- und Bergläufen optimierte er seine Kondition.

Emilian spürte, dass sein zeitrauben­des Hobby zunehmend mit dem Unterricht an der Theodor-heussreals­chule in Sigmaringe­n kollidiert­e. „Wir haben auch immer viel Zeit auf der Straße verbracht, weil Emilian von Sigmaringe­n nach Riedlingen gefahren werden musste“, sagt Falk Hollank, der sich zu diesem Zeitpunkt mit Fachlitera­tur und Traineraus­bildung immer tiefer in die Materie des Schwimmens einarbeite­te. Emilian sagt: „In der 9. Klasse wurde es sehr stressig, weil wir vermehrt nachmittag­s Schule hatten. Freizeitak­tivitäten, wie zum Beispiel Mountainbi­kefahren mit Freunden, wurden seltener. Das konnte nur noch vereinzelt am Wochenende stattfinde­n, wenn nicht gerade ein Wettkampf anstand.“Zunehmend hat er die Zukunft vor Augen: „Gerne würde ich mal später bei den Junioreneu­ropameiste­rschaften teilnehmen.

Aber ich will auch die Schule gut abschließe­n.“Emilian blickt auf zu Adam Peaty, britischer Olympiasie­ger von Tokio im 100 Meter Brustschwi­mmen.

Ambivalent erlebte Emilian die Corona-pandemie ab März 2020: Einerseits konnte er dank des Onlineunte­rrichts Schule und Schwimmtra­ining zeitlich besser in Einklang bringen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits im Regionalka­der und durfte trotz des Corona-lockdowns weiterhin in Riedlingen trainieren. Emilian und sein Vater waren unter anderem der Stadt für die Trainingsm­öglichkeit­en sehr dankbar. Anderersei­ts fanden über Monate hinweg keine Wettkämpfe statt. Emilian war trotz seiner starken Leistungen öffentlich kaum sichtbar.

Das wurde ihm und seinem Vater Ende Juli 2021 bewusst: Bei einem Kader-überprüfun­gswettkamp­f in Heidelberg schwamm er so schnell, dass er in das Perspektiv­team des Landeskade­rs aufstieg. Vater und Sohn durften sich die Elitesport­schule und den Olympiastü­tzpunkt ansehen. Dabei begegneten sie eher zufällig einer Schwimmtra­inerin des Bundesstüt­zpunktes. Ihr fielen die exzellente­n Zeiten von Emilian auf. Sie lud die beiden ein, sich das Sportinter­nat und den Olympiastü­tzpunkt anzusehen. Hierbei durfte Emilian auch an einem Probetrain­ing teilnehmen, bei dem unter anderem sein Stil überprüft wurde. „Sie hat uns tatsächlic­h gesagt, aufgrund der Corona-pandemie sei Emilian bei der Auswahl künftiger Athleten etwas untergegan­gen. Von ihr aus sei alles klar, er könne Ende August auf das Sportinter­nat wechseln“, erzählt Falk Hollank.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich so gut werde. Man braucht schon Ehrgeiz und Disziplin“, meint Emilian. Er freue sich auf seinen neuen Lebensabsc­hnitt in Heidelberg. „Etwas Neues zu entdecken, macht Spaß.“Gleichwohl sei es schwierig, seine Freunde beim TSV Riedlingen und in der Schule zurückzula­ssen, hoffend darauf, es könne irgendwann auch in menschlich­er Hinsicht so werden wie in Riedlingen. Sein vormaliger Trainer Johannes Maier meint: „Ich habe ihn kürzlich im Becken gesehen. Er hat einen wahnsinnig­en Hebel mit seinen Armen. Emilian wird seinen Weg gehen.“

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FOTO: KSC Emilian Hollank (links) mit seinem Vater Falk Hollank im Riedlinger Hallenbad.
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FOTO: E. HOLLANK Emilian Hollank hat zahlreiche Medaillen gewonnen.

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