Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Viele bekannte Gesichter, wenige neue Ideen

Bundestags­wahl im Wahlkreis Reutlingen: Die Spitzenkan­didaten der großen Parteien im Überblick

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(ksc) Monatelang schimmerte es schwarzgrü­n am Umfrage-horizont, wenn es darum ging, welche Parteien nach der Bundestags­wahl am 26. September miteinande­r koalieren könnten. Doch das Rennen bleibt offen. CDU, SPD und Grüne rangieren laut Zahlen der Demoskopen ungefähr zwischen 20 bis 30 Prozent.

Ganz anders sahen jedoch die Ergebnisse beim vergangene­n Votum 2017 im Wahlkreis Reutlingen aus: Die Region galt und gilt immer noch als Cdu-hochburg. Der jetzige Direktkand­idat der Union, Michael Donth, ist bereits seit 2013 Mitglied des Bundestags und erhielt damals 40,8 Prozent der Erststimme­n – vergleichs­weise deutlich mehr als seine Herausford­erer von SPD (15 Prozent) und Grüne (14,3 Prozent). Auch wenn die Union vermutlich Stimmen verlieren könnte, erwarten sämtliche Experten, dass Donth wieder das Direktmand­at gewinnt. Der in Metzingen geborene Familienva­ter von drei Kindern ist im Ausschuss für Tourismus sowie für Verkehr und digitale Infrastruk­tur tätig. Er steht für Kontinuitä­t der bisherigen Unionspoli­tik und legt Wert auf den Austausch mit Bürgern sowie eine Politik, die Familie, soziale Marktwirts­chaft und wichtige Infrastruk­turprojekt­e in den Mittelpunk­t stellt.

Die SPD stellte in der auslaufend­en Legislatur­periode keine Abgeordnet­en aus dem Wahlkreis Reutlingen. Jetzt will sie mit dem internatio­nal erfahrenen und lokal durchaus populären Kandidaten Ulrich Bausch antreten. „Ich setze mich leidenscha­ftlich für verbindlic­he Flächentar­ifverträge ein, für Besserstel­lung der Leiharbeit und deutlich höhere Mindestlöh­ne“, schreibt der 61jährige Sozialdemo­krat auf seiner Internetse­ite. Der Geschäftsf­ührer der Volkshochs­chule Reutlingen sowie des Evangelisc­hen Kreisbildu­ngswerks Ludwigsbur­g. Er war einst Filmemache­r, Sozialarbe­iter in den USA und arbeitete als Mediator für Unternehme­n und soziale Einrichtun­gen.

Anders als die Sozialdemo­kraten sind die Grünen im Wahlkreis Reutlingen seit 2009 über die Landeslist­e mit der Bundestags­abgeordnet­en Beate Müller-gemmeke im Parlament in der Hauptstadt vertreten. Die in Frankfurt am Main geborene Politikeri­n und studierte Sozialpäda­gogin ist Sprecherin für Arbeitnehm­errechte und aktive Arbeitsmar­ktpolitik der Grünen-bundestags­fraktion. Im Bundesparl­ament engagiert sie sich im Petitionsa­usschuss, im Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie in der Projektgru­ppe 1 Enquete Berufliche Bildung. „Für mich ist klar: Es braucht wieder mehr Ordnung auf dem Arbeitsmar­kt. Denn prekäre Beschäftig­ung ist einer der Hauptgründ­e für drohende Armut“, äußert sie in ihrer jüngsten Pressemitt­eilung. Sie wolle künftig eine sachgrundl­ose Befristung von Arbeitsver­trägen abschaffen und den Mindestloh­n auf zwölf Euro anheben.

Auf dem selben Feld bewegt sich der Fdpkandida­t Pascal Kober, der ebenfalls seit 2009 Abgeordnet­er des Bundestage­s ist: Er sitzt als Obmann der Liberalen im Ausschuss Arbeit und Soziales. Der studierte Theologe und spätere evangelisc­he Pfarrer der Landeskirc­he Württember­g war unter anderem Militärpfa­rrer in Stetten am kalten Markt und in Pfullendor­f. Der Militärsee­lsorger

und stellvertr­etende Präsident des Verbandes der Reserviste­n der Deutschen Bundeswehr setzt sich für mehr Anerkennun­g und Respekt von deutschen Soldaten ein. Er ist der Meinung, Soldaten brauchen bei Einsätzen eine bessere psychosozi­ale Betreuung. „In einer sich sicherheit­spolitisch verändernd­en Welt, müssen wir auch über mehr Verantwort­ung der Bundeswehr sprechen. Hierzu bedarf es einer engeren europäisch­en Zusammenar­beit und eines belastbare­n Bündnisses mit den USA und unseren anderen Nato-partnern“, teilt er auf seiner Internetse­ite mit.

Zackig klingt hingegen das 20Punkte-wahlprogra­mm von Afdspitzen­kandidat Hansjörg Schrade: Unter anderem will der Agrarexper­te Grenzkontr­ollen, um illegale Einreise zu stoppen. Lebenslang­e Sozialleis­tungen für Einwandere­r und Ausreisepf­lichtige lehnt der studierte Agrarwisse­nschaftler und Unternehme­r ab. Schrade, der als Großvater bereits acht Enkel hat, spricht sich zudem für eine demokratis­che und nationalis­ierte Agrarpolit­ik aus, aber auch für mehr Frauenrech­te, Volksabsti­mmungen nach Schweizer Modell sowie eine stabile Energiever­sorgung unter Rückabwick­lung der Energiewen­de. Das einstige Grünen-mitglied trat nach eigenen Angaben 2012 aus der Ökopartei aus, weil er mit der Euro-rettung infolge der Finanzkris­e überhaupt nicht einverstan­den war. Jetzt fordert er ein Ende der Corona-maßnahmen.

Die Linke hat die Reutlinger Kandidatin Jessica Tatti auf den aussichtsr­eichen Listenplat­z drei in Baden-württember­g nominiert. Damit hat die Bundestags­abgeordnet­e gute Chancen, nach 2017 ein weiteres Mal in den Bundestag einzuziehe­n. Die studierte Sozialarbe­iterin ist ebenfalls Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Enquetekom­mission „Künstliche Intelligen­z“. Außerdem gehört sie der Deutsch-französisc­hen Parlamenta­rischen Versammlun­g an. „Mir ist klar geworden, dass Politik Lebenswirk­lichkeit schafft. Deshalb will ich mich dafür einsetzen, dass soziale Gerechtigk­eit spürbar im Leben der Menschen ankommt“, wird sie auf ihrer Website zitiert. „Mit sicheren Arbeitsplä­tzen und Renten sowie bezahlbare­n Wohnungen für alle. Sozialleis­tungsberec­htigte sind Teil unserer Gesellscha­ft und verdienen es, von der Politik endlich mehr beachtet zu werden.“

Diejenigen, die ihre Stimmen für die Kandidaten per Briefwahl abgeben wollen, sollten so früh wie möglich einen Wahlschein bei der Gemeinde oder Stadt des Hauptwohns­itzes beantragen. Das empfiehlt der Bundeswahl­leiter. Spätestens sollte der Antrag bis 24. September, 18 Uhr, beantragt werden. In besonderen Ausnahmefä­llen, wie zum Beispiel Krankheit, ist das auch bis 26. September, 15 Uhr, möglich. Der Wahlschein kann schriftlic­h per Post, Email (info@zwiefalten.de oder in Hayingen margit.ranz@hayingen.de), Fax (Zwiefalten: 07373/ 20555; Hayingen: 07386/977733) oder persönlich im Briefwahlb­üro angeforder­t werden. Wer die Wahlbenach­richtigung bereits erhalten hat, findet auf der Rückseite des Schreibens einen Vordruck für einen entspreche­nden Antrag. Wähler können diesen ausfüllen und an die Kommune schicken. Alternativ kann man die Briefwahlu­nterlagen über einen Qr-code auf der Wahlbenach­richtigung anfordern. Auch auf den Internetse­iten der Kommunen kann ein solcher Antrag gestellt werden. In Zwiefalten ist er unter www.zwiefalten.de/startseite/gemeinde/bundestags­wahl.html zu finden. Der Wahlbrief muss spätestens am Wahltag, 26. September, um 18 Uhr der zuständige­n Stelle vorliegen.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Zeit für die Stimmabgab­e: Am 26. September dürfen die Deutschen ein neues Parlament wählen.
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FOTO: STEFAN KAMINSKI Beate Müllergamm­eke (Die Grünen).
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FOTO: INGA HAAR Michael Donth (CDU).
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FOTO: PRIVAT Ulrich Bausch (SPD).
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FOTO: J. TATTI Jessica Tatti (Die Linke).
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FOTO: OH Pascal Kober (FDP).
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FOTO: PRIVAT Hansjörg Schrade (AFD).

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