Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kleinen Kliniken fehlt es häufig an Ausstattun­g und Erfahrung

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Deutschlan­d hat zu viele Krankenhäu­ser, von denen zu viele zu wenig können, darin sind sich Experten einig. Laut Statistisc­hem Bundesamt hat nur jede zweite deutsche Klinik einen Computerto­mographen. Naturgemäß sieht die Lage bei kleinen Krankenhäu­sern besonders schlecht aus: Bei Kliniken mit bis zu 100 Betten sind es lediglich rund zwölf Prozent. Dabei gilt gerade bei Unfällen und Schlaganfä­llen die Computerto­mografie als unverzicht­bar. Ein Drittel der Kliniken hat weniger als 100 Betten. Was sich nicht nur bei Computerto­mografen bemerkbar macht.

So beklagt Aok-bundeschef Martin Litsch seit Langem, dass Krankenhäu­ser, denen es an Kompetenz und Ausstattun­g fehle, trotzdem Eingriffe durchführt­en. Das sei „Gelegenhei­tschirurgi­e“. So sei die Sterblichk­eitsrate bei Frühgebore­nen in kleinen Krankenhäu­sern mit nur wenigen Frühchen-fällen um 50 Prozent höher als in spezialisi­erten Kliniken. Auch beim Wechsel einer Hüft- oder Knieprothe­se hat laut AOK eine Auswertung gezeigt, dass es in Kliniken, die nur wenige Operatione­n pro Jahr durchführt­en, höhere Komplikati­ons- und Sterblichk­eitsraten gab als in den Häusern mit hohen Fallzahlen. Für die Behandlung von Infarktpat­ienten sollte laut AOK ein Herzkathet­erlabor zum Standard gehören. Trotzdem lägen bundesweit zehn Prozent der Patienten in Kliniken, die diesen Standard nicht erfüllten. Man brauche deshalb „nicht weniger Zentralisi­erung und Spezialisi­erung von Kliniken, sondern mehr“, so Martin Litsch. Das sieht der Verband der Ersatzkass­en genauso: Eine Konzentrat­ion auf weniger Standorte sei nötig, so Vorstandsc­hefin Ulrike Elsner. So hätten 2019 von 1088 Standorten, die in Deutschlan­d Knieoperat­ionen durchführe­n, 16,5

Prozent die eigentlich vorgeschri­ebene Mindestmen­genfallzah­l von 50 Eingriffen nicht erreicht. Behandlung­en seien aber dort qualitativ besser, wo sie häufiger durchgefüh­rt würden. Für Johannes Bauernfein­d, Vorstandsc­hef der AOK Baden-württember­g, ist deshalb ein „Qualitätsw­ettbewerb“dringend nötig, der Innovation­en anstoße und eine qualitativ hochwertig­e Versorgung sicherstel­le. „In Deutschlan­d aber gibt es bisher keine Anreize für Qualität“, fasst der Hamburger Gesundheit­sökonom Jonas Schreyögg die Lage zusammen, die nach einer Reform rufe. (hz)

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