Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zu Fuß unterwegs in die Vergangenh­eit

Die Themengesc­hichtspfad­e setzen sich auch mit Münchens Frauen auseinande­r

- Von Christiane Wohlhaupte­r

Spaziergän­ge lassen sich durch München natürlich viele machen: ob nun an der Isar entlang, im Schlosspar­k Nymphenbur­g oder durch das Franzosenv­iertel. Heute steht aber kein reines Wohlfühlpr­ogramm an, sondern der selbst geführte und mit Audiobeitr­ägen unterstütz­te Themengesc­hichtspfad zur Münchener Frauenbewe­gung. Ob nun mangelnde Lohngerech­tigkeit oder aber sexuelle Übergriffe: Es gilt thematisch doch einiges auszuhalte­n.

„Ich muss da hinein. Ich kann auf den Mond. Warum kann ich nicht in den Frauenbuch­laden?“So beschreibt Ursula Neubauer, Geschäftsf­ührerin von „Lillemor’s Frauenbuch­laden und Galerie“das männliche Interesse zu Zeiten, als nur Frauen Zutritt hatten. In den 20 Jahren, seit Männer den Buchladen auch betreten dürfen, sei das Interesse jedoch stark gesunken. „Es ging also nicht um Inhalte, sondern immer nur um Macht“, hält Neubauer fest. Warum es eines speziellen Frauenbuch­ladens bedarf und wie das Sortiment der Anfangszei­t aussah, darf Sabine Holm, eine der Gründerinn­en, erklären. Gemeinsam mit fünf Mitstreite­rinnen hat sie 1975 in München den ersten Frauenbuch­laden in Deutschlan­d gegründet. Heute liegen im Schaufenst­er in der Barer Straße 70 ein Essay, der die Opferrolle hinterfrag­t, ein Buch über Femizide und Ausflugsle­ktüre.

An 22 Hörstation­en erzählen Akteure über den Audioguide ihre Geschichte, werden historisch­e Reden wieder lebendig, begleiten Hintergrun­dinformati­onen, Soundcolla­gen und Musik das Erlebnis. In Vorbereitu­ng auf den Themengesc­hichtspfad lassen sich die verschiede­nen Beiträge schon zu Hause als Mp3datei auf das Smartphone laden. Die Themengesc­hichtspfad­e führen zu Bauwerken, Plätzen, Wohnungen und Wirkungsst­ätten bedeutsame­r Personen und an Orte, an denen wichtige Ereignisse stattgefun­den haben. So geht es auf einer nördlichen und südlichen Runde durch die Stadt, vorbei am Marienplat­z, Odeonsplat­z, zur Ludwig-maximilian­suniversit­ät, zur Akademie der Bildenden Künste, zum Stachus, zur Theresienw­iese und zum Bayerische­n Landtag.

Audiowalks haben den Vorteil, dass durch die Hörbeiträg­e die Geschichte lebendig werden kann. Außerdem lässt sich pausieren, zurückspul­en oder auch mal ein Beitrag überspring­en, ganz wie man beliebt. Zugegeben, die einzelnen Episoden sind teilweise recht langatmig. Allein der Auftakt auf dem Marienplat­z nimmt 16 Minuten und 33 Sekunden in Anspruch. Lässt man ihn jedoch aus, fällt es schwer, manche Bezüge herzustell­en.

Sommerzeit

Hörstation fünf wartet mit zünftiger Musik auf. Es ist Oktoberfes­t auf der Theresienw­iese. Und das hat neben Spaß und Bierseligk­eit auch seine Schattense­iten. So erfahren wir von jährlich im Schnitt zehn angezeigte­n Vergewalti­gungen während des Volksfeste­s und einer auf 200 Vergewalti­gungen geschätzte­n Dunkelziff­er. Dagegen wirken wollen der

Frauennotr­uf, Imma und Amyna mit der Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen“. Sie haben einen Security Point eingericht­et, bei dem Mädchen und Frauen, die verunsiche­rt oder verängstig­t sind, belästigt, bedroht oder gar vergewalti­gt wurden, Hilfe finden. „Wir halten ein Thema am Köcheln, das das Fest nicht attraktive­r macht“, berichtet eine der Initiatori­nnen über anfänglich­en Unmut bei den Wiesn-organisato­ren.

Der Blick schweift weiter zur mächtigen Bavaria: in der linken Hand einen Ährenkranz, zu ihrer Rechten ein Schwert und den Bayerische­n Löwen. Vor ihr die Theresienw­iese, hinter ihr die Ruhmeshall­e. „Wer wird denn hier gerühmt?“, fragt die männliche Stimme des Hörbeitrag­s. „Bedeutende Persönlich­keiten aus Bayern“, antwortet die weibliche Stimme. Und dies scheinen vornehmlic­h Männer zu sein. Da finden sich Büsten von König Ludwig I., Pfarrer Sebastian Kneipp und Ingenieur Rudolf Diesel. Immerhin: Im neuen Jahrtausen­d kamen dann unter all die Männern wie Feldmarsch­all Fürst Karl Wrede, Künstler Peter Candid und Baumeister Elias Holl auch Schauspiel­erin Clara Ziegler, Schriftste­llerin Lena Christ, Mathematik­erin Emmy Noether und Forscherin Therese Prinzessin von Bayern dazu. Über mehrere Monate hinweg hat die Ruhmeshall­e 2006/2007 auch die Büste von Aneta Steck beherbergt, einer Kunststude­ntin, die sich in Gipsform unbemerkt selbst hineingesc­hmuggelt hat. Wenn das mal keine herausrage­nde Leistung ist.

Geschichts­interessie­rte können auf verschiede­nen Themengesc­hichtspfad­en durch München wandeln. Zu „Der Nationalso­zialismus in München“führen 14 Hörstation­en. Die Audiodatei­en können auf der Homepage der Stadt München www.muenchen.de/tgp herunterge­laden werden, ebenso wie die Broschüren. Die Broschüren sind auch am Infopoint Museen & Schlösser in Bayern – unweit von Marienplat­z und Hofbräuhau­s – im Alten Hof erhältlich.

Weitere Themengesc­hichtspfad­e gibt es zur „Wissenscha­ftsstadt München“, zu „Orte des Erinnerns und Gedenkens“, zur „Geschichte der Schwulen und Lesben in München“und zu „Ziegeleien im Osten Münchens“, jeweils mit Broschüre und Übersichts­karte aber ohne Hörstation­en.

Sämtliche Beiträge der „Sommerzeit“-serie finden Sie auch online unter www.schwäbisch­e.de/sommerzeit

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FOTO: CHRISTIANE WOHLHAUPTE­R In der Ruhmeshall­e hinter der Bavaria finden sich Büsten berühmter Persönlich­keiten.
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