Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zu Fuß unterwegs in die Vergangenheit
Die Themengeschichtspfade setzen sich auch mit Münchens Frauen auseinander
Spaziergänge lassen sich durch München natürlich viele machen: ob nun an der Isar entlang, im Schlosspark Nymphenburg oder durch das Franzosenviertel. Heute steht aber kein reines Wohlfühlprogramm an, sondern der selbst geführte und mit Audiobeiträgen unterstützte Themengeschichtspfad zur Münchener Frauenbewegung. Ob nun mangelnde Lohngerechtigkeit oder aber sexuelle Übergriffe: Es gilt thematisch doch einiges auszuhalten.
„Ich muss da hinein. Ich kann auf den Mond. Warum kann ich nicht in den Frauenbuchladen?“So beschreibt Ursula Neubauer, Geschäftsführerin von „Lillemor’s Frauenbuchladen und Galerie“das männliche Interesse zu Zeiten, als nur Frauen Zutritt hatten. In den 20 Jahren, seit Männer den Buchladen auch betreten dürfen, sei das Interesse jedoch stark gesunken. „Es ging also nicht um Inhalte, sondern immer nur um Macht“, hält Neubauer fest. Warum es eines speziellen Frauenbuchladens bedarf und wie das Sortiment der Anfangszeit aussah, darf Sabine Holm, eine der Gründerinnen, erklären. Gemeinsam mit fünf Mitstreiterinnen hat sie 1975 in München den ersten Frauenbuchladen in Deutschland gegründet. Heute liegen im Schaufenster in der Barer Straße 70 ein Essay, der die Opferrolle hinterfragt, ein Buch über Femizide und Ausflugslektüre.
An 22 Hörstationen erzählen Akteure über den Audioguide ihre Geschichte, werden historische Reden wieder lebendig, begleiten Hintergrundinformationen, Soundcollagen und Musik das Erlebnis. In Vorbereitung auf den Themengeschichtspfad lassen sich die verschiedenen Beiträge schon zu Hause als Mp3datei auf das Smartphone laden. Die Themengeschichtspfade führen zu Bauwerken, Plätzen, Wohnungen und Wirkungsstätten bedeutsamer Personen und an Orte, an denen wichtige Ereignisse stattgefunden haben. So geht es auf einer nördlichen und südlichen Runde durch die Stadt, vorbei am Marienplatz, Odeonsplatz, zur Ludwig-maximiliansuniversität, zur Akademie der Bildenden Künste, zum Stachus, zur Theresienwiese und zum Bayerischen Landtag.
Audiowalks haben den Vorteil, dass durch die Hörbeiträge die Geschichte lebendig werden kann. Außerdem lässt sich pausieren, zurückspulen oder auch mal ein Beitrag überspringen, ganz wie man beliebt. Zugegeben, die einzelnen Episoden sind teilweise recht langatmig. Allein der Auftakt auf dem Marienplatz nimmt 16 Minuten und 33 Sekunden in Anspruch. Lässt man ihn jedoch aus, fällt es schwer, manche Bezüge herzustellen.
Sommerzeit
Hörstation fünf wartet mit zünftiger Musik auf. Es ist Oktoberfest auf der Theresienwiese. Und das hat neben Spaß und Bierseligkeit auch seine Schattenseiten. So erfahren wir von jährlich im Schnitt zehn angezeigten Vergewaltigungen während des Volksfestes und einer auf 200 Vergewaltigungen geschätzten Dunkelziffer. Dagegen wirken wollen der
Frauennotruf, Imma und Amyna mit der Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen“. Sie haben einen Security Point eingerichtet, bei dem Mädchen und Frauen, die verunsichert oder verängstigt sind, belästigt, bedroht oder gar vergewaltigt wurden, Hilfe finden. „Wir halten ein Thema am Köcheln, das das Fest nicht attraktiver macht“, berichtet eine der Initiatorinnen über anfänglichen Unmut bei den Wiesn-organisatoren.
Der Blick schweift weiter zur mächtigen Bavaria: in der linken Hand einen Ährenkranz, zu ihrer Rechten ein Schwert und den Bayerischen Löwen. Vor ihr die Theresienwiese, hinter ihr die Ruhmeshalle. „Wer wird denn hier gerühmt?“, fragt die männliche Stimme des Hörbeitrags. „Bedeutende Persönlichkeiten aus Bayern“, antwortet die weibliche Stimme. Und dies scheinen vornehmlich Männer zu sein. Da finden sich Büsten von König Ludwig I., Pfarrer Sebastian Kneipp und Ingenieur Rudolf Diesel. Immerhin: Im neuen Jahrtausend kamen dann unter all die Männern wie Feldmarschall Fürst Karl Wrede, Künstler Peter Candid und Baumeister Elias Holl auch Schauspielerin Clara Ziegler, Schriftstellerin Lena Christ, Mathematikerin Emmy Noether und Forscherin Therese Prinzessin von Bayern dazu. Über mehrere Monate hinweg hat die Ruhmeshalle 2006/2007 auch die Büste von Aneta Steck beherbergt, einer Kunststudentin, die sich in Gipsform unbemerkt selbst hineingeschmuggelt hat. Wenn das mal keine herausragende Leistung ist.
Geschichtsinteressierte können auf verschiedenen Themengeschichtspfaden durch München wandeln. Zu „Der Nationalsozialismus in München“führen 14 Hörstationen. Die Audiodateien können auf der Homepage der Stadt München www.muenchen.de/tgp heruntergeladen werden, ebenso wie die Broschüren. Die Broschüren sind auch am Infopoint Museen & Schlösser in Bayern – unweit von Marienplatz und Hofbräuhaus – im Alten Hof erhältlich.
Weitere Themengeschichtspfade gibt es zur „Wissenschaftsstadt München“, zu „Orte des Erinnerns und Gedenkens“, zur „Geschichte der Schwulen und Lesben in München“und zu „Ziegeleien im Osten Münchens“, jeweils mit Broschüre und Übersichtskarte aber ohne Hörstationen.
Sämtliche Beiträge der „Sommerzeit“-serie finden Sie auch online unter www.schwäbische.de/sommerzeit