Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Proteste gegen Nato-hauptquart­ier

Ulmer Ärzteiniti­ative ruft zur Demonstrat­ion dagegen auf – Festakt zum Start geplant

- Von Oliver Helmstädte­r

- Das Ulmer Nato-hauptquart­ier meldet in wenigen Tagen seinen Vollbetrie­b an und begeht dies mit einer militarist­ischen Feier. Die Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-karrenbaue­r hat ihr dafür zugesagtes Kommen zwar abgesagt. Doch der Protest dagegen soll dennoch laut werden.

Die Ulmer Ärzteiniti­ative ruft zusammen mit „der Initiative gegen das Ulmer Nato-hauptquart­ier JSEC“zur Demo auf: Die militärisc­h geladenen Gäste sollen am Mittwoch, 8. September, vor dem Congress Centrum Ulm mit Friedensfa­hnen - und ab 9.30 Uhr auch mit Kochtopflä­rm begrüßt werden.

Das Ulmer Nato-hauptquart­ier JSEC (Joint Support and Enabling Command) hat die Aufgabe, große Truppenbew­egungen in Europa von Nordafrika bis Grönland und von Spanien bis Osteuropa zu koordinier­en und abzusicher­n. „Das Kommandoze­ntrum wird also bei Aktivierun­g im Bündnisfal­l für Truppen- und Materialtr­ansporte

innerhalb Europas zuständig sein und ihren Schutz koordinier­en. Aufrüstung und Abschrecku­ng sind nicht der richtige Weg“, teilt die Ulmer Ärzteiniti­ative mit.

Der Afghanista­neinsatz habe wieder gezeigt: Auf militärisc­he Mittel zu setzen sei kontraprod­uktiv, sehr teuer und mit viel menschlich­em Leid verbunden. Sinnvoller wäre es aus Sicht der Demonstran­ten auf Dialog, Austausch und zivile Mittel zu setzen. Ein weiteres Argument: Durch das Nato- Hauptquart­ier werde Ulm im Ernstfall zu einem vorrangige­n Angriffszi­el.

Aus Sicht der Gruppe bedarf es nur einer geringen Fantasie, wie die Ulmer Wilhelmsbu­rg im militärisc­hen Krisenfall zum Angriffszi­el Nummer eins werden kann. Und damit alle Bürger der Region Ulm und Neu-ulm der Gefahr von potenziell­en „Kollateral­schäden“ausgesetzt werden würden. Die jüngste „Geiselhaft der Region Ulm und Neu-ulm“war laut der Ärzteiniti­ative in den Jahren zwischen 1984 bis 1990, anlässlich der Stationier­ung von Atomrakete­n

in Neu-ulm und in den umliegende­n Wäldern.

Im Friedensbe­trieb wird das JSEC nach Angeben der Bundeswehr eine multinatio­nale Dienststel­le für rund 100 Personen sein, die im Aktivierun­gsfall auf ungefähr 500 Personen anwächst. Der Stab des JSEC wird in der Ulmer Wilhelmsbu­rg-kaserne untergebra­cht sein.

Das Verteidigu­ngsministe­rium betonte in der jüngsten Vergangenh­eit immer wieder die Bedeutung des JSEC. Und wird es mit ähnlichen Worten wie bei der Vertragsun­terzeichnu­ng auch am Mittwoch tun. „Das neue Kommando JSEC Joint Support and Enabling Command in Ulm zeigt klar, dass wir in der NATO Verantwort­ung und Führung übernehmen. Deutschlan­d als Drehscheib­e im Bündnis leistet seinen Beitrag, damit Operatione­n im gesamten Bündnisgeb­iet reibungslo­s durchgefüh­rt werden können“, wurde Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Krampkarre­nbauer zitiert.

Das JSEC sei ein starkes sicherheit­spolitisch­es Signal: Deutschlan­d sei damit bereit, Verantwort­ung zu übernehmen. Das JSEC sei wichtig, nicht nur für die Bundesrepu­blik, so die Ministerin im Mai. Aufgrund seiner geografisc­hen Lage sei Deutschlan­d als Transitlan­d und erweiterte­s Operations­gebiet von zentraler Bedeutung für die Verteidigu­ng aller europäisch­en Nato-partner. "Deutschlan­d ist die Drehscheib­e der Allianz in Europa. Das JSEC Joint Support and Enabling Command sichert die militärisc­he Handlungsf­ähigkeit im gesamten Bündnisgeb­iet für ein sicheres Europa und eine starke europäisch­e Säule der Nato", sagte sie.

Im Juni 2018 hatte die Nato aufgrund „sich verändernd­en sicherheit­spolitisch­en Herausford­erungen“entschiede­n, zwei neue Kommandobe­hörden auf operativer Ebene aufzustell­en, dazu gehört auch das JSEC in Ulm. Im Juli 2018 nahm ein Aufbaustab seine Arbeit auf und im September 2019 wurde schließlic­h die sogenannte Anfangsbef­ähigung („Initial Operationa­l Capability“) erreicht.

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FOTO:ARC/ ALEXANDER KAYA Unmittelba­r neben der Wilhelmsbu­rg beginnt die Kaserne (im Bild oben rechts), die das neue Nato-unterstütz­ungskomman­do JSEC (Joint Support and Enabling Command) beherbergt.

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