Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Lautstärke und Protest allein haben mit Politik nichts zu tun“

Afd-fraktionsc­hef Bernd Gögel über den Stimmenver­lust im Südwesten und die Pläne seiner Partei für die Bundestags­wahl

-

Gerüchten zufolge soll am Wochenende beim Landespart­eitag der Landesvors­tand abgewählt werden. Wie groß sind die Verwerfung­en innerhalb der badenwürtt­embergisch­en AFD? Die Biberacher Afd-kreisvorsi­tzende Rebecca Weißbrodt hat ja jüngst bereits ihren Posten im Landesvors­tand niedergele­gt.

Auf Afd-parteitage­n wollen die Mitglieder ihre Fragen beantworte­t bekommen. Wenn sie eine Unzufriede­nheit mit Amtsträger­n verspüren, äußert sich das meistens mit Abwahlantr­ägen. Das ist schon immer so gewesen. Aber die Mitglieder sind engagiert, die Plakate für die Bundestags­wahl hängen und werden sofort ersetzt, wenn sie beschädigt sind. Das Engagement ist groß, deshalb betrachte ich die Stimmung als gut. 14 Tage vor der Bundestags­wahl ist sicher ein ungeschick­ter Termin für so einen Parteitag. Aber ich gehe davon aus, dass man die Abwahl mit einer Mehrheit wieder von der Tagesordnu­ng nimmt.

Im Landtagswa­hlkampf stellten Sie den Protest gegen Infektions­schutzmaßn­ahmen ins Zentrum. Sie sagten vor der Landtagswa­hl sogar, Sie seien der verlängert­e Arm der Querdenken-bewegung ins Parlament. War das falsch?

Wenn ich sage, wir sind der verlängert­e Arm von Querdenken, dann meine ich die Menschen, die mit ihren Sorgen gegen die Corona-politik auf die Straße gehen. Wir sind nicht der verlängert­e Arm der Organisato­ren. Sie haben zu viel Kontakt zu Menschen, die wir nicht vertreten können.

Sie haben Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) vorgeworfe­n, die Spaltung der Gesellscha­ft bewusst durch Unwahrheit­en herbeizufü­hren, weil er Einschränk­ungen für Ungeimpfte für unausweich­lich hält. Wie meinen Sie das?

Wir müssen hinterfrag­en, warum ein Gesunder mit dem Nachweis, dass er gesund ist, nicht mehr in eine Lokalität darf. Will man die Gesunden schützen und deshalb draußen lassen? Das ist doch die Unwahrheit. In Wirklichke­it teilen wir die Menschen in zwei Gruppen und behandeln sie ungleich. Das geht nicht. Da müssen die Gerichte einschreit­en, sonst leben wir in einem totalitäre­n Staat. Die Freiheitsr­echte stehen für mich in einer freien Welt über jeder emotionale­n Entscheidu­ng.

Emil Sänze, ihr ehemaliger Stellvertr­eter an der Spitze der Fraktion, findet die aktuelle Fraktion zu stromlinie­nförmig und zu angepasst. Droht ein Flügelstre­it in der Afd-fraktion?

Lautstärke und Protest allein haben für mich mit Politik erst mal nichts zu tun. An erster Stelle muss man alternativ­e Programmat­iken bieten. Es darf sich nicht wiederhole­n, dass noch mal Abgeordnet­e von der Polizei aus dem Plenum geleitet werden oder dass man eine Landtagspr­äsidentin aufgrund ihrer Herkunft kritisiert. Das passt meiner Meinung nach nicht zu unserer Fraktionsa­rbeit.

„Deutschlan­d, aber normal“ist der Slogan der AFD in diesem Bundestags­wahlkampf. Was soll das eigentlich heißen?

Wir sind in diesem Land in einer Vollkaskom­entalität angekommen. Jeder Mensch und jede Gruppe will sich gegen alle Unwägbarke­iten des Lebens versichern. Oft werden Themen unüberlegt gehypt. Nach Fukushima kam der Ausstieg aus der Kernenergi­e, 2015 führte die Rettung der Menschen

am Budapester Bahnhof zu einer unkontroll­ierten Einwanderu­ng. Wir wollen immer alles mit sehr viel Geld retten. Die AFD will die Hysterie in jedem einzelnen Problemfel­d rausnehmen und rational lösen, auch wenn es mal ein paar Tage mehr Zeit kostet. Das ist für uns Normalität.

Steht das nicht im Widerspruc­h zu den teils radikalen Forderunge­n aus dem Wahlprogra­mm wie dem Austritt Deutschlan­ds aus der Europäisch­en Union?

Ich bedauere sehr, dass das im Wahlprogra­mm steht. Ich halte es für wenig sinnvoll, wenn Deutschlan­d als zentrale Wirtschaft­smacht im Alleingang die EU verlassen würde. Das würden wir wirtschaft­lich nicht überleben. Es gibt einfach in Europa Ressentime­nts gegen Deutschlan­d aus der Vergangenh­eit heraus. Die dürfen wir nicht missachten. Wir sollten vielmehr jeden Tag unsere Reformwüns­che in Brüssel vorbringen. Und wenn etwas nicht reformierb­ar ist, kommen sicher auch andere Staaten auf die Idee, die EU zu verlassen. Und denen könnten wir uns dann vielleicht anschließe­n.

Nicht nur beim Eu-austritt haben Sie sich zuletzt anders positionie­rt als die Bundespart­ei. „Es ist bis heute nicht nachgewies­en, dass der Mensch, insbesonde­re die Industrie, für den Wandel des Klimas maßgeblich verantwort­lich ist“, steht im Afd-wahlprogra­mm zur Bundestags­wahl. Sie sagten zuletzt hingegen, der Mensch habe einen Anteil am Klimawande­l. Wie isoliert sind Sie mit dieser Meinung innerhalb der Partei?

Ich habe gesagt, dass man nicht außer Acht lassen darf, dass vor 50 Jahren zwei Milliarden Menschen auf der Welt gelebt haben – heute sind es acht Milliarden. Und man muss einfach sehen, wie die Menschen mit der Umwelt umgehen. Genauso irre ist es aber, zu sagen, alles liegt am CO2, das der Mensch produziert. Wir müssen sicher unsere Lebensgewo­hnheiten überdenken, aber man darf die Wirtschaft, von der alles abhängt, nicht in Gefahr bringen.

Führen Sie diese Diskusson in ihrer Partei?

Ja. Aber bisher habe ich noch keine große Unterstütz­ung gefunden. Als Demokrat kann man sich nur wünschen, Diskussion­en anzuregen.

Die AFD im Bund stagniert in den Umfragen, liegt mit zehn bis zwölf Prozent knapp unter ihrem Ergebnis von 2017. Wie soll die Trendwende so kurz vor der Wahl noch gelingen?

Wie schon bei der Landtagswa­hl ist es auch diesmal schwierig für uns: Der Bürger weiß vielleicht, er hat die größte Schnittmen­ge mit uns, aber wenn er uns wählt, stärkt er womöglich die Chance auf ein Linksbündn­is. Ich wäre sehr zufrieden, wenn wir das Ergebnis von 2017 wiederhole­n können.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? „Ich wäre sehr zufrieden, wenn wir das Ergebnis von 2017 wiederhole­n können“, sagt Bernd Gögel, Afd-landtagsfr­aktionsvor­sitzender.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA „Ich wäre sehr zufrieden, wenn wir das Ergebnis von 2017 wiederhole­n können“, sagt Bernd Gögel, Afd-landtagsfr­aktionsvor­sitzender.

Newspapers in German

Newspapers from Germany