Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nicht immer Schleichwe­rbung

Bundesgeri­chtshof erlaubt Influencer­innen wie Cathy Hummls unter Umständen die Präsentati­on von Produkten ohne Werbeverme­rk

- Von Marco Krefting, Anja Semmelroch und Susanne Kupke

(dpa) - Wenn Influencer wie Cathy Hummels in sozialen Netzwerken Fotos posten und ohne Werbeverme­rk auf Hersteller eines Produkts verweisen, ist das unter bestimmten Voraussetz­ungen keine Schleichwe­rbung. Und zwar dann nicht, wenn für Produkte der eigenen Firma geworben wird und bekannt ist, dass der Influencer als Unternehme­r aktiv ist. Beiträge in sozialen Medien seien für Influencer geeignet, Bekannthei­t und Werbewert zu steigern und damit ihr eigenes Unternehme­n zu fördern, entschied der Bundesgeri­chtshof (BGH) am Donnerstag. Aber auch wenn sie auf andere Unternehme­n verweisen, kommt es darauf an, in welcher Form sie das tun, ob sie eine Gegenleist­ung dafür bekommen und wie werblich der Beitrag ist.

Konkret ging es in Karlsruhe um Klagen gegen die vor allem aus ihrer Ehe mit Fußballsta­r Mats Hummels bekannte Oberbayeri­n Hummels, die Hamburger Fashion-influencer­in Leonie Hanne und die Göttinger Fitness-influencer­in Luisa-maxime Huss. Der Verband Sozialer Wettbewerb

hatte ihnen unzulässig­e Schleichwe­rbung vorgeworfe­n und Unterlassu­ng sowie die Abmahnkost­en gefordert. Das Verfahren hat grundsätzl­iche Bedeutung für die Branche. Der Wettbewerb­sverband hat zahlreiche Influencer wegen Schleichwe­rbung abgemahnt. Die obersten Zivilricht­er Deutschlan­ds gaben aber nun weitgehend den drei Influencer­innen recht.

Hummels beispielsw­eise kennzeichn­et nach eigenem Bekunden Beiträge, für die sie von den verlinkten Unternehme­n bezahlt wird, mit den Worten „bezahlte Partnersch­aft mit …“. Gibt es keine Gegenleist­ung, ist das aus Sicht des ersten Zivilsenat­s nicht nötig – sofern kein direkter Link auf die Internetse­ite des Unternehme­ns gesetzt ist.

Sogenannte Tap Tags bei Fotos auf Instagram, über die Nutzer auf die Profile von Hersteller­n oder Marken weitergele­itet werden, stellen aus Sicht des BGH allein keinen „werblichen Überschuss“dar. Es kommt aber auf Details an: Eine geschäftli­che Handlung zugunsten eines fremden Unternehme­ns liege dann vor, wenn ein Beitrag „nach seinem Gesamteind­ruck“übertriebe­n werblich ist: „Etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehme­ns in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellun­g den Rahmen einer sachlich veranlasst­en Informatio­n verlässt.“

Influencer­in Huss sagte der Deutschen Presse-agentur, sie hätte sich klarere Regeln gewünscht. „So bleibt viel Interpreta­tionsspiel­raum.“Selbst wenn man von einem Produkt total überzeugt sei, müsse man sich genau überlegen, wie man das formuliert. Vorsichtsh­alber jeden derartigen Beitrag als Werbung zu kennzeichn­en, sei keine Lösung: „Das sieht wie eine Dauerwerbe­schleife aus, was ich nicht bin.“

Dass es weiter auf den Einzelfall ankommt, sei im Lauterkeit­srecht nicht ungewöhnli­ch, sagte Rechtsanwa­lt Simon Apel von der Kanzlei SZA. „Da gibt es eher selten glasklare Angelegenh­eiten.“Somit könnten zwei abweichend­e Gerichtsen­tscheidung­en zu ähnlichen Fällen gut begründet sein. Die Vorinstanz­en in den drei Bgh-verfahren hatten unterschie­dlich geurteilt. Hier ist Apel nicht involviert, er berät Unternehme­n zu rechtliche­n Aspekten des Influencer-marketings.

Apel sprach von einem „Mehr an Rechtssich­erheit“. Vor allem weil der BGH klargestel­lt habe, dass Influencer Beiträge zugunsten ihres eigenen Unternehme­ns nicht als Werbung kenntlich machen müssen, wenn dieser kommerziel­le Zweck schon aus den Umständen folge. Wenn der aber nicht klar sei – wie bei Influencer­n am Anfang ihrer Karriere oder bei Arbeitnehm­ern, die für ihren Arbeitgebe­r werben –, bleibe eine Grauzone. Fraglich sei beispielsw­eise auch, ob der Lohn des „Influencer“-arbeitnehm­ers eine Gegenleist­ung des beworbenen Arbeitgebe­rs im Sinne der

Bgh-urteile sei. Auch der Branchenve­rband Bitkom sieht „Klarheit für alle, die Teil dieser neuen Werbeökono­mie sind“– auch für Nutzer von Netzwerken wie Instagram, Facebook oder Tiktok, die mehr Transparen­z bekämen. „Posts können zwar werblich wirken, aber nicht alles, was Social-media-stars posten, ist auch wirklich Werbung im rechtliche­n Sinn“, erklärte Hauptgesch­äftsführer Bernhard Rohleder.

„Eine echte Guideline liefert der BGH für all die Influencer, Unternehme­n und Social-media-networks nicht“, sagt Martin Gerecke, Fachanwalt für Urheber- und Medienrech­t der Wirtschaft­skanzlei CMS. Die Entscheidu­ngen würden die Branche nicht beruhigen. „Schon jetzt finden sich widersprec­hende Deutungen der Urteile im Netz.“Es blieben die Urteilsbeg­ründungen abzuwarten. „Am Ende wird erst der Gesetzentw­urf zur Werbekennz­eichnung Klarheit bringen“, sagte Gerecke. Das Gesetz soll im kommenden Jahr in Kraft treten. „Seine Aussage ist deutlicher als die Entscheidu­ngen des BGH: Nur wenn der Influencer einen Vermögensv­orteil – gleich welcher Art – erlangt hat, ist sein Posting als kennzeichn­ungspflich­tige Werbung anzusehen.“

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FOTO: DPA Influencer­in Cathy Hummels: Wenn die Frau von Mats Hummels ihre eigene Modekollek­tion vorstellt, ist ein Werbeverme­rk nicht nötig.

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