Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Massive Probleme in einigen Behörden“

Finanzexpe­rte Schick über Missstände im Zuständigk­eitsbereic­h von Olaf Scholz

- Von Dieter Keller

- Unter Olaf Scholz (SPD) als Finanzmini­ster geschieht zu wenig gegen Geldwäsche, beklagt Gerhard Schick, Ex-bundestags­abgeordnet­er der Grünen und heute Vorstand der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e.

„Razzia im Finanzmini­sterium“ist für Olaf Scholz eine hässliche Schlagzeil­e. Hat er sein Ministeriu­m nicht im Griff?

Ich denke nicht, dass man das an der Razzia ablesen kann. Die Frage, ob sie so nötig war, ist berechtigt. Denn es geht nicht um mögliche Kriminalit­ät in seinem Ministeriu­m selbst. Aber in Behörden, für die er zuständig ist, gibt es tatsächlic­h massive Probleme.

Arbeitet die Geldwäsche-zentralste­lle FIU schlecht, die das Ministeriu­m überwacht?

Eindeutig ja, und das gilt nicht nur für die FIU. Gleich bei drei großen Bundesbehö­rden, die dem Finanzmini­sterium unterstell­t sind, mussten wir in letzter Zeit feststelle­n, dass sie sehr schlecht arbeiten. Bei der FIU werden Verdachtsf­älle von Geldwäsche oft zu spät oder gar nicht an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet. Beim Bundeszent­ralamt für Steuern gingen wichtige Informatio­nen zur Aufklärung der Cum-ex-kriminalit­ät nicht an die Staatsanwa­ltschaft. Die Finanzaufs­icht Bafin hat vor der Wirecard-pleite Journalist­en durch Anzeigen unter Druck gesetzt, statt die Betrügerei­en selbst zur Anzeige zu bringen. In allen drei Fällen wurde in die falsche Richtung gearbeitet und damit die Verfolgung von Kriminalit­ät behindert.

Woran liegt das?

Das Grundprobl­em ist, dass das Thema Finanzkrim­inalität viel zu wenig ernst genommen wurde, auch schon unter Scholz-vorgänger Wolfgang

Schäuble. Jahrelang gab es für die gute Bekämpfung von Kriminalit­ät weder das nötige Personal noch die politische Rückendeck­ung. Und offensicht­lich ist es dem Finanzmini­sterium nicht gelungen, die Weichen in den Bundesbehö­rden so zu stellen, dass sie gute Arbeit machen.

Scholz hat sich eigentlich den Kampf gegen die Geldwäsche auf die Fahnen geschriebe­n. Wird er dem gerecht?

Man muss ihm zugutehalt­en, dass er bei der FIU das Personal aufgestock­t hat. Es gab einen Chefwechse­l, genauso wie bei der Bafin. Die Zugriffsmö­glichkeite­n für die FIU wurden erweitert. Aber das reicht noch lange nicht aus. Warum ist bei Immobilien­käufen immer noch Barzahlung möglich? Solche Summen zahlen eigentlich nur Kriminelle bar. Warum passiert so wenig beim Einzug von kriminell erlangtem Vermögen?

Aus der SPD kommt der Vorwurf, die Staatsanwa­ltschaft Osnabrück, die ermittelt, werde von der CDU missbrauch­t. Sehen Sie dafür Anzeichen?

Für eine Razzia in einem Bundesmini­sterium mitten im Wahlkampf braucht die Staatsanwa­ltschaft starke Argumente. Sie muss davon ausgehen, dass die Mitarbeite­r die Informatio­nen nicht von sich aus zur Verfügung stellen, sondern kriminelle­s Verhalten auf der Ebene der FIU decken wollen. Bisher sehe ich dafür keine Anzeichen. Aber vielleicht hat da die Staatsanwa­ltschaft andere Informatio­nen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany