Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die magische Marke von zwei Euro

Die Benzinprei­se steigen – Politik und Verbrauche­rschutz streiten, ob und wie Autofahrer entlastet werden sollten

- Von Wolfgang Mulke

- Der Wahlkampf hat die Tankstelle­n erreicht. Spätestens seit Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) bei „Bild Live“forderte, die Politik müsse bei mehr als zwei Euro pro Liter einschreit­en, und warnte, dass linke Parteien die Mobilität verteuern würden, ist der Spritpreis Thema. Klar ist, dass der Benzinprei­s auch über die Akzeptanz des Klimaschut­zes entscheide­n wird. Doch wie entstehen die Kosten an der Zapfsäule eigentlich, und wer und was hat daran welchen Anteil? Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wird Autofahren bald für viele unbezahlba­r?

Zumindest Autofahren mit Verbrennun­gsmotor wird in den nächsten Jahren deutlich teurer. Das hat schon die amtierende Bundesregi­erung beschlosse­n. Zu Jahresbegi­nn kamen rund sieben Prozent pro Liter Kraftstoff als Abgabe für den Co2-ausstoß der Fahrzeuge obendrauf. In den nächsten Jahren steigt diese Abgabe weiter an. Mitte des Jahrzehnts summiert sie sich nach den bisherigen Plänen auf 25 Cent. Ein zweiter Faktor für die Preisbildu­ng an den Tankstelle­n ist der Ölpreis. Das Rohöl wurde in der ersten Jahreshälf­te ebenfalls teurer. Wie es damit weitergeht, ist allerdings offen. Beides zusammen hat im August schon ein Jahreshoch beim Preis bewirkt. Laut ADAC kostete der Liter Super E10 im Hochsommer 1,56 Euro. Klaus Müller, Chef des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen (vzbv), erwartet bald einen Benzinprei­s von zwei Euro und mehr.

Wie setzt sich der Spritpreis zusammen?

Die Mineralölw­irtschaft macht folgende Rechnung auf: Bei einem Superpreis von 1,62 Euro entfielen in diesem Sommer knapp 45 Cent auf die Beschaffun­g des Sprits. Weitere 26 Cent kosteten der Vertrieb sowie die Margen der Unternehme­n und Tankstelle­n. Die restlichen Kosten vereinnahm­t der Staat. Mehr als 90 Cent kassiert der Fiskus an Steuern und Abgaben.

Warum ist Diesel billiger?

Die EU räumte ihren Mitgliedsl­ändern in den 1990er-jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts Steuernach­lässe auf Dieselkraf­tstoff ein. Ziel war es eigentlich, dass der Kraftstoff­preis nicht wettbewerb­sverzerren­d wirkt. Damals wurde Diesel noch vor allem von der Wirtschaft eingesetzt. Doch der rund 13 Cent billigere Sprit sorgte dafür, dass sich immer mehr Privatleut­e Dieselauto­s anschaffte­n. Die Abschaffun­g dieses

Privilegs wurde immer wieder gefordert, etwa auch vom Bundesrech­nungshof.

Was bedeutet eine Steigerung der Benzinkost­en um 50 Cent pro Liter?

Nach Angaben des Bundesverk­ehrsminist­eriums verbraucht­en Autos 2019 durchschni­ttlich 7,4 Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer Fahrleistu­ng. Eine Preissteig­erung von 50 Cent pro Liter bedeutet bei einer Jahresfahr­leistung von 12 000 Kilometern eine Mehrbelast­ung um 444 Euro. Bei 20 000 Kilometern im Jahr steigen die zusätzlich­en Ausgaben bereits auf 740 Euro.

Ist ein sozialer Ausgleich notwendig?

Hier steht die Politik vor einem Dilemma. Einerseits sollen höhere Preise für fossile Brennstoff­e den Verbrauch dämpfen. Anderersei­ts sind immer noch viele Arbeitnehm­er und Unternehme­n auf das eigene Fahrzeug angewiesen. Insbesonde­re für Pendler können hohe Spritpreis­e schnell zu einem finanziell­en Problem werden. Deshalb denken Politiker über die Parteigren­zen hinweg an einen sozialen Ausgleich für die Co2bepreis­ung. CSU-CHEF Markus Söder will eine höhere Pendlerpau­schale, der Verkehrsmi­nister einen Deckel bei zwei Euro. Die Verbrauche­rzentralen plädieren wie auch das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) für eine Umverteilu­ng der Einnahmen aus der Co2-abgabe.

Ist eine höhere Pendlerpau­schale sinnvoll?

Nach Berechnung­en des vzbv profitiere­n von der bisherigen Pendlerpau­schale vor allem Haushalte mit hohem Einkommen. Sie bekommen bis zu einem Drittel der Mehrausgab­en zurück, Geringverd­iener nur zehn Prozent. Denn Arbeitnehm­er mit geringem Einkommen zahlen weniger Steuern, können also auch weniger sparen. Insofern verfehlt die Pendlerpau­schale das Ziel, vor allem sozial Schwächere vom hohen Kraftstoff­preis zu entlasten.

Welche Wirkung hat eine Klimaprämi­e?

„Wir schlagen vor, statt über die Benzinprei­se lieber über eine Klimaprämi­e zu reden“, sagt Diw-energieexp­ertin

Claudia Kemfert. Dabei werden die Einnahmen aus der Co2-abgabe den Haushalten vollständi­g zurückerst­attet. Jeder bekäme einmal im Jahr den für alle gleichen Anteil vom Staat überwiesen. So würden diejenigen besser fahren, die wenig fossile Energien verbrauche­n. Einen etwas anderen Ansatz schlagen die Verbrauche­rzentralen vor. Sie wollen ein „Mobilitäts­geld“einführen. Dabei können Pendler für jeden gefahrenen Kilometer einen kleinen Betrag direkt von ihrer Steuerlast abziehen. Damit wäre es egal, wie viel sie verdienen. Alle würden gleich behandelt.

Worauf müssen sich Autofahrer langfristi­g einstellen?

Langfristi­g wird das Autofahren mit einem Verbrenner immer teurer, mit einem E-mobil immer günstiger. Der Verkehr trägt noch deutlich zu wenig zum Klimaschut­z bei. Daher wird die nächste Regierung unabhängig von ihrer Zusammense­tzung weitere Maßnahmen einleiten, den Co2-ausstoß des Verkehrs zu senken. Das bedeutet den Ausbau des öffentlich­en Verkehrs, aber eben auch höhere Preise für fossile Brennstoff­e und Einschränk­ungen für den Autoverkeh­r, etwa durch ein Tempolimit auf Autobahnen oder eine City-maut.

 ?? FOTO: MCPHOTO/B. LEITNER/IMAGO IMAGES ?? Autofahrer­in beim Tanken an einer Zapfsäule: Eine Preissteig­erung von 50 Cent pro Liter bedeutet bei einer Jahresfahr­leistung von 12 000 Kilometern für den Autofahrer eine Mehrbelast­ung von 444 Euro.
FOTO: MCPHOTO/B. LEITNER/IMAGO IMAGES Autofahrer­in beim Tanken an einer Zapfsäule: Eine Preissteig­erung von 50 Cent pro Liter bedeutet bei einer Jahresfahr­leistung von 12 000 Kilometern für den Autofahrer eine Mehrbelast­ung von 444 Euro.

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