Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die magische Marke von zwei Euro
Die Benzinpreise steigen – Politik und Verbraucherschutz streiten, ob und wie Autofahrer entlastet werden sollten
- Der Wahlkampf hat die Tankstellen erreicht. Spätestens seit Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei „Bild Live“forderte, die Politik müsse bei mehr als zwei Euro pro Liter einschreiten, und warnte, dass linke Parteien die Mobilität verteuern würden, ist der Spritpreis Thema. Klar ist, dass der Benzinpreis auch über die Akzeptanz des Klimaschutzes entscheiden wird. Doch wie entstehen die Kosten an der Zapfsäule eigentlich, und wer und was hat daran welchen Anteil? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wird Autofahren bald für viele unbezahlbar?
Zumindest Autofahren mit Verbrennungsmotor wird in den nächsten Jahren deutlich teurer. Das hat schon die amtierende Bundesregierung beschlossen. Zu Jahresbeginn kamen rund sieben Prozent pro Liter Kraftstoff als Abgabe für den Co2-ausstoß der Fahrzeuge obendrauf. In den nächsten Jahren steigt diese Abgabe weiter an. Mitte des Jahrzehnts summiert sie sich nach den bisherigen Plänen auf 25 Cent. Ein zweiter Faktor für die Preisbildung an den Tankstellen ist der Ölpreis. Das Rohöl wurde in der ersten Jahreshälfte ebenfalls teurer. Wie es damit weitergeht, ist allerdings offen. Beides zusammen hat im August schon ein Jahreshoch beim Preis bewirkt. Laut ADAC kostete der Liter Super E10 im Hochsommer 1,56 Euro. Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), erwartet bald einen Benzinpreis von zwei Euro und mehr.
Wie setzt sich der Spritpreis zusammen?
Die Mineralölwirtschaft macht folgende Rechnung auf: Bei einem Superpreis von 1,62 Euro entfielen in diesem Sommer knapp 45 Cent auf die Beschaffung des Sprits. Weitere 26 Cent kosteten der Vertrieb sowie die Margen der Unternehmen und Tankstellen. Die restlichen Kosten vereinnahmt der Staat. Mehr als 90 Cent kassiert der Fiskus an Steuern und Abgaben.
Warum ist Diesel billiger?
Die EU räumte ihren Mitgliedsländern in den 1990er-jahren des vergangenen Jahrhunderts Steuernachlässe auf Dieselkraftstoff ein. Ziel war es eigentlich, dass der Kraftstoffpreis nicht wettbewerbsverzerrend wirkt. Damals wurde Diesel noch vor allem von der Wirtschaft eingesetzt. Doch der rund 13 Cent billigere Sprit sorgte dafür, dass sich immer mehr Privatleute Dieselautos anschafften. Die Abschaffung dieses
Privilegs wurde immer wieder gefordert, etwa auch vom Bundesrechnungshof.
Was bedeutet eine Steigerung der Benzinkosten um 50 Cent pro Liter?
Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums verbrauchten Autos 2019 durchschnittlich 7,4 Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer Fahrleistung. Eine Preissteigerung von 50 Cent pro Liter bedeutet bei einer Jahresfahrleistung von 12 000 Kilometern eine Mehrbelastung um 444 Euro. Bei 20 000 Kilometern im Jahr steigen die zusätzlichen Ausgaben bereits auf 740 Euro.
Ist ein sozialer Ausgleich notwendig?
Hier steht die Politik vor einem Dilemma. Einerseits sollen höhere Preise für fossile Brennstoffe den Verbrauch dämpfen. Andererseits sind immer noch viele Arbeitnehmer und Unternehmen auf das eigene Fahrzeug angewiesen. Insbesondere für Pendler können hohe Spritpreise schnell zu einem finanziellen Problem werden. Deshalb denken Politiker über die Parteigrenzen hinweg an einen sozialen Ausgleich für die Co2bepreisung. CSU-CHEF Markus Söder will eine höhere Pendlerpauschale, der Verkehrsminister einen Deckel bei zwei Euro. Die Verbraucherzentralen plädieren wie auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für eine Umverteilung der Einnahmen aus der Co2-abgabe.
Ist eine höhere Pendlerpauschale sinnvoll?
Nach Berechnungen des vzbv profitieren von der bisherigen Pendlerpauschale vor allem Haushalte mit hohem Einkommen. Sie bekommen bis zu einem Drittel der Mehrausgaben zurück, Geringverdiener nur zehn Prozent. Denn Arbeitnehmer mit geringem Einkommen zahlen weniger Steuern, können also auch weniger sparen. Insofern verfehlt die Pendlerpauschale das Ziel, vor allem sozial Schwächere vom hohen Kraftstoffpreis zu entlasten.
Welche Wirkung hat eine Klimaprämie?
„Wir schlagen vor, statt über die Benzinpreise lieber über eine Klimaprämie zu reden“, sagt Diw-energieexpertin
Claudia Kemfert. Dabei werden die Einnahmen aus der Co2-abgabe den Haushalten vollständig zurückerstattet. Jeder bekäme einmal im Jahr den für alle gleichen Anteil vom Staat überwiesen. So würden diejenigen besser fahren, die wenig fossile Energien verbrauchen. Einen etwas anderen Ansatz schlagen die Verbraucherzentralen vor. Sie wollen ein „Mobilitätsgeld“einführen. Dabei können Pendler für jeden gefahrenen Kilometer einen kleinen Betrag direkt von ihrer Steuerlast abziehen. Damit wäre es egal, wie viel sie verdienen. Alle würden gleich behandelt.
Worauf müssen sich Autofahrer langfristig einstellen?
Langfristig wird das Autofahren mit einem Verbrenner immer teurer, mit einem E-mobil immer günstiger. Der Verkehr trägt noch deutlich zu wenig zum Klimaschutz bei. Daher wird die nächste Regierung unabhängig von ihrer Zusammensetzung weitere Maßnahmen einleiten, den Co2-ausstoß des Verkehrs zu senken. Das bedeutet den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, aber eben auch höhere Preise für fossile Brennstoffe und Einschränkungen für den Autoverkehr, etwa durch ein Tempolimit auf Autobahnen oder eine City-maut.