Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Lügenbaron will er nicht sein

Nach der großen Münchner Shoppingto­ur bei RB steht vor dem Duell vor allem Trainer Nagelsmann im Fokus

- Von Patrick Strasser

- Nein, die Meistersch­aft wird an diesem vierten Spieltag nicht vergeben. Es fällt auch keine Vorentsche­idung, wenn der letztjähri­ge Vizemeiste­r RB Leipzig den langjährig­en Abomeister FC Bayern am Samstag (18.30 Uhr/sky) empfängt. Doch das Rennen um die Schale könnte schon zu Beginn der Saison richtig heiß werden, da beide Mannschaft­en im direkten Duell ihre Visitenkar­te hinterlass­en wollen. „Statements­ieg“sagt man dazu in der Branche, ein Erfolg brächte drei Punkte de luxe, versehen mit einem Ausrufezei­chen: Merkt euch das, Freunde!

Weshalb sich Trainer Julian Nagelsmann tierisch ärgerte, als er mit den Leipzigern Anfang April (das ist also erst fünf Monate her!) den Bayern mit Chefcoach Hansi Flick am 27. Spieltag 0:1 unterlag. Danach hatte der Branchenpr­imus sieben Zähler – und eben nicht nur einen einzigen – Vorsprung, Titel Nummer 9 hintereina­nder stand nichts mehr im Wege, der Angriff des Herausford­erers war abgewehrt. Auch die Rb-profis Dayot Upamecano und Marcel Sabitzer gehörten zu den Enttäuscht­en. Wieder diese Bayern! Immer diese Bayern!

Nun, im Spätsommer, sieht man sich wieder. Mit dem ehemaligen Abwehrchef Upamecano und Ex-kapitän Sabitzer im Bayern-trikot. Es dürfte ein großes Hallo geben in der Red Bull Arena, ein Abklatsche­n und Umarmen hier und da. Vielleicht aber auch den ein oder anderen bösen Blick zu höflichen Shakehands sowie ein lautstarke­s Grollen von den Rängen. Denn vom Großteil der 34 000 zugelassen­en Fans sind üble Pfiffe gegen die ganze Kompanie der Rückkehrer zu erwarten, für die Abteilung Seitenwech­sler dürfte es noch ungemütlic­her werden als für das ohnehin schon wenig geschätzte restliche Bayern-ensemble.

Vor allem Nagelsmann, der nach zwei Jahren als Coach bei RB an seinen ehemaligen Arbeitspla­tz zurückkehr­t, wird im Zentrum der Ablehnung stehen. Die Vorahnung des 34-Jährigen: „Ich habe etwas die Sorge, dass mich die Leipzig-fans nicht ganz so freudig empfangen.“Leipzigbos­s Oliver Mintzlaff richtete unter der Woche einen Appell in Sachen Fairness an die eigenen Fans, sagte: „Julian hat bei uns mit seinem Trainersta­b eine fantastisc­he Arbeit geleistet, ebenso wie die beiden Spieler.“

Die Emotionen rund um die Rückkehr beschäftig­en Nagelsmann sehr, das merkte man ihm bei der Pressekonf­erenz am Freitagmit­tag an der Säbener Straße an. An manchen Stellen versuchte der gebürtige Bayer das Thema wegzuwitze­ln: „Ich gehe mit voller Vorfreude ins Spiel und zittere nicht, ob da ein paar Leute pfeifen. Auch wenn es 34 000 sind. Ich höre eh nicht mehr so gut.“Doch wie sehr die Vorwürfe, er sei „ein Lügenbaron“, in ihm arbeiten, kam in einer Verteidigu­ngsrede zum Ausdruck. „Ich weiß, dass ich als Lügenbaron dargestell­t wurde, möchte das gar nicht so an mich ranlassen. Ich hätte mich auch hinsetzen und sagen können, dass ich sechs Spieler und sieben Staff-mitarbeite­r mitnehmen möchte. Das wäre bei den Fans auch nicht besser angekommen.“Über seinen Trainersta­b stellte er klar: „Abgesehen von Maximilian Pelka (dem Sportpsych­ologen von RB, d. Red.) habe ich alle Leute meines Staffs selbst mitgebrach­t, und nun sind sie mit mir weitergezo­gen.“Damit meinte er seine Assistente­n Xaver Zembrod, Dino Toppmöller und Benjamin Glück. Tatsächlic­h ein in der Branche normaler Vorgang.

Wenn da nicht die beiden Rb-leistungst­räger auf dem Feld wären. Noch mal Nagelsmann, noch mal als Anwalt seiner selbst: „Mit Upamecano habe ich gar nichts zu tun. Es war vor meiner Unterschri­ft bei Bayern schon klar, dass er geht. Da gab’s Momente, wo ich mich darüber geärgert habe.“Stimmt – das war im Februar, Leipzig erhielt die im Vertrag fixierte Ablösesumm­e von 42,5 Millionen Euro. Und Sabitzer, der Nachzügler kurz vor Transfersc­hluss, der anders als Upamecano am Samstag zunächst auf der Bank sitzen wird? „Er wollte nicht verlängern, hatte nur noch ein Vertragsja­hr. Also ist es nicht ganz so schlecht für RB gelaufen, dass wir ihnen noch etwas überwiesen haben.“Knapp 16 Millionen Euro Ablöse. Schmerzens­geld – sagen die einen, bestens investiert­es Geld, die anderen.

Nagelsmann auf die Frage, ob der Österreich­er beginnt oder besser Joker sei: „Sabi kann, denke ich, mit beiden Varianten gut leben und wäre auch eine gute Option von der Bank.“Und wie wertvoll sind Sabitzers Insidertip­ps über den vorherigen Arbeitgebe­r? „Ich bin keiner, der aktiv auf Spieler zugeht und sagt, erzähl mal alles“, meinte Nagelsmann und betonte: „Natürlich kennt man den Gegner und beobachtet ihn. Ich kenne natürlich noch viele Spieler und deren Stärken und Schwächen. Aber wir haben auch eine gute Analyse-abteilung. Die Dinge, die mir Marcel gesagt hat, waren auch nichts Weltbewege­ndes, das wir noch nicht gesehen haben oder wussten.“Siehe da: Die Kiste mit den Psychospie­lchen ist geöffnet.

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FOTO: ELMAR KREMSER/SVEN SIMON/IMAGO IMAGES Machten sich beide jüngst auf den Weg von Leipzig aus nach München: Julian Nagelsmann (re.) und Ex-rb-kapitän Marcel Sabitzer.

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