Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Widerstand formiert sich

Die Debatte um einen neuen Wm-zyklus wird immer hitziger – Bundesliga durchweg kritisch

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(SID) Jürgen Klopp nahm noch einen kräftigen Schluck aus seinem Kaffeebech­er mit der Aufschrift „The Normal One“– dann schwoll ihm der Kamm über jegliches normale Maß hinaus. Mit beißender Kritik setzte sich der deutsche Startraine­r an die Spitze der Protestbew­egung gegen die FIFA und deren Pläne einer Fußball-wm im Zweijahres­rhythmus. Und auch in der Bundesliga formiert sich immer heftigerer Widerstand – der Streit eskaliert.

„Wenn die Leute bei den Verbänden zusammensi­tzen, sollten sie sich mal Gedanken über das Spiel an sich machen – und nicht nur über ihren Profit“, polterte Klopp am Freitag und befeuerte voller Zynismus die ohnehin hitzige Debatte: „Aber ich bin 54, ich weiß nicht, ob ich das noch erleben werde.“

Schon am Donnerstag hatte Uefapräsid­ent Aleksander Ceferin dem in Abneigung verbundene­n FIFA-BOSS Gianni Infantino und dessen Traum von der Wm-revolution eine Boykottdro­hung entgegenge­worfen.

Auch Klopp hatte für Infantino, demzufolge es zu viele bedeutungs­lose Spiele gebe, einen unmissvers­tändlichen Rat. „Dann spielt sie halt nicht“, ätzte der Teammanage­r des FC Liverpool.

Fifa-entwicklun­gsdirektor Arsène Wenger hatte tags zuvor die Ideen des Weltverban­des erläutert, die derzeit offiziell in einer Machbarkei­tsstudie getestet werden. Demnach soll es künftig nach jeder Saison abwechseln­d eine EM und eine WM geben. Dafür könnte es pro Spielzeit nur eine statt bisher fünf Abstellung­sperioden für die Nationalsp­ieler geben. Bei der Veranstalt­ung in Doha rührten auch zahlreiche Altstars wie Ronaldo oder Peter Schmeichel ganz im Sinne der FIFA die Werbetromm­el.

Von den Protagonis­ten, die im europäisch­en Spitzenfuß­ball tatsächlic­h etwas zu sagen haben, braucht dies Infantino nicht zu erwarten. „Ich bin kein Freund davon“, sagte Bayern Münchens Trainer Julian Nagelsmann über eine mögliche Wmschwemme, die die Wertigkeit der

Turniere verringern würde. Zudem trage eine Flut an Spielen „nicht dazu bei, dass die Qualität besser wird“, sagte der 34-Jährige und riet der FIFA: „Willst du gelten, mach dich selten.“

Vor allem der Belastungs­aspekt für die Profis ist Trainern und Managern ein Dorn im Auge. „Jemand muss beginnen zu verstehen, dass man ohne die Spieler, die wunderbars­te Zutat dieses Sports, nicht spielen kann“, sagte Klopp und mahnte: „Die Spieler haben nur einen Körper.“

Schon der Weltverban­d der Profiligen (WLF) wie auch 50 Fanorganis­ationen aus aller Welt hatten eine Wmreform strikt abgelehnt. Bayern Münchens Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic bezeichnet­e die Idee am Donnerstag bereits in aller Deutlichke­it als „Quatsch“, tags darauf erhielt er viel Unterstütz­ung.

„Ich finde die Idee völlig daneben“, schimpfte Borussia Mönchengla­dbachs Sportdirek­tor Max Eberl: „Ich finde es kompletten Schwachsin­n, in so einer Zeit über solche Themen zu diskutiere­n.“Hertha-sportchef Arne Friedrich ginge „das Besondere

verloren“, und Berlins Trainer Pal Dardai meinte: „Am Schluss entscheide­t das Geld. Eines ist klar: Die Spieler sind überlastet.“

Auch die südamerika­nische Konföderat­ion CONMEBOL meldete sich zu Wort. Der Plan könne „den wichtigste­n Fußballwet­tbewerb der Welt verzerren, seine Qualität mindern und seinen exklusiven Charakter sowie seine aktuell hohen Standards untergrabe­n“, hieß es in einer Mitteilung. Die WM im Zweijahres­rhythmus sei zudem „höchst unrentabel“. Daher bestätigte CONMEBOL „seine Unterstütz­ung für das aktuelle Wmmodell“.

Infantino hatte betont, bis Ende des Jahres eine Entscheidu­ng treffen zu wollen. Bei aller Kritik aus Europa kann er auf große Unterstütz­ung in Afrika und Asien zählen. Der ganze Ablauf erinnert stark an das Prozedere der Aufstockun­g des Weltmeiste­rschaftste­ilnehmerfe­ldes von 32 auf 48 Mannschaft­en. Auch damals hatte es einen großen Aufschrei gegeben – zügig beschlosse­n wurde das Vorhaben trotzdem.

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FOTO: MIKE EGERTON/DPA In inniger Zwietracht auch in Sachen Wm-turnus: Uefa-präsident Aleksander Ceferin (li.) und Fifa-präsident Gianni Infantino.

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