Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wie aus Gästen Stammgäste werden
Eine Schwalbe am Himmel macht noch keinen Sommer – und ein Insekt in der Suppe noch keine gastronomische Katastrophe. Zumal auf einer Terrasse mit natürlicher Baumbeschattung eben nicht nur genusswillige Menschen was Leckeres zu essen haben wollen. Sondern eben auch Insekten. Da ist das Hotel Restaurant Heinzler am See in Immenstaad natürlich keine Ausnahme. Die Frage ist immer, wie man mit einem solchen missliebigen Intermezzo aus dem Tierreich umgeht – genau das wird sich später bei der Rechnung zeigen.
Doch so weit sind wir ja noch nicht. Zunächst gilt es das Ambiente zu loben, das natürlich vom Bodensee beeinflusst ist. Die Einrichtung innen wie außen ist überall hochwertig mit der Betonung natürlicher Werkstoffe wie Holz und Leder. Und zwar in modernem Landhausstil
– nichts davon ist altbacken, was zeigt, dass die Familie Heinzler stets in die Zukunft ihres gastronomischen Betriebs investiert hat. Und in gutes Personal: Der Kellner, der den Tisch stets im Blick hat, ist ebenso freundlich wie kompetent.
Und das Essen? Auch da ist das Hotel nicht stehen geblieben: Während auf der Karte schwäbische Klassiker die Verbundenheit des Küchenchefs Thomas Heinzler mit seiner Heimat dokumentieren, lassen viele Speisen über den Bodensee hinausblicken. Zum Beispiel ein zarter Pulpoarm als Appetizer, der auf einem bunten und geschmackvollen Ratatouille glänzt, kombiniert mit einem Klacks grünem Pesto. Die Fischsuppe ist an die klassische, französische Bouillabaisse angelehnt: Der Geschmack von Fisch und Safran offenbart große aromatische Kraft. Filetstücke etwa von der Lachsforelle und anderen Schuppentieren sind frisch eingelegt – und daher zart und saftig. Eine cremige Rouille hält die Terrine aromatisch zusammen, das knoblauchschwangere Stück Röstbrot mit Kräutern adelt sie zur Delikatesse.
Mut zur Würze zeigt die Küche dann auch beim Rehragout, das in Begleitung eines etwas zu salzlastigen Rahmwirsings jede Menge Aroma verströmt: Die wie Lack auf dem Teller zäh fließende Soße atmet Wachholder, Nelke und Piment. Es gibt süßliche Anklänge von Preiselbeere. Das Fleisch ist allerdings nicht durchgängig zart und mürbe, was vermutlich an der Verwendung verschiedener Tranchen von mehreren Tieren liegt. Trotzdem zeigt sich hier die ganze Kunst, durch Schmoren Aromen zu verdichten. Von geradezu grandioser Einfachheit sind die Kalbfleischküchle von der Tageskarte, die in Saft und Kraft fast ebenso viel Geschmack auf sich konzentrieren. Kartoffelpüree und Röstzwiebeln komplettieren diesen hausmannsköstlichen Teller.
Großes Kino ist auch das Dessert: Pochierter Weinbergpfirsich mit
Champagnerschaum sowie das intensivste Pistazieneis, das sich ein verwöhnter Gaumen nur vorstellen kann. Während sich der vollreife Pfirsich im sanft-süßen Schaum voll entfaltet, sorgt der hohe Pistazienanteil im Eis für grüne Farbe und einen fast marzipanigen Abgang.
Und auf der Rechnung? Die Desserts erscheinen darauf nicht. Als Entschädigung für die kurze Irritation durch die unfreiwillige Einlage aus dem Tierreich. So gehen Profis mit sowas um – und so macht man aus Gästen Stammgäste.
Heinzler am See
Strandbadstr. 3
88090 Immenstaad
Tel. 07545-93190 www.heinzleramsee.de Geöffnet täglich von 6-23 Uhr, warme Küche von 12-16.30 und ab 17.30-21.30 Uhr. Hauptgerichte 14,80-39,50 Euro.
Weitere „Aufgegabelt“-folgen: www.schwäbische.de/aufgegabelt